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Rafael Benitez, haben Sie irgendwo in den engen Gassen Nea­pels schon einen neuen Mara­dona ent­deckt?
Es wird keinen geben. Diego war ein­zig­artig.

Würden Sie ihn auch auf die Bank setzen?
Nun, heut­zu­tage wäre er mir wohl die grö­ßere Hilfe, wenn er neben mir sitzen würde.

Mit Mara­dona gewann der SSC den letzten Meis­ter­titel. Das war 1987, vor nun­mehr 27 Jahren. Die Sehn­sucht der Napoli-Fans nach dem Scu­detto ist rie­sen­groß. Wie arbeitet es sich unter solch einem Erwar­tungs­druck?
Ich habe nie Angst vor großen Zielen gehabt. Aber man muss geduldig sein, wenn man sie errei­chen will. Ich bin geduldig.

Die Fans auch?
Ich habe das Gefühl, dass sie den Pro­zess, den wir begonnen haben, ver­stehen und unter­stützen. Immerhin sind wir 2014 ita­lie­ni­scher Pokal­sieger geworden. Und das am 10. Mai, dem Jah­restag der letzten Meis­ter­schaft.

Im Vor­feld des Finales gegen den AC Flo­renz war es in Rom zu schweren Aus­schrei­tungen gekommen. Zehn Men­schen wurden ver­letzt, dar­unter drei Napoli-Fans bei einer Schie­ßerei.
In meiner gesamten Kar­riere habe ich etwas derart Wider­wär­tiges noch nicht erlebt. Das hat unserem Sport großen Schaden zuge­fügt, unseren Tri­umph zu einem trau­rigen Tag gemacht. Ich erwarte von den zustän­digen Auto­ri­täten, dass sie solche Vor­komm­nisse in Zukunft ver­hin­dern.

Was können die Ver­eine selbst tun?
Es liegt in unserer Ver­ant­wor­tung, die Stim­mung im Vor­feld sol­cher Spiele nicht zusätz­lich auf­zu­heizen. Wir sollten mehr Respekt vor­ein­ander zeigen, um vor­han­dene Feind­se­lig­keiten nicht zu schüren. Es gibt Leute, die Fuß­ball mit Krieg ver­wech­seln.

Ihre Mei­nung zu José Mour­inho?
José wer?

Der Mann war zwei Mal Ihr Vor­gänger, bei Inter Mai­land und beim FC Chelsea. Beide Male war Ihr Enga­ge­ment von kurzer Dauer und äußerst dis­har­mo­nisch. Welche Rolle hat Mour­inho dabei gespielt?
Wollen Sie wirk­lich wissen, welche Mei­nung ich dazu habe?

Bitte!
Ich habe mit Inter den Welt­pokal und mit Chelsea die Europa League gewonnen. Das ist meine Mei­nung.

In London wurden Sie von der Ver­eins­füh­rung als Inte­rims­coach“ vor­ge­stellt, die Fans ver­spot­teten Sie als dicken spa­ni­schen Kellner“. Warum haben Sie sich das bieten lassen?
Ich gebe offen zu, dass ich schon freund­li­cher begrüßt worden bin. Aber ist das ein Grund, das Selbst­ver­trauen zu ver­lieren? Die Ent­wick­lung hat ja gezeigt, dass es nicht falsch gewesen wäre, län­ger­fristig mit mir zu planen. Der Kellner hat ser­viert, wenn Sie so wollen.

Was haben Sie denn aus Ihrer Zeit beim FC Chelsea gelernt?
Ich emp­finde diese Zeit über­haupt nicht als Nie­der­lage. Aber fragen Sie doch mal in London nach, ob man dort nun schlauer ist als zuvor.

In Neapel nennt man Sie ehr­furchts­voll Don Rafa“. Ist das in einem geist­li­chen Sinne zu ver­stehen, wie bei Don Camillo?
Die Fans haben seit Mara­donas Zeiten zwar eine gera­dezu reli­giöse Bezie­hung zum Klub. Aber ich bin hier nicht der Priester. Sie müssen wissen: Die Stadt war von 1505 an für etwa 200 Jahre spa­nisch. Seither werden, wie in Spa­nien, die Ober­häupter von Fami­lien mit Don“ ange­redet. Des­wegen Don Rafa“. Dass ich gewis­ser­maßen als Ober­haupt der Napoli-Familie ange­sehen werde, ehrt mich natür­lich sehr. Ich ver­suche, ein guter Vater zu sein.

Neapel ist eine Hafen­stadt wie Liver­pool und Valencia, wo sie eben­falls erfolg­reich gear­beitet haben. Was gefällt Ihnen an der Men­ta­lität dieser Orte?
Sie sind welt­offen und lebendig, weil sie seit Jahr­hun­derten unter dem Ein­fluss anderer Kul­turen stehen. Man ist es in diesen Städten gewohnt, mit Händen und Füßen zu kom­mu­ni­zieren und Fremde will­kommen zu heißen. Das sind die besten Vor­aus­set­zungen für ein so buntes Gefüge wie einen Fuß­ball­verein und seinen Trainer.

Aber wie viel bekommen Sie vom Leben in der Stadt wirk­lich mit? Sie leben in einem Hotel 40 Kilo­meter außer­halb Nea­pels?
Ich bin kein Fla­neur, und das könnte ich auf­grund meiner gewissen Bekannt­heit auch gar nicht sein. Aber ich bekomme genug mit, um die Men­ta­lität zu ver­in­ner­li­chen.

Sie arbei­teten sechs Jahre beim FC Liver­pool, noch heute singen die Fans an der Anfield Road Ihren Namen. Ist dort Ihre eigent­liche Heimat?
Meine spa­ni­schen Freunde sagen jeden­falls, ich käme ihnen schon sehr liver­poo­le­risch vor. Ja, ich bin ein Scouser geworden.

Mit den Reds gewannen Sie im CL-Finale 2005 gegen den AC Mai­land. Und das nach einem 0:3‑Rückstand. Ihr Gegen­über damals: Carlo Ance­lotti.
Ja, Carlo scheint sich von mir abge­guckt zu haben, wie man ein Spiel noch dreht! (Lacht.)

Das von ihm trai­nierte Real Madrid glich im Cham­pions-League-Finale 2014 gegen Atle­tico in der 94. Minute aus und gewann schließ­lich mit 4:1. Hatten Sie auch solche Angst, dass Diego Simeone Amok läuft?
Als er kurz vor Schluss auf dem Platz auf­tauchte, wurde mir schon mulmig.

Können Sie ihn trotzdem ver­stehen?
Es war sein Fehler, Diego Costa trotz Ver­let­zung auf­zu­stellen, das war ihm bewusst. Dann das späte 1:1, und in der Ver­län­ge­rung bricht Atle­tico ein. Das ist bitter. Man sollte uns Trainer nicht in sol­chen Stress­si­tua­tionen beur­teilen, son­dern daran messen, was wir tun und sagen, wenn wir uns beru­higt haben. Fragen Sie Klopp nach seinen Gri­massen, fragen Sie Simeone nach seinem Platz­sturm. Sie werden Ihnen nichts anderes sagen als ich: Es stand ver­dammt viel auf dem Spiel. Sie wollten gewinnen. Das ist alles.

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Wir trafen Rafael Benitez im Sommer 2014, kurz nach dem Gewinn des ita­lie­ni­schen Pokals. Das Inter­view erscheint hier stark gekürzt, die kom­plette Ver­sion erschien im Juli 2014 in 11FREUNDE #152. Das Heft könnt ihr hier nach­be­stellen.