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Willy Sagnol, Sie kennen sich aus mit Erfolgen. Mit Bayern Mün­chen gewannen Sie auf Ver­eins­ebene alles, was man gewinnen kann, 2006 standen Sie mit der fran­zö­si­schen Natio­nal­mann­schaft im WM-Finale. Warum blieben seitdem Erfolge der Equipe Tri­co­lore“ aus?
Unser Pro­blem war, dass wir mit den Titeln bei der WM 1998 und der EM 2000 alles gewonnen hatten. In acht Jahren standen wir mit der fran­zö­si­schen Natio­nal­mann­schaft dreimal im Finale. Die Erfolge haben uns geblendet. Wir dachten, dass es von alleine so wei­ter­geht und haben dabei die Ver­bands­struk­turen und die Nach­wuchs­för­de­rung ver­nach­läs­sigt. Das frühe Aus­scheiden bei der EM 2008 und der WM 2010 war die Rech­nung dafür.

Als Reak­tion auf die desas­trösen Tur­niere schuf der fran­zö­si­sche Fuß­ball­ver­band FFF“ 2011 Ihr Amt als Sport­di­rektor. Was genau ist Ihre Auf­gabe?
Ich koor­di­niere den Aus­tausch zwi­schen den ver­schie­denen Natio­nal­mann­schaften und bin dafür ver­ant­wort­lich, dass alle Natio­nal­mann­schaften, sowohl Jugend- als auch A‑Nationalmannschaft in Absprache mit dem Natio­nal­trainer Didier Des­champs eine ein­heit­liche Spiel­phi­lo­so­phie ver­folgen.

Wie sieht diese ein­heit­liche Spiel­phi­lo­so­phie aus?
Wir ver­langen von unseren Spie­lern Opfer­be­reit­schaft, Enga­ge­ment und Dis­zi­plin. Durch unsere ehe­ma­ligen Kolo­nien hatten wir immer einen Über­schuss an Rie­sen­ta­lenten. Trotzdem gab es in den ver­gan­genen Jahren sehr viele Pro­bleme. Einige Akteure haben nicht ver­standen, dass Opfer­be­reit­schaft die Vor­aus­set­zung dafür ist, ein großer Spieler zu werden.

Sie spielen auf den Mann­schafts­boy­kott bei der WM 2010 unter dem ehe­ma­ligen Trainer Ray­mond Domenech an. Wie wollen Sie die Dis­zi­plin­pro­bleme in den Griff bekommen? Mit einem här­teren Stra­fen­ka­talog?
Nach fran­zö­si­schem Recht dürfen wir keinen Stra­fen­ka­talog ein­führen. Aber den­noch haben wir die interne Dis­zi­plin ver­schärft. An fünf Jugend­spie­lern haben wir nach einem nächt­li­chen Aus­flug zwi­schen zwei Qua­li­fi­ka­ti­ons­spielen ein Exempel sta­tu­iert, indem wir sie bis zu 18 Monate sperrten. Eine harte Strafe hat mehr Effekt als viele Wörter – die anderen Spieler wissen nun, dass sie sich schlechtes Benehmen nicht mehr leisten können. (Nach den nächt­li­chen Aus­flügen einiger Natio­nal­spieler ver­passte die U21 von Frank­reich durch eine 3:5‑Niederlage gegen Nor­wegen die Euro­pa­meis­ter­schaft. Die Spieler Yann M’Vila, Chris Mavinga, Wissam Ben Yedde, Antoine Griezman und M’Baye Niang wurden bis Ende 2013 gesperrt, d. Red.)

Ist die Dis­zi­plin der ent­schei­dende Punkt bei der Neu­aus­rich­tung der Equipe Tri­co­lore“ oder soll sich auch tak­tisch etwas ändern?
Neben der Dis­zi­plin wollen wir ein schnel­leres Spiel for­cieren. Moderner Fuß­ball ist nur eine Frage von Geschwin­dig­keit. Schon den Jugend­na­tio­nal­spie­lern soll in Fleisch und Blut über­gehen, dass sie den Ball nicht zu lange halten und schnell umschalten.

Ist das Freund­schafts­spiel gegen Deutsch­land auch dies­be­züg­lich eine Nagel­probe?
Das Spiel gegen Deutsch­land ist vor allem eine Chance für die jungen Spieler, um zu zeigen, was sie können. Viel wich­tiger sind jedoch die noch bevor­ste­henden Qua­li­fi­ka­ti­ons­spiele.

Der Alters­schnitt der deut­schen Natio­nal­mann­schaft ist extrem niedrig. Wie schätzen Sie die deut­sche Nach­wuchs­ar­beit ein?
Die Talent­för­de­rung in Deutsch­land ist super. Deutsch­land ver­fügt durch seine Nach­wuchs­ar­beit über einen her­vor­ra­genden und tech­nisch starken Kader. Spieler wie Schwein­steiger, Özil und Kroos spielen auf Welt­klas­se­n­i­veau. Ein Titel ist nur noch eine Frage der Zeit.

Hier­zu­lande wurde die Natio­nal­mann­schaft nach dem Aus­scheiden bei der EM 2012 scharf kri­ti­siert.
Den feh­lenden Titel sollte man der Mann­schaft nicht ankreiden. Die harte Kritik an der Natio­nalelf war für mich nicht nach­voll­ziehbar. Letzt­lich sind es nur Klei­nig­keiten, die über den Aus­gang von Spielen auf diesem Niveau ent­scheiden. Das Errei­chen des Halb­fi­nales ist ein großer Erfolg. Deutsch­land ist auf einem guten Weg und Joa­chim Löw ist der per­fekte Trainer.

Hat die deut­sche Natio­nal­mann­schaft der Equipe Tri­co­lore“ nach der WM 2006 den Rang abge­laufen?
Bereits vor 2006 hat sich Deutsch­land gut ent­wi­ckelt. Danach hat Mat­thias Sammer die gute Arbeit äußerst erfolg­reich fort­ge­setzt und enorm viel erreicht in seiner Zeit als Sport­di­rektor. Heute funk­tio­nieren die Struk­turen und die Aus­bil­dung der Nach­wuchs­spieler beim DFB her­vor­ra­gend. Deutsch­land ist uns ein paar Schritte voraus.

War das deut­sche Aus­bil­dungs­system am Ende sogar Vor­bild für die Refor­mie­rung des fran­zö­si­schen Ver­bandes?
Im Gegen­teil: Deutsch­land hat Ende der Neun­ziger viel von Frank­reich gelernt. Natür­lich hat Deutsch­land das fran­zö­si­sche System nicht eins zu eins über­nommen, aber einige Dinge wurden aus Frank­reich impor­tiert.

Zum Bei­spiel?
Wie in der fran­zö­si­schen Welt­meis­ter­mann­schaft von 1998 spielen in der deut­schen Natio­nal­mann­schaft heute viele Kinder von Ein­wan­de­rern. Inte­gra­tion ist zwar ein poli­ti­sches und gesell­schaft­li­ches Thema, aber dass Deutsch­land inzwi­schen ein so starkes mul­ti­kul­tu­relles Team hat, steht für gelun­gene Inte­gra­ti­ons­ar­beit.

Von 2000 bis 2009 spielten Sie bei Bayern Mün­chen. Wie hat sich der deut­sche Fuß­ball gene­rell seit Ihrer Anfangs­zeit in der Bun­des­liga ver­än­dert?
Heute ver­su­chen selbst Mann­schaften wie Fürth, Augs­burg und Nürn­berg trotz ihrer pre­kären Lage im Abstiegs­kampf ansehn­li­chen Fuß­ball zu spielen. Als ich zu den Bayern kam, gab es viel­leicht fünf Ver­eine, die den Zuschauern etwas bieten wollten. Der Rest der Liga wollte ledig­lich nicht ver­lieren.

Wo würden Sie das Niveau der Bun­des­liga inter­na­tional ein­ordnen?
Meiner Mei­nung nach ist die Bun­des­liga die zweit‑, oder dritt­stärkste Liga Europas. Die spa­ni­sche Liga hat für mich noch leicht die Nase vorn, aber ich würde das Niveau der Bun­des­liga mit dem der eng­li­schen Pre­mier League ver­glei­chen.

Könnten Sie sich vor­stellen, eines Tages in die Bun­des­liga zurück zu kehren?
Irgend­wann viel­leicht. Wenn ich jeden­falls einmal Trainer sein sollte, dann würde ich mir auf jeden Fall wün­schen, in Deutsch­land zu trai­nieren. Die Bun­des­liga passt ein­fach zu meiner Fuß­ball­phi­lo­so­phie. Nichts gegen die fran­zö­si­sche Liga, aber die Bun­des­liga kommt meinem per­sön­li­chen Ide­al­ver­ständnis von Fuß­ball näher als die Ligue 1“.

Was sieht Ihr fuß­bal­le­ri­sches Ideal aus?
Fuß­ball ist nun einmal ein Sport, der in großen Sta­dien und vor vielen Fans gespielt wird. Dem Verein reicht zwar ein 1:0 der eigenen Mann­schaft, aber für die Fans ist es natür­lich schöner, ein attrak­tives Spiel zu sehen. Ich finde, die Anhänger sollten dafür belohnt werden, dass sie sich Woche für Woche teure Tickets für das Sta­dion kaufen.

Also sind die Fans das Wich­tigste im Fuß­ball?
Ohne Fans ist der Fuß­ball nichts. Die Bun­des­liga lebt durch ihre Fans. Denn dort wird den Fans genau das geboten, was sie wollen: Schöner Fuß­ball.