Franz Beckenbauer ist tot. So umstritten er zuletzt als Funktionär war, so unbestritten waren seine sportlichen Leistungen als Spieler. Bloß: Wie gut war Beckenbauer wirklich? Eine Analyse.
Bliebe noch ein Wort zum Effekt-Bedarf der Medien. In den 1960er Jahren starteten die Fernsehjahre. 1961 war die ARD-Sportschau mit Ernst Huberty auf Sendung gegangen, seit 1963 sendete das Aktuelle Sportstudio des ZDF, die WM 1966, bei der Franz Beckenbauer als agilster und attraktivster Jungstar auftrat, war die erste WM mit einer nennenswerten Fernsehreichweite, 400 Millionen Menschen verfolgten allein das Endspiel. Für die Produktion von Stars noch wichtiger blieben aber zunächst die Printmedien, vor allem die zumal in München besonders stark vertretenen Boulevardblätter (Abendzeitung, Bild, tz). Besonders diese benötigten für ihre Storys besondere Spieler. Stars und Superstars waren das Salz in der Buchstabensuppe. Bei Reportern war das Interesse, Stars aufzubauen und das Publikum mit neuesten Nachrichten von eben diesen Stars zu füttern, weitaus größer als die Neigung, ihre Leistungen kritisch zu kommentieren. Grundsätzlich herrschte die Tendenz vor, Stars zu machen und sie hochzuschreiben. In die Pfanne gehauen wurde einer nur, wenn er sichtlich auf dem absteigenden Ast und zugleich bereits ein neuer zum Star taugender Kicker in Sicht war.
Franz Beckenbauer brauchte sich um gute Noten keine Sorgen zu machen, als in der Sportberichterstattung Noten im Stil von Schulzensuren eingeführt wurden, im Gegenteil. Der Münchner „Bild“-Sportchef Herbert Jung berichtete dem Beckenbauer-Biografen Torsten Körner, dass der Kaiser zweimal bei ihm angerufen hatte, um sich über die Benotung zu beschweren. Es entspann sich folgender Dialog: „Aber wieso, du hast doch eine Zwei?“ – „Ja, aber ich war nicht so gut, wie ihr geschrieben habt.“
„Ich war nicht so gut, wie ihr geschrieben habt“
Der Franz konnte es sich leisten, zu gute Noten in Zweifel zu ziehen. Beim Fachblatt „Kicker“ hat er das, soweit bekannt, nie gemacht. Sage und schreibe 27 Mal wurde er bei den seit 1956 in der Regel halbjährlich durchgeführten Bewertungen des Magazins in die Kategorie „Weltklasse“ eingestuft! Eine derart hohe Zahl an Nominierungen war möglich, da er mehrmals auf zwei Positionen zugleich (Innenverteidigung und Mittelfeld) bewertet wurde.
Um das einzuordnen: Der Zweitplatzierte Uwe Seeler schaffte 14 Berufungen, der stets als Superkönner gehandelte Günter Netzer lediglich vier; und sämtliche (!) Spieler von Borussia Dortmund kamen bis Januar 2020 auf ganze 25 Berufungen.
Wenn sich beweisen ließe, dass diese Experten den Kaiser tatsächlich immer objektiv beurteilt haben, dann sollte man die hier vorgetragenen relativierenden Bemerkungen wohl gleich wieder vergessen. Und selbst wenn man sie nicht vergisst und Korrekturen wir die hier vorgetragenen am Beckenbauer-Bild vornimmt, ist es sicher immer noch nicht verkehrt, sich Jürgen Sparwasser anzuschließen, der auf die Frage nach dem besten deutschen Fußballer aller Zeiten kurz und bündig antwortete: „Schon der Franz.“