Fußball-Mannschaften, die in ihrer Vereinsgeschichte noch nicht von Peter Neururer trainiert worden, seien so rar wie Stehplatzkarten beim FC Chelsea, unken Spötter. Zum Mitschreiben: der 1955 in Marl (Kreis Recklinghausen) geborene Fußballlehrer stellte bereits bei Rot-Weiss Essen, Alemania Aachen, Schalke 04, Hertha BSC Berlin, Saarbrücken, Hannover 96, 1. FC Köln, Fortuna Düsseldorf, Kickers Offenbach, LR Ahlen und beim VfL Bochum die Hütchen auf. Ein ganz großer Name mit Champions-League-Format taucht in Neururers Arbeitsakte nicht auf, doch der clevere Coach mit dem signifikanten Schnäuzer hatte auch darauf schon eine Antwort. »Soll ich als 150. Trainer mit denen Meister werden?«, gab er einst Journalisten den Ball zurück, als die ihn auf einen möglichen Job beim FC Bayern aus München ansprachen.
Neururer beim FC Bayern? Man kann sich lebhaft vorstellen, wie der diplomierte Sportlehrer seine erfolgsverwöhnten Schützlinge dazu ermutigen würde, die Buddha-Figuren beim Zielschießen von der Latte zu treten. Neururer ist ein Fußball-Purist, die Klinsmannsche Zen-Einrichtung befand der Übungsleiter im 11FREUNDE-Interview als »Schwachsinn«, nicht jedoch die aktuell heftig propagierte Lehre aus der neuen Sportwissenschaft. Allerdings: »Auch ich habe den Fußball damals schon anders gesehen. Zur damaligen Zeit konnte aber ein Neururer die Sache noch gar nicht richtig verkaufen. Da hieß es immer: Was will uns dieser Ex-Student denn vermitteln?«
Dieser Ex-Student schaffte es als aktiver Fußballer immerhin bis in die Amateur-Oberliga, weiter reichte das Talent nicht aus. Auf dem Platz hatte sich Neururer dafür einen ehrfurchtsvollen Spitznamen erarbeitet: Sie nannten ihn »Blutgrätsche«. »Ich hätte nach heutigen Standards schon für meine Aufwärmübungen eine Gelbe Karte kassiert«, maulte »Blutgrätsche« später als Trainer über Schiedsrichterentscheidungen der Gegenwart. Über den TuS Haltern schaffte er Ende der 80er-Jahre den Sprung ins Profigeschäft, trainierte gleich bei der dritten Trainerstation seinen selbst ernannten Herzblut-Verein Schalke 04. Neururers Stil passte ins königsblaue Gewand, er führte 04 zeitweise auf den zweiten Platz in der Zweiten Bundesliga. Schalkes »Sonnenkönig« Günter Eichberg schmiss ihn nach nicht mal zwei Jahren trotzdem raus.
Der undankbare Ruf des »Feuerwehrmanns«
Auch folgende Trainerjobs blieben kurzweilig (»In Offenbach brauchst Du eher einen Wohnwagen als eine Wohnung, so schnell bist Du wieder weg.«), der Fußball-Wissenschaftlicher (»Ich habe früher auch die großen Philosophen gelesen. Doch dann habe ich gemerkt, dass die von meinem normalen Denken absolut abweichen. Jetzt lese ich nur noch Fußballfachbücher.«) erwarb sich den undankbaren Ruf des »Feuerwehrmanns«. Ein Kurzarbeiter, dessen Methoden in Notsituationen fruchten, der aber für kontinuierliche Trainingsarbeit nicht verwendbar zu sein schien. Am 4. Dezember 2001 unterschrieb Neururer beim VfL Bochum.
Endlich bekam er die Möglichkeit ein eigenes Konzept mit Ausblick zu gestalten, der von Neururer theoretisch untermauerte Überfall-Fußball der Bochumer sorgte für den Aufstieg in die deutsche Eliteklasse und wirbelte die Verhältnisse in der Bundesliga heftig durcheinander. Spielgestalter Wosz, Dribbelkünstler Freier, Mittelstürmer Hashemian. Sie erreichten unter Neururer den Zenit ihres Könnens und stürmten 2003/04 als Tabellenfünfter in den Uefa-Cup. Nie wieder hat man seitdem die Deutsch-Polen Wosz und Freier so aufregend und erfolgreich Fußball spielen sehen. Vahid Hashemian stieg dank seiner Kopfballstärke zum »Hubschrauber« auf. Das brachte dem Iraner zwar einen gut dotierten Vertrag beim FC Bayern, an seine Leistungen beim VfL mit Trainer Peter Neururer konnte er nicht wiederholen.
Ein halbes Jahr lang stand der Marler später dann bei Hannover 96 unter Vertrag, den anfänglichen Erfolgen folgte schnelle das triste Mittelmaß, im August 2006 war der leidenschaftliche Harley-Fahrer schon wieder Geschichte in der niedersächsischen Landeshauptstadt. Seitdem hat er keine Mannschaft mehr trainiert.
Im Sommer 2007 lief der Vertrag mit 96 endgültig aus, Neururer, der laut eigener Aussage Angebote von Energie Cottbus hatte und Nationaltrainer in Ägypten und dem Iran werden sollte, ist spätestens seit Beginn 2008 auf der Suche nach einem neuen Job. Nur logisch, dass sein Name auch in Duisburg gehandelt wurde. Nachdem Neururer beim MSV unterschrieb, war vor allem eines gewiss: Es ist für beide Seiten eine Premiere, denn den MSV, man mag es kaum glauben, hat Peter Neururer noch nicht trainieren dürfen.