Wir bauen unsere Seite für dich um. Klicke hier für mehr Informationen.

Herr Glasner, was lief letzten Sonntag bei Ihnen im Fern­sehen: das Spiel Ihres Europa-League-Geg­ners St. Eti­enne oder die Bericht­erstat­tung zur Wahl in Öster­reich?

Ich habe St. Eti­enne im Fern­sehen geschaut. Das Spiel und die ersten Hoch­rech­nungen waren gleich­zeitig um 17 Uhr und des­halb habe ich die Wahl natür­lich par­allel im Internet ver­folgt.

Was hat Sie dabei mehr bewegt?

Ich möchte die Wahl jetzt nicht im Detail kom­men­tieren. Es war meine erste Brief­wahl, und ich habe meine Wahl­karte aus­ge­füllt, das war mir wichtig. Kurz­fristig war für mich St. Eti­enne aber rele­vanter.

Die Grünen haben bei der Wahl deut­lich zuge­legt. Macht man sich als Mensch im Pro­fi­fuß­ball, wo Flüge zu Aus­wärts­spielen wie selbst­ver­ständ­lich dazu­ge­hören, über den Kli­ma­wandel beson­dere Gedanken?

Ich habe das noch nie her­un­ter­ge­bro­chen auf den Fuß­ball. Ich denke, dass es in unser aller Ver­ant­wor­tung liegt, dass wir unsere Welt lebens­wert gestalten. Nur zu pro­tes­tieren und zu sagen, so geht es nicht, ist mir aber zu ein­fach und manchmal auch zu popu­lis­tisch. Wir könnten im Fuß­ball natür­lich sagen, wir ver­zichten auf Bus und Flug­zeug. Dann müssen wir die Cham­pions und Europa League aber wahr­schein­lich abschaffen. Wenn man sich ernst­haft mit der Pro­ble­matik aus­ein­an­der­setzt und Lösungen auf­zeigt, bin ich der Erste, der mit dabei ist.

Es gibt relativ wenige Fuß­baller, die öffent­lich ihre Mei­nung zu sol­chen Themen äußern. Hat das etwas damit zu tun, dass viele Spieler durch die Pro­fes­sio­na­li­sie­rung der Nach­wuchs­ar­beit kaum noch Gele­gen­heiten haben, mal aus dem Mikro­kosmos Pro­fi­fuß­ball her­aus­zu­schauen?

Die Spieler sind sehr früh in einem System und werden von diesem natür­lich stark geprägt. Aber dazu muss ich auch mal klar­stellen: Ich bin jetzt 45, und mit 20 Jahren hätte ich zu vielen Themen auch keine Mei­nung gehabt. Wenn Sie mich damals auf Kinder und Familie ange­spro­chen hätten, hätte ich Ihnen gesagt, das inter­es­siert mich jetzt nicht. Heute habe ich drei Kinder und es ist natür­lich ein wich­tiges Thema. Ich finde es schon ein biss­chen pro­ble­ma­tisch, dass sich viele junge Leute mit Politik nicht beson­ders aus­ein­an­der­setzen. Hier sehe ich ein Pro­blem in der Aus­bil­dung, in der Schule. Ich würde aber nicht sagen, dass das für Fuß­baller beson­ders gilt.

Sie haben wäh­rend Ihrer Spie­ler­kar­riere Wirt­schafts­wis­sen­schaften stu­diert. Würden Sie das Ihren Spie­lern emp­fehlen?

Das muss jeder für sich selber ent­scheiden. Ein Trainer von mir hat einmal gesagt, wenn du deinen Geist und Körper trai­nierst, hält dich das jung und fit. Mir war es auch wichtig, nicht vom Fuß­ball abhängig zu sein. Als Fuß­baller bist du in deinem Kosmos drin und plötz­lich, mit 30 oder mit 35, ist es zu Ende. Der Groß­teil deines Lebens liegt dann noch vor dir. Dann geht es auch darum, eine neue Auf­gabe zu finden, neue Inter­essen.

Unions Trainer Urs Fischer geht als Aus­gleich zur hohen Belas­tung im Fuß­ball gern angeln. Was machen Sie, um abzu­schalten?

Ich ver­suche, regel­mäßig Golf zu spielen – und wenn es nur neun Loch am Abend sind. Beim Golfen bist du mit dir selbst beschäf­tigt, machst mal das Handy aus, musst dich kon­zen­trieren und es ist auch nie jemand anderes schuld als du selbst.

Wolfs­burg ist Ihre erste Aus­lands­sta­tion, wie kommen Sie mit der Tren­nung von der Familie klar?

Dass ich 700 Kilo­meter von meiner Familie ent­fernt lebe, ist sicher­lich nicht das Ide­al­sze­nario, aber wir lösen das bisher sehr gut. Meine Frau und die Kinder kommen immer mal wieder hoch, ich fahre in Län­der­spiel­pausen runter. Und mit den Video­te­le­fo­naten hast du ohnehin nie das Gefühl, dass du ganz weg bist.

Fehlt Ihnen sonst irgend­etwas?

Ich ver­binde Länder immer mit den Men­schen, die ich dort kenne. Öster­reich ist für mich nicht Öster­reich, weil es da Berge gibt oder eine bestimmte Küche. Was eher fehlt, ist der per­sön­liche Kon­takt zu der Familie, den Freunden. Es ist einer der Nach­teile, wenn man im Fuß­ball­ge­schäft ist: Da bist du bei Geburts­tagen oder Hoch­zeiten halt oft nicht dabei. Das ist der Preis, den du zahlen musst – und den ich auch zu zahlen bereit bin.

In der ver­gan­genen Saison haben Sie mit Linz die CL-Qua­li­fi­ka­tion erreicht. Den­noch sind Sie trotz eines lau­fenden Ver­trages nach Wolfs­burg gewech­selt. Welche Rolle hat die Anzie­hungs­kraft der Bun­des­liga dabei gespielt?

Als das Inter­esse gekommen ist, habe ich natür­lich über­legt. Ich war vier Jahre in Linz, wir haben gemeinsam eine super Erfolgs­ge­schichte geschrieben. Da fragst du dich: Wo kann es noch hin­gehen, welche Her­aus­for­de­rungen gibt es hier noch? Und welche Her­aus­for­de­rungen gibt es beim VfL Wolfs­burg? Die deut­sche Bun­des­liga ist schon eine andere Kate­gorie als die Liga in Öster­reich.

Der VfL ist sehr eng mit dem Volks­wagen-Kon­zern ver­bunden. Wie nehmen Sie diese Ver­bin­dung in Ihrer Arbeit wahr?

Es ist nicht so, dass ich täg­lich im Werk bin oder umge­kehrt. Als es zur Ver­trags­un­ter­schrift kam, habe ich auch VW-Auf­sichts­räte ken­nen­ge­lernt. In der täg­li­chen Arbeit steht aber natür­lich der Kon­takt mit den sport­li­chen Ver­ant­wort­li­chen beim VfL, mit Jörg Schmadtke und Marcel Schäfer, im Vor­der­grund. Da ist der Aus­tausch viel häu­figer als mit dem Kon­zern VW. Mir ist vor allem wichtig, dass wir alle das gemein­same Ziel haben, den VfL sport­lich erfolg­reich zu machen.

Am Sonntag emp­fängt Ihr Team den 1. FC Union (15.30 Uhr/​Sky). Der Auf­steiger hat zuletzt drei Mal in Folge ver­loren. Wie haben Sie den Klub bisher erlebt?

In der Vor­be­rei­tung haben wir schon gegen Union gespielt und da hat man gesehen, dass das eine sehr kampf­starke Mann­schaft ist. Letzte Woche habe ich mir das Spiel im Fern­sehen ange­sehen und die haben Frank­furt das Leben richtig schwer gemacht. Union kommt über die Physis, die Lauf­be­reit­schaft, die Zwei­kampf­stärke und hat mit Ujah und Andersson zwei extrem robuste Spieler vorne drin. Ich finde, dass sie mit ihrer Art zu spielen und sich als Verein zu prä­sen­tieren, eine abso­lute Berei­che­rung für die Liga sind.

Herr Glasner, Sie lassen sich seit ein paar Jahren vom Sozio­logen Werner Zöch­ling beraten. Wie muss man sich das vor­stellen?

Wir kennen uns seit Ende der Neun­ziger, als ich noch Spieler war, und mitt­ler­weile ist zwi­schen uns eine Freund­schaft ent­standen. Er beob­achtet mich und gibt mir gutes Feed­back. Es ist sehr hilf­reich, wenn man jemanden hat, dem man ver­traut und mit dem man sich aus­tau­schen kann. Wir spre­chen immer wieder dar­über, wie man Zugang zu Per­sonen bekommt. Es geht da um Men­schen­füh­rung und Per­sön­lich­keit. Am Anfang meiner Kar­riere hat er mir gesagt, dass ich da draußen an der Sei­ten­linie nicht so rum­turnen soll, aber mitt­ler­weile geht das eini­ger­maßen.

Haben Sie in puncto Mann­schafts­füh­rung ein Vor­bild?

Nein. Jemanden zu kopieren, wäre falsch. Ich kann nicht alles so machen wie Klopp, weil es bei ihm funk­tio­niert, oder kau­gum­mi­kauend ganz relaxed an der Sei­ten­linie stehen wie Ance­lotti. Das nehmen mir die Spieler nicht ab. Für mich ist es wichtig, authen­tisch zu sein.

Die Uefa hat vor Kurzem Regel­än­de­rungen bei Kopf­ver­let­zungen ange­regt, etwa vor­über­ge­hende Aus­wechs­lungen. Sie mussten 2011 infolge einer Gehirn­er­schüt­te­rung not­ope­riert werden. Was halten Sie von der For­de­rung?

Ich finde es grund­sätz­lich sehr positiv, wenn alles unter­nommen wird, um die Gesund­heit der Spieler zu schützen. Wir brau­chen dafür aber eine kon­krete Lösung, wie das dann in der Praxis funk­tio­nieren soll. Momentan gibt es für mich da noch mehr Fragen als Ant­worten.

Sie haben Ihre Kar­riere kurz nach der OP beenden müssen. Hat das Ihre Sicht­weise auf den Fuß­ball ver­än­dert?

Natür­lich, auch wenn es mein täg­li­ches Leben momentan nicht beein­flusst. Ich nehme mir schon vor, gewisse Dinge in Rela­tion zu setzen. Ich ärgere mich auch, wenn unsere Leis­tung nicht so gut ist, aber wenn jemand aus deinem Umfeld schwer erkrankt oder ein Unfall pas­siert, hat das natür­lich eine ganz andere Rele­vanz.