Während Paris oder Monaco regelmäßig Superstürmer aus aller Welt kaufen, setzt Olympique Lyon auf die eigene Jugend – und führt plötzlich die Tabelle der Ligue 1 an.
Und dann war es still. Irgendwo in der Ferne jubelten ein paar französische Fans, und natürlich drehten die Reporter von „Canal+“ und „L’Equipe“ auf der Pressetribüne durch. Aber sonst: Schweigen. Lyons Miralem Pjanic hatte im Bernabeu eben zum 1:1 ausgeglichen, was nach dem 1:0‑Hinspielsieg für Olympique Lyon den Einzug ins Viertelfinale der Champions League bedeutete.
Das war am Abend des 10. März 2010. Vor beinahe fünf Jahren. Lyon schaltete danach sogar noch Bordeaux aus und zog ins Halbfinale der Königsklasse ein, wo gegen den FC Bayern Schluss war. Dennoch war es der größte internationale Erfolg der Vereinsgeschichte. Und nach Jahren der Dominanz im französischen Fußball – Lyon gewann von 2002 bis 2008 alle sieben Meistertitel – das letzte Mal überhaupt, dass Lyon europaweit von sich reden machte.
Lyon verlor den Anschluss
Dabei spielte OL auch in den kommenden Jahren keinen schlechten Fußball. Allein bei anderen Vereinen klingelte der Mann mit dem Geld ein bisschen häufiger. In Paris pumpte der Katarer Nasser Al-Khelaifi ab 2011 hunderte Millionen in den Klub und baute binnen weniger Jahre eine Supermannschaft um Zlatan Ibrahimovic, Thiago Silva oder Edinson Cavani auf. Zur gleichen Zeit fand der russische Geschäftsmann Dmitri Rybolowlew Gefallen am AS Monaco und gab alleine 2013 über 140 Millionen Pfund für Spieler wie Radamel Falcao, James Rodríguez und Éric Abidal aus.
In den Jahren zuvor war Olympique Lyon gewiss nicht die arme Kirchenmaus der Liga gewesen. Im Gegenteil: Auch in Lyon hatte man sich gerne mit ausländischen Superstürmern verstärkt, die Sache war nur: Milan Baros, John Carew oder Giovanie Elber entpuppten sich manchmal als doch nicht so super oder hatten ihre besten Tage hinter sich, als sie im Stade Gerland aufliefen. Die Ibrahimovics und Falcaos waren jedenfalls noch mal eine andere Hausnummer, und so verlor Lyon zwischen 2010 und 2014 ein wenig den Anschluss.
Lyons neue alte Offensivstärke
Nun führt die Mannschaft die französische Ligue 1 an. Nicht zufällig, nicht glücklich, sondern mit einer Dominanz, die an die goldenen Jahre Mitte der Nuller erinnert. Nach einem Stotterstart gewann OL zu Hause 2:1 gegen Monaco und spielte 1:1 in Paris. Die neue alte Stärke bekam vor allem Girondins Bordeaux zu spüren, im heimischen Stade Jacques-Chaban-Delmas ging der sechsmalige französische Meister mit 0:5 unter.
Wie konnte das passieren?
Da ist zum einen ein Stürmer, der nun tatsächlich mal jedes Superlativ verdient. Er heißt Alexandre Lacazette, ist 23 Jahre alt und trifft für Lyon wie zuletzt Sonny Anderson in den frühen 2000er Jahren.
Lacazette ist alles in einem: Mittelstürmer, spielender Angreifer, hängende Neun, echte Neun, eiskalt vor dem Tor, kopfballstark, schussstark, wendig. Der perfekte Stürmer. In 22 Spielen traf er bereits 21 Mal. Europaweit liegt nur Cristiano Ronaldo mit 28 Treffern vor dem OL-Stürmer.
Weil es in dieser Saison so großartig läuft, bekommt er nun regelmäßig Tipps und Lob von anderen Großen. „Er ist der Stürmer, der sich in den letzten beiden Jahren am meisten verbessert hat“, sagte Jean-Pierre Papin neulich in der „L’Equipe“. Und Thierry Henry schwärmte im französischen Fernsehen über seine Torquote, riet ihm aber auch, dass ein Stürmer sich ständig hinterfragen müsse, selbst dann, wenn es gut laufe. Lacazette nickte wie ein Schuljunge und sagte, dass das wohl stimmen müsste, schließlich sei Henry einer der besten Stürmer aller Zeiten.