Wir bauen unsere Seite für dich um. Klicke hier für mehr Informationen.

Wer Kain G. Rücht in seiner Woh­nung besucht, den erwartet ein erschre­ckendes Bild. Hun­derte rosa­far­bene Papier­knäuel liegen wild ver­teilt auf dem Boden herum und lassen nur noch ver­muten, dass hier jemand in den ver­gan­genen Monaten fie­ber­haft die Gaz­zetta dello Sport durch­forstet hat. An der Wand hängen dut­zende, ver­pi­xelt aus­ge­druckte Pro­fil­fotos von slo­wa­ki­schen U19-Talenten, die angeb­lich schon mil­lio­nen­schwere Vor­ver­träge bei Hertha BSC unter­schrieben haben. Dazu ein großes und aus hun­derten Spieler-wird-per-Handschlag-mit-dem-Sportdirektor-offiziell-vorgestellt“-Einzelfotos zusam­men­ge­frie­meltes Kon­terfei von Hertha-Manager Michael Preetz. Im Faden­kreuz. 

Rücht hat die Vor­hänge zuge­zogen, bis auf das Licht des offenen Laptop-Dis­plays, auf dem zig offene trans​fer​markt​.de-Tabs zu erkennen sind, ist die Woh­nung duster. Wer durch die Nase ein­atmet, macht diesen Fehler kein zweites Mal. In der Woh­nung stinkt es. Modrig und unan­ge­nehm. Immer wieder in den ver­gan­genen Monaten sei das Bade­wasser über­ge­laufen, sagt Rücht, und habe übel rie­chende, fau­lende Stellen auf dem Die­len­boden hin­ter­lassen. Warum? Im Zusam­men­hang mit mir gab es in den ver­gan­genen Monaten nicht mal Was­ser­stands­mel­dungen. Wie soll ich wissen, wann die Bade­wanne voll ist?“

Nicht mal Sport1 hat über mich berichtet“

Kain G. Rücht

Rüchts eigener Zustand ist kaum besser als der seiner Woh­nung. Die Fin­ger­nägel abge­knab­bert, das Haar zer­zaust, die Wangen ein­ge­fallen. Er könne sich nicht daran erin­nern, wann er zum letzten Mal ein Gold­steak bei Salt Bae gegessen habe, aus seinen 585-Euro-Balen­ciaga-Hightop-Snea­kern würde er bereits heraus schlappen, so dünn seien seine Knö­chel geworden. Er könne sich zwar jeder­zeit von seinem 15-jäh­rigen Per­sonal-Shopper aus London ein engeres Paar besorgen lassen, sagt er. Und den­noch, einen Pro­fi­fuß­baller so zu sehen, macht betroffen. Bereits nach wenigen Minuten ist klar: Kain G. Rücht ist phy­sisch und psy­chisch am Ende. Denn Kain G. Rücht ist kein nor­maler Profi. Er ist der welt­weit ein­zige, um den in dieser Trans­fer­pe­riode noch kein ein­ziges Wech­sel­ge­rücht im Zusam­men­hang mit Hertha BSC auf­ge­kommen ist.

Zunächst hatte Rücht nicht über seine schwie­rige per­sön­liche Situa­tion spre­chen wollen. Zum einen schämte er sich zu sehr dafür, vor allem, als in Bezug auf Hertha selbst der Name des inzwi­schen zurück­ge­tre­tenen André Schürrle durch die ein­schlä­gigen News­por­tale geis­terte. Zum anderen glaubte er, dass jedes State­ment von ihm, in dem er klar Posi­tion beziehen würde, kon­tra­pro­duktiv hin­sicht­lich mög­li­cher Gerüchte sein könnte. Doch als er erfuhr, dass noch kein ein­ziger 11FREUNDE-Redak­teur jemals von irgend­einem Fuß­ball­verein auf der Welt gewollt wurde, wil­ligte er schluss­end­lich doch noch ein. Aus Mit­leid. Und weil er ver­standen werden will. Auch wenn ihm das Spre­chen merk­lich schwer­fällt. Nicht mal Sport1 hat über mich berichtet“, setzt er an. Die haben lieber weiter Find it, Fix it, Flor it – Schätze aus der Scheune‘ gezeigt. Das muss man sich mal vor­stell…“ Weiter kommt er nicht. Dann bricht seine Stimme.

Enten tun ihm nicht gut

Kürz­lich, so erzählt Rücht, als er sich wieder gesam­melt hat, habe er Sperr­müll ange­meldet. Und alle Enten, ob Quit­sche­enten, ein­ge­fro­rene Weih­nachts­enten, seinen ver­ros­teten Old­timer oder diese komi­schen Pin­kel­enten, die es eigent­lich nur im Kran­ken­haus gibt, vor der eigenen Woh­nung abholen lassen. Ich konnte ihre Gegen­wart nicht länger ertragen.“ Nor­ma­ler­weise, sagt er, könne er sich mit einem kleinen Joint oder ein paar Hasch­keksen ent­spannen, wenn der Druck zu groß werde. Angst vor Doping­kon­trollen habe er keine. Er sei schließ­lich Fuß­baller. Und könne in Bezug auf Doping dem­entspre­chend machen, was er wolle. Doch auch diese Option falle in diesem Sommer weg. Alles, was mit Tickern zu tun hat, ver­suche ich seit einigen Tagen zu meiden. Es tut mir ein­fach nicht gut.“

-

Dabei war im Fuß­bal­ler­leben von Rücht lange Zeit eigent­lich alles ganz normal gelaufen. Mit 14 Jahren der Wechsel vom Dorf­verein ins Nach­wuchs­leis­tungs­zen­trum eines semi-erfolg­rei­chen west­deut­schen Zweit­li­gisten, mit 18 die ersten Gerüchte über Leihen zu klammen Regio­nal­li­gisten im Osten, mit 22 Jahren dann die erste echte Luft­nummer, als Der­Westen eine kom­plett geschwärzte Abbil­dung seines Ober­kör­pers auf der Web­site ver­öf­fent­licht hatte mit der Über­schrift Schnappt Sas­suolo bei diesem Bochum-Bubi zu?“, obwohl er da längst seinen Ver­trag ver­län­gert hatte. Gut habe er sich gefühlt, als Kum­pels ihn via WhatsApp auf die dreiste Lüge auf­merksam gemacht hätten, seine Welt sei in Ord­nung gewesen, als ihn via Insta­gram hun­derte belei­di­gende Nach­richten und Dro­hungen von auf­ge­brachten Fans seines Hei­mat­ver­eins erreicht hätten. Wer kann schon von sich behaupten, in seinem Leben mal von Her­bert Grö­ne­meyer per Insta-DM dre­ckiger Hun­de­sohn genannt worden zu sein? Mir ging es gut, mehr noch, mir ging es groß­artig.“ Ein Jahr später ist von diesen Glücks­ge­fühlen nichts mehr zu spüren. Ich habe mich nie für einen nei­di­schen Men­schen gehalten“, sagt er nach­denk­lich. Aber irgend­wann hat mich mein Vor­name anschei­nend ein­ge­holt.“

Kein Mehr­wert erkennbar“

Im Winter habe er es ja noch ver­stehen können, sagt Rücht, als das Gespräch vom Reporter auf die ver­gan­gene Trans­fer­pe­riode und Hertha BSC gelenkt wird. Damals war Klins­mann noch Trainer und der ent­schei­dende Mann für die Hertha-Gerüchte. Und ich war nun mal kein abge­half­terter Ex-Natio­nal­spieler, der viel zu viel Geld ver­langt und bei dem voll­kommen klar ist, dass er nie wieder das eins­tige Leis­tungs­ni­veau errei­chen wird. Außerdem bin ich in meinem gesamten Leben noch nicht ein ein­ziges Mal bei Face­book live gegangen. Inso­fern war klar: Es würde keinen Sinn ergeben, mich mit Klins­mann und Hertha in Ver­bin­dung zu bringen. Das würde nie­mand glauben. Selbst dem jungen Transfer Update-Mode­rator von SkySport News HD wäre es zu unan­ge­nehm gewesen, über ein Gerücht dieser Art zu spre­chen.“ 

Doch in diesem Sommer? In dem aus­nahmslos jeder Fuß­baller – Posi­tion egal, Alter egal, Markt­wert egal, Anzahl der Glied­maßen egal – mit Hertha in Ver­bin­dung gebracht wird? Außer Rücht? Da fehlen mir die Worte.“ Zumal es ihm ja gar nicht darum gehe, wirk­lich zur Hertha wech­seln zu wollen. Ich meine: Deren Mann­schafts­arzt ist seit 22 Jahren im Amt. Und heißt auch noch Dr. Schlei­cher. Da ist kei­nerlei Inno­va­tion und Dynamik erkennbar. Ganz zu schweigen von der Kader­struktur. Viel zu viele Spieler sind zu alt und zu satt und, wenn ich die Klins­mann-Tage­bü­cher richtig ver­standen habe, zu wenig ver­wandt mit Jürgen Klins­mann. Kein Mehr­wert erkennbar. Und dann wird dem Investor Lars Wind­horst, der mit seinen Yacht-Ein­la­dungen alle Spieler total happy macht, nach Spielen nicht mal erlaubt, der Mann­schaft in der Kabine HALLO zu sagen? Wer will denn in so einem Saft­laden ange­stellt sein?“

Muss sich Kain G. Rücht ein neues zu Hause suchen?

Trotzdem: Dass über ihn und Hertha nicht mal getu­schelt wird, macht den jungen Profi fertig. Er bezeichnet sich selbst als emo­tio­nales Wrack“. Neu­lich sei seine Mutter zu Besuch gewesen, habe kurz tief durch die Nase ein­ge­atmet und dann jubelnd gerufen: Moder, Fäule, unge­wa­schener Mann – das war doch das, was du die ganze Zeit woll­test!?“ Frus­triert und mit den Nerven am Ende habe er sie auf­klären müssen: Mama! Es geht mir nicht um Hertha-Gerüche, son­dern um Hertha-Gerüchte!“ Noch schlimmer sei ein anderer Tag gewesen. Als er kürz­lich in der Innen­stadt unter­wegs gewesen sei und beob­achtet hätte, wie ein Raben­vater sein fre­ches Kind an den Haaren her­bei­ge­zogen hätte, da sei alles aus ihm her­aus­ge­bro­chen. Er habe hem­mungslos geweint, geschluchzt, die Wut und die Angst und den Zorn her­aus­zu­schreien ver­sucht, sagt er. Ich erwarte doch gar keine ernst­zu­neh­mende und gut recher­chierte Info. Mir würde schon ein ein­ziger und kom­plett aus­ge­dachter Click­bait-Tweet von Sport­Bible rei­chen. Aber da kommt gar nichts. Nicht mal vom Hertha-Reporter der BZ, und der hat neu­lich eine Geschichte über einen bösen Preetz-Zwil­ling erfunden, den Jürgen Klins­mann aus einem Kerker zu befreien ver­sucht, um mit seiner Hilfe doch noch den Verein zu über­nehmen. Aber zu mir? Macht er gar nichts. So geht man nicht mit Men­schen um.“

Lange würde er es nicht mehr aus­halten. Wenn bis Ende August kein trans​fer​markt​.de-Thread zu ihm und Hertha auf­ge­macht worden sei, und dieser nicht min­des­tens bei 16 Pro­zent Wech­sel­wahr­schein­lich­keit stünde, wolle er einen Schluss­strich ziehen. Auf­hören. Abdanken. Aus­wan­dern. In eine andere Stadt, in ein anderes Land. Ein neues zu Hause suchen. Wie er sich dieses neue Zuhause vor­stelle? Kain G. Rücht über­legt. Dann lächelt er, zum ersten Mal an diesem Tag. Vor meinem inneren Auge sehe ich ein wun­der­schönes, gigan­ti­sches Luft­schloss.“

-