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Seite 2: Sie trugen ihn morgens aus der Kneipe

Gerry McDade ist Autor und Mode­rator. Er war noch ein Kind, als John­stone spielte. Aber für seinen Onkel und dessen Freunde hatte John­stone die gleiche Bedeu­tung wie für ihn die Beatles. Er arbeitet an einem Film über den Euro­pa­pokal-Gewinn 1967, zusammen mit Martin Conaghan und Jeff Healey. Letz­terer rea­li­sierte bereits die Doku Lord of the Wing“ über Jimmy John­stone. McDade sitzt im Anzug in einem Café am Glas­gower Flug­hafen. Er flüs­tert einen Satz, als dürfe ihn nie­mand in der Nähe hören: Ja, Jimmy hatte ein Alko­hol­pro­blem.“ Er erzählt davon, wie ein Fan sei­ner­zeit bei Cel­tics Trainer Jock Stein anrief, um ihm zu sagen, dass zwei Männer Jimmy John­stone um sieben Uhr mor­gens aus dem Pub tragen mussten. Stein setzte für John­stone zwei Stunden später eine Kon­di­ti­ons­ein­heit an. Jimmy musste kurz­zeitig in die Büsche, um sich zu über­geben. Aber er stand das Trai­ning bis zum Ende durch. Er hatte einen eisernen Willen.“

Was war John­stones bestes Spiel? Defi­nitiv das Abschieds­spiel für Di Ste­fano“, sagt McDade.

Es ist der 7. Juni 1967, die Legende Alfredo Di Ste­fano tritt ab. Real Madrid, Euro­pa­po­kal­sieger von 1966, gegen Celtic, den amtie­renden Titel­träger. 120 000 Zuschauer sind ins Ber­nabeu gekommen, eine beein­dru­ckende Kulisse, eine Kulisse für Jimmy John­stone. Fünf Spieler lässt er auf der rechten Seite nach­ein­ander aus­steigen, er tän­zelt, er bewegt sich mit einer Leich­tig­keit, die andere lächer­lich aus­sehen lässt, selbst die hoch gerühmten Spieler des eins­tigen Weißen Bal­letts“. Sie stol­pern ins Leere, grät­schen vorbei, aus­ge­spielt, genarrt vom wee man“, vom Kurzen. Sie wissen sich nicht anders zu helfen, als ihn über den Haufen zu grät­schen.

Es sind jene magi­schen Spiele, in denen sich John­stone an seinen Aktionen zu berau­schen scheint. Er flitzt hin und her, umdrib­belt die Gegner, dann tritt er auf den Ball, lupft ihn über Reals Abwehr hinweg. Olé“, rufen die spa­ni­schen Zuschauer ver­zückt. Als der Schieds­richter abpfeift, reckt John­stone den Spiel­ball mit einem Arm in die Luft wie eine Tro­phäe. Ganz so, als hätte er ihn gezähmt. Die Zuschauer im Ber­nabeu, über die man sagt, sie seien die anspruchs­vollsten Beob­achter der Fuß­ball­welt, sie johlen vor Begeis­te­rung, sie applau­dieren dem geg­ne­ri­schen Rechts­außen. Sie waren gekommen, um den großen Di Ste­fano zu ehren. Als sie gingen, spra­chen sie nur von einem kleinen, rot­haa­rigen Schotten.

Agnes John­stone ist eine lie­bens­wür­dige Dame von 67 Jahren, der es vor allem wichtig ist, dass ihre Gäste genü­gend Gebäck und Kaffee auf dem Tisch haben. Ihre Woh­nung in Udding­ston, unweit von Glasgow, ist blitz­blank geputzt, die Kissen auf dem Sofa akkurat auf­ge­reiht. In der gesamten Woh­nung findet sich nichts, was darauf schließen ließe, dass hier die Ikone von Celtic gewohnt hat. Nur ein Bild von Jimmy John­stone im Ren­ten­alter steht auf dem Ess­zim­mer­tisch. Wenn man sie fragt, wie die Ehe mit ihrem Mann ver­laufen sei, sagt Agnes John­stone sofort: Ein Alb­traum“, sie lacht und zögert dann. Nach einer Pause fügt sie mit ernster Miene an: Es war okay, wenn er nicht trank.“ Sie sagt sehr oft: Wie auch immer.“ Er hat Leute im Stich gelassen. Aber wie auch immer. Ich habe mich geschämt für die Geschichten in der Zei­tung. Aber wie auch immer. Wenn wir im Urlaub waren, umla­gerten ihn die Leute und ich ver­schwand. Aber wie auch immer.

Und dann erzählt sie doch von den amü­santen Schnurren ihres Mannes, meist aus dem Fuß­ball. Ihre Stimme und ihre Augen klaren auf. Jimmy balan­cierte als Kind auf einem Balken, um sein Gleich­ge­wicht zu stärken. Er drib­belte in der Woh­nung seiner Mutter um leere Fla­schen. Als er im Alter von 13 Jahren an der Sei­ten­linie bei Celtic stand, rollte der Ball auf ihn zu. Er fing plötz­lich an, ihn hoch­zu­halten. Das Sta­dion tobte. Und dann all die Spiele für Celtic, er liebte die Atmo­sphäre, je voller das Sta­dion war, umso besser spielte er. Manchmal bespuckten ihn die geg­ne­ri­schen Fans, das sta­chelte ihn nur noch mehr an.

Was war das beste Spiel Ihres Mannes? Ich glaube, es war das Rück­spiel gegen Leeds United“, sagt Agnes John­stone.