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Stefan Krämer, Sie haben früher als wis­sen­schaft­li­cher Mit­ar­beiter an der Sport­hoch­schule Köln gear­beitet. Welche Rolle spielt die Sport­wis­sen­schaft nun in Ihrem Trai­nings­alltag?
Eine große. Mitt­ler­weile können sich Trainer einer Pro­fi­mann­schaft nicht mehr erlauben, die Erkennt­nisse der Wis­sen­schaft aus­zu­blenden. Ob Sport­me­dizin, Trai­nings­lehre oder auch Sport­psy­cho­logie – die Dis­zi­plinen ent­wi­ckeln sich doch stets weiter. Wir arbeiten hier in Bie­le­feld mit diversen Test­bat­te­rien, die uns ver­läss­liche Ergeb­nisse lie­fern. Stich­worte Schnell­kraft, Kraft­aus­dauer, Akti­ons­schnel­lig­keit.

Wie viele Pro­zent­punkte bringt das?
Das ist schwer zu sagen, aber ich denke, dass all diese Ele­mente ein Drittel aus­ma­chen. Der Vor­teil: Du kannst das Trai­ning wesent­lich ergie­biger gestalten, indi­vi­du­elle Schwä­chen kommen sofort zum Vor­schein. Das war früher sicher­lich anders. Der ein oder andere Spieler ent­wi­ckelt sich heut­zu­tage ver­mut­lich schneller, weil er regel­mäßig objek­tive Rück­mel­dungen erfährt.

Was halten Sie von der Aus­sage, Dritt­liga-Spieler seien in der Regel genauso fit wie Bun­des­li­ga­profis?
Davon bin ich über­zeugt! Ich kenne die Fit­ness­werte einiger Bun­des­li­gisten und diese Werte sind keinen Deut besser als unsere. Die Dritte Liga ist eine unheim­lich harte und kör­per­be­tonte Liga, willst du eine Chance haben, musst du topfit sein.

Und wofür steht der Trainer Stefan Krämer?
Ich habe eine klare Vor­stel­lung davon, wie meine Mann­schaft auf­treten soll. Aller­dings kann ich dieses Ide­al­bild nicht in zwei Sätzen erklären.

Ver­su­chen Sie es.
Pla­kativ gesagt geht es nur ums eins: Akti­vität! Das Gerede von Offen­sive“ und Defen­sive“ greift zu kurz. Mir geht es um Akti­vität in allen Spiel­si­tua­tionen. Pas­si­vität ist für mich das Schlimmste.

Gehören Sie also zu jenen Trai­nern, die Ball­be­sitz über alles andere stellen?

Das soll es gerade nicht bedeuten. Ein Spieler kann auch aktiv sein, wenn der Gegner den Ball hat; er kann dann Lücken schließen und den ball­füh­renden Spieler in Kor­ri­dore leiten, die ins Leere laufen. Das sind Auto­ma­tismen, die wirken. Ich ärgere mich, wenn soge­nannte Experten – nach einem kurzen Blick auf die Sta­tistik – behaupten, Mann­schaft X sei zu passiv, weil sie weniger Ball­be­sitz habe. Das eine hat mit dem anderen näm­lich nichts zu tun! Manchmal ist es sogar wichtig, dass der Gegner den Ball hat.

Das müssen Sie erklären.
Ver­lieren wir den Ball in der Vor­wärts­be­we­gung, sprich: der Gegner gewinnt den Ball, dann eröffnet sich für uns die größte Mög­lich­keit, ein Tor zu erzielen, und zwar indem wir ordent­li­ches Gegen­pres­sing spielen und somit den Gegner, der gerade öffnet, hart treffen, ihn prak­tisch über­rum­peln. In einem Satz: Gegen­pres­sing ist der beste Spiel­ma­cher über­haupt.

Sie haben die TV-Experten ange­spro­chen. Dazu…

…Heut­zu­tage wird beim Thema Taktik“ viel zu viel über Zah­len­auf­rei­hungen geredet! Ob nun 4−1−4−1, 4−2−3−1 oder 4−3−3 – das ist doch im Grunde egal. Viel wich­tiger ist es, wie die Spieler auf ihrer jewei­ligen Posi­tion agieren, wie sie ihre Rolle inter­pre­tieren. Erst daran erkennt man doch die Idee des Spiels. Mein Appell: Bitte haltet Euch nicht so lange mit Zah­len­spiel­chen auf – die sind näm­lich nicht gerade aus­sa­ge­kräftig.

Täuscht der Ein­druck oder sind Sie als Trainer tat­säch­lich eher der Kum­peltyp?
(Pause) Hier rap­pelt es manchmal gehörig, keine Sorge. Aber es stimmt, ich bin nah dran an der Mann­schaft und lege keinen großen Wert auf Distanz. Den­noch ist auch mir klar: Es gibt Mann­schaften, mit denen ich so nicht arbeiten könnte. Kurzum: Ich behan­dele die Jungs so, wie ich als Spieler gern behan­delt worden wäre.

Noch vor zwei Jahren waren Sie Co-Trainer – ein Pro­blem?
In meinem Fall nicht. Ich habe mich aber auch nicht ver­stellt. Es wäre merk­würdig gewesen, hätte ich von einem Tag auf den anderen meine Art geän­dert. Zudem wäre ich mir wahn­sinnig blöd vor­ge­kommen, hätte ich den Spie­lern plötz­lich gesagt, sie müssten mich ab sofort siezen, nach dem Motto: Jetzt bin ich der große Zam­pano! So was geht meis­tens schief. Die Mann­schaft weiß doch genau, wie ich ticke.

Es gibt viele Nega­tiv­bei­spiele für ehe­ma­lige Co-Trainer, die nach ihrer Beför­de­rung schei­terten. Wie lautet Ihr Rezept?
Königsweg: Fehl­an­zeige. Es geht nicht darum, geliebt zu werden, son­dern um Akzep­tanz, Ver­läss­lich­keit und Kom­pe­tenz. Spieler wollen wissen, woran sie sind. Wir standen damals auf dem letzten Tabel­len­platz, jeder wusste: Wir müssen punkten, sonst war’s das. Nachdem wir einige Spiele hin­ter­ein­ander gewonnen hatten, wuchs auch das Ver­trauen. Die Spieler merkten, dass der vor­ge­be­bene Weg Rich­tung Ziel führt. Nach den Erfolgen hatte sich eine eigene Dynamik ent­wi­ckelt – glück­li­cher­weise zum Posi­tiven.

Stimmt es eigent­lich, dass Sie alles dem Kol­lektiv unter­ordnen?
Sagen wir so: Wer unsere Linie ver­lässt, bekommt Theater. Dass wir hier eng zusammen arbeiten, heißt nicht, es würde alles demo­kra­tisch und nett ablaufen. Ich gebe klare Vor­gaben. Erfreu­li­cher­weise ist es bis­lang nicht nötig gewesen, mit der Peit­sche drauf­zu­hauen (lacht).

Wie hat sich die Phi­lo­so­phie der Arminia in den ver­gan­genen Jahren ver­än­dert?
Die ganz schlimme Zeit habe ich ja nur aus der Ent­fer­nung mit­be­kommen. Ich kann daher ledig­lich beur­teilen, was in den letzten zwei Jahren geschehen ist. Fest steht: Die vielen Pro­bleme gehören der Ver­gan­gen­heit an. Hier in Bie­le­feld wird mitt­ler­weile wieder pro­fes­sio­nell und seriös gear­beitet. Wir haben einen sehr ange­nehmen Prä­si­denten, der sich in den sport­li­chen Fragen zurück­hält und somit keine Unruhe hin­ein­trägt. Er arbeitet hart – aller­dings im Hin­ter­grund. Das zahlt sich aus. Eitel­keiten spielen hier keine Rolle mehr.

Das klingt nach einer heilen Arminia-Welt. Darf in Bie­le­feld etwa nicht mehr gestritten werden?
(lacht) Natür­lich streiten wir uns gele­gent­lich, wir tun das aber stets intern. Es ist schön zu sehen, dass es allen Mit­ar­bei­tern vor­rangig um den Erfolg der Arminia geht. Früher war es doch so: Scherte der eine nach rechts aus, bewegte sich der andere aus Prinzip nach links. Das Resultat war Chaos.

Apropos Chaos“: Wie haben Sie damals die Exis­tenz­ängste der Betei­ligten wahr­ge­nommen?
Das war frus­trie­rend und belas­tend. Wären wir im ver­gan­genen Jahr abge­stiegen, hätten wir den Laden ver­mut­lich dicht machen können. Das muss uns allen immer bewusst sein.

Haben Sie fest­ge­stellt, dass sich die Fan­kultur in Bie­le­feld ver­än­dert hat?
Wir haben einen harten Kern von zirka 10.000 Leuten, der die Vor­gänge im Verein intensiv ver­folgt. Es ist in der Tat so, dass wir in den letzten Jahren viele Anhänger ver­loren haben, viele von ihnen sind ent­täuscht gewesen. Die schlechte Außen­dar­stel­lung und der sport­liche Absturz haben sie mürbe gemacht. Die Arminia hat schließ­lich ein deso­lates Bild abge­geben. Kein Wunder, dass sich viel Anhänger zu jener Zeit nicht mit der Arminia iden­ti­fi­zieren konnten.

Wie wollen Sie diese Anhänger zurück­ge­winnen?
Das ist unheim­lich schwierig. Wir brau­chen Geduld. Kon­stanz. Und sport­li­chen Erfolg. Daran arbeiten wir hart. Wenn wir weiter geschlossen auf­treten, authen­tisch sind und lei­den­schaft­lich auf ein Ziel hin­ar­beiten, werden schon bald wieder mehr Men­schen stolz sein, Arminia-Fan zu sein.

Streben Sie eigent­lich ein großes Ziel an oder setzen Sie sich Etap­pen­ziele?
Mein Lebens­ent­wurf erstreckt sich von Samstag zu Samstag. Ich for­dere von meiner Mann­schaft eine Pokal­spiel­men­ta­lität. Es klingt abge­dro­schen, aber: ich will in jeder Partie die Men­ta­lität spüren, es könnte die letzte sein.

Das klingt zwar vor­bild­lich, aber wie soll das im Alltag funk­tio­nieren? Bei­spiels­weise bei einer Partie gegen den Tabel­len­letzten.
Das ist zunächst einmal unser Anspruch. Dass das nicht immer klappt, ist logisch. Trotzdem kommen wir nur dann voran, wenn wir der­ar­tige Ziele benennen. Klar ist aber auch: Man muss eine Mann­schaft haben, die dafür emp­fäng­lich ist, eine Mann­schaft, die eine solche Ein­stel­lung nicht als Zumu­tung auf­fasst. Wir arbeiten in jeder Trai­nings­woche auf ein neues High­light hin, das Spiel am Wochen­ende. Damit sind wir bis­lang gut gefahren.

Stefan Krämer zum Abschluss noch eine Frag: Arminia Bie­le­feld steigt in die Zweite Liga auf, weil…?
(lacht) Ich bleibe dabei, auch wenn es womög­lich lang­weilig und abge­dro­schen klingt: Wir arbeiten von Woche zu Woche. Unser Höhe­punkt ist stets der nächste Spieltag, Punkt.