Am 13. März 2006 starb der beste Spieler in Celtics Geschichte. Jimmy Johnstone versetzte mit seinen Dribblings Europas Stadien in Ekstase. Doch sein größter Gegenspieler war er selbst.
Gerry McDade ist Autor und Moderator. Er war noch ein Kind, als Johnstone spielte. Aber für seinen Onkel und dessen Freunde hatte Johnstone die gleiche Bedeutung wie für ihn die Beatles. Er arbeitet an einem Film über den Europapokal-Gewinn 1967, zusammen mit Martin Conaghan und Jeff Healey. Letzterer realisierte bereits die Doku „Lord of the Wing“ über Jimmy Johnstone. McDade sitzt im Anzug in einem Café am Glasgower Flughafen. Er flüstert einen Satz, als dürfe ihn niemand in der Nähe hören: „Ja, Jimmy hatte ein Alkoholproblem.“ Er erzählt davon, wie ein Fan seinerzeit bei Celtics Trainer Jock Stein anrief, um ihm zu sagen, dass zwei Männer Jimmy Johnstone um sieben Uhr morgens aus dem Pub tragen mussten. Stein setzte für Johnstone zwei Stunden später eine Konditionseinheit an. „Jimmy musste kurzzeitig in die Büsche, um sich zu übergeben. Aber er stand das Training bis zum Ende durch. Er hatte einen eisernen Willen.“
Was war Johnstones bestes Spiel? „Definitiv das Abschiedsspiel für Di Stefano“, sagt McDade.
Es ist der 7. Juni 1967, die Legende Alfredo Di Stefano tritt ab. Real Madrid, Europapokalsieger von 1966, gegen Celtic, den amtierenden Titelträger. 120 000 Zuschauer sind ins Bernabeu gekommen, eine beeindruckende Kulisse, eine Kulisse für Jimmy Johnstone. Fünf Spieler lässt er auf der rechten Seite nacheinander aussteigen, er tänzelt, er bewegt sich mit einer Leichtigkeit, die andere lächerlich aussehen lässt, selbst die hoch gerühmten Spieler des einstigen „Weißen Balletts“. Sie stolpern ins Leere, grätschen vorbei, ausgespielt, genarrt vom „wee man“, vom Kurzen. Sie wissen sich nicht anders zu helfen, als ihn über den Haufen zu grätschen.
Es sind jene magischen Spiele, in denen sich Johnstone an seinen Aktionen zu berauschen scheint. Er flitzt hin und her, umdribbelt die Gegner, dann tritt er auf den Ball, lupft ihn über Reals Abwehr hinweg. „Olé“, rufen die spanischen Zuschauer verzückt. Als der Schiedsrichter abpfeift, reckt Johnstone den Spielball mit einem Arm in die Luft wie eine Trophäe. Ganz so, als hätte er ihn gezähmt. Die Zuschauer im Bernabeu, über die man sagt, sie seien die anspruchsvollsten Beobachter der Fußballwelt, sie johlen vor Begeisterung, sie applaudieren dem gegnerischen Rechtsaußen. Sie waren gekommen, um den großen Di Stefano zu ehren. Als sie gingen, sprachen sie nur von einem kleinen, rothaarigen Schotten.
Agnes Johnstone ist eine liebenswürdige Dame von 67 Jahren, der es vor allem wichtig ist, dass ihre Gäste genügend Gebäck und Kaffee auf dem Tisch haben. Ihre Wohnung in Uddingston, unweit von Glasgow, ist blitzblank geputzt, die Kissen auf dem Sofa akkurat aufgereiht. In der gesamten Wohnung findet sich nichts, was darauf schließen ließe, dass hier die Ikone von Celtic gewohnt hat. Nur ein Bild von Jimmy Johnstone im Rentenalter steht auf dem Esszimmertisch. Wenn man sie fragt, wie die Ehe mit ihrem Mann verlaufen sei, sagt Agnes Johnstone sofort: „Ein Albtraum“, sie lacht und zögert dann. Nach einer Pause fügt sie mit ernster Miene an: „Es war okay, wenn er nicht trank.“ Sie sagt sehr oft: „Wie auch immer.“ Er hat Leute im Stich gelassen. Aber wie auch immer. Ich habe mich geschämt für die Geschichten in der Zeitung. Aber wie auch immer. Wenn wir im Urlaub waren, umlagerten ihn die Leute und ich verschwand. Aber wie auch immer.
Und dann erzählt sie doch von den amüsanten Schnurren ihres Mannes, meist aus dem Fußball. Ihre Stimme und ihre Augen klaren auf. Jimmy balancierte als Kind auf einem Balken, um sein Gleichgewicht zu stärken. Er dribbelte in der Wohnung seiner Mutter um leere Flaschen. Als er im Alter von 13 Jahren an der Seitenlinie bei Celtic stand, rollte der Ball auf ihn zu. Er fing plötzlich an, ihn hochzuhalten. Das Stadion tobte. Und dann all die Spiele für Celtic, er liebte die Atmosphäre, je voller das Stadion war, umso besser spielte er. Manchmal bespuckten ihn die gegnerischen Fans, das stachelte ihn nur noch mehr an.
Was war das beste Spiel Ihres Mannes? „Ich glaube, es war das Rückspiel gegen Leeds United“, sagt Agnes Johnstone.