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Seite 2: „Möchte man wirklich Profitrainer am Heimatort sein?"

Hatten Sie danach jedes Mal die Faust in der Tasche, wenn sich der Verein für einen anderen Chef­trainer ent­schieden hat?
Werner: Bis zum letzten Jahr habe ich ja gar nicht die Vor­aus­set­zungen erfüllt, um diesen Beruf dau­er­haft aus­üben zu dürfen. Im Nach­hinein muss ich sagen: Einer­seits hat man seinen Ehr­geiz, ande­rer­seits hat es mir gut getan, mich in der U23 auf diesen Schritt vor­zu­be­reiten. Noch mal mit der Mann­schaft auf­zu­steigen, Regio­nal­liga zu spielen: Das sind alles Dinge, die einen auf solch eine Auf­gabe besser vor­be­reiten. Wer weiß, ob es funk­tio­niert hätte, wenn ich den Job schon mit 28 Jahren dau­er­haft über­nommen hätte? Eher nicht.

War beim zweiten Mal von Anfang an klar, dass Ole Werner nicht mehr ins zweite Glied zurück will?
Boll: Ins­be­son­dere die Spieler haben ein feines Gefühl dafür, ob jemand wirk­lich bereit ist oder sich viel­leicht nicht ganz wohl in seiner Haut fühlt. Dann wäre der Weg, den wir danach gegangen sind, gar nicht mög­lich gewesen.
Kohl­mann: Wir hatten damals nur wenig Zeit bis zum ersten Spiel, und es war von Anfang an zu spüren, dass Ole ver­sucht, inhalt­lich so viel Ein­fluss wie mög­lich zu nehmen. Und mit jedem Sieg hat sich bei der Mann­schaft der Ein­druck ver­fes­tigt, den wir im Trai­ner­team bereits von Anfang an hatten: dass er das Rüst­zeug für diesen Job hat.

War es ein zwei­schnei­diges Schwert, einen Ver­trag als Cheftrainer beim Hei­mat­verein
zu unter­zeichnen? Schließ­lich unter­schreibt man damit im Grunde die Ent­las­sungs­ur­kunde gleich mit.
Werner: Klar habe ich mir diese Frage gestellt. Man arbeitet in einem emo­tio­nalen Job an einem Ort, der in irgend­einer Form immer der Wohnort und Hei­matort bleiben wird. Möchte man wirk­lich an diesem Ort Pro­fi­trainer sein? Bei den Gedanken spielt weniger eine Rolle, dass es mal zu Ende geht. Das akzep­tiert man in dem Beruf. Eher geht es darum, was das für Kon­se­quenzen für Familie und Freunde haben kann, viel­leicht auch für Kinder, die es irgend­wann mal geben wird.

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Als Spieler wurde Fabian Boll bei St. Pauli zur ­Legende. Seit 2019 arbeitet er in Kiel und küm­mert sich vor allem um die Stan­dard­si­tua­tionen.

Jew­geni Roppel

Fabian Boll

Als Spieler wurde er bei St. Pauli zur ­Legende. Seit 2019 arbeitet er in Kiel und küm­mert sich vor allem um die Stan­dard­si­tua­tionen.

Sie könnten den Guy Roux machen, der mit Mitte zwanzig den fran­zö­si­schen Klub AJ Auxerre über­nommen und bis zum Ren­ten­alter trai­niert hat.
Werner: Eine tolle Geschichte, aber so etwas kommt in der Rea­lität nur alle Jubel­jahre mal vor. Wenn es sich ergibt, ist es schön, die Nor­ma­lität ist jedoch eine andere. Wie soll man im Fuß­ball fünf Jahre vor­aus­schauen, wenn man nicht einmal weiß, was in fünf Wochen sein wird?

Hol­stein Kiel stand schon unter Markus Anfang und Tim Walter für attrak­tiven Fuß­ball. Wie sehr fühlen Sie sich dem ver­pflichtet?
Werner: Letzt­lich steht der Erfolg über allem. Aller­dings haben wir, so wie der Kader zusam­men­ge­stellt ist, die besten Aus­sichten, wenn wir einen tak­tisch und tech­nisch anspruchs­vollen Fuß­ball spielen.
Boll: Unser Weg ist, gerade für die zweite Liga, eher unge­wöhn­lich. Eine so klare Idee, mit dem Ball Fuß­ball zu spielen, habe ich bisher noch nie erlebt, weder als Aktiver noch im Trai­ner­be­reich. Da hat Hol­stein Kiel eine kleine Nische gesucht und gefunden, die uns auch für den einen oder anderen Leih­spieler inter­es­sant macht. Ein Bun­des­li­gist ver­leiht seine Spieler lieber an eine Mann­schaft, die Fuß­ball spielen möchte. Nicht, dass der talen­tierte Mit­tel­feld­spieler einen steifen Nacken bekommt, weil die Bälle immer nur über ihn rüber­fliegen.

Trotzdem hat sich der Chef­trainer vor der Saison mit den Defen­siv­stra­te­gien von José Mour­inho und Diego Simeone beschäf­tigt.
Werner: (Lacht.) Wie sehr ich es schon bereut habe, dass ich das irgend­wann mal erzählt habe!

Ein Spieler wie Fin tut jeder Fuß­ball­mann­schaft gut, trotz seines methu­sa­lem­schen Alters“

Fabian Boll über Fin Bartels

Ist doch span­nend.
Werner: Es geht ja nicht darum, dass man Mann­schaften kopiert oder die DNA des Spiels ver­än­dert. Es geht eher um Details: Wie ver­tei­digen Innen­ver­tei­diger im Straf­raum? Wie ver­hält sich eine Vie­rer­kette, wenn sie keinen Zugriff auf die Gegen­spieler bekommt? Da guckt man als Trainer mal, wie das Mann­schaften machen, die dafür stehen, dass sie gut ver­tei­digen. Wenn man sich die letzte Saison anschaut, haben wir wenige Situa­tionen in unserem Straf­raum zuge­lassen, dann aber relativ viele Tore kas­siert. Jetzt gibt es bei uns allen, Spie­lern wie Trai­ner­team, ein ganz anderes Bewusst­sein dafür, dass jede Situa­tion in den Straf­räumen ent­schei­dend sein kann.

Als Lohn hat Hol­stein Kiel die beste Abwehr der zweiten Liga. Wann haben Sie gemerkt, dass in dieser Saison was geht?
Boll: Wenn du gut star­test, geht es schon mal in die rich­tige Rich­tung. Was man den Spie­lern erzählt, hat eine andere Glaub­wür­dig­keit, wenn man es durch Ergeb­nisse belegen kann. Aber so eine Fuß­ball­mann­schaft ist ein fra­giles Gebilde, wo es schnell in die andere Rich­tung laufen kann. Des­halb war es wichtig, dass wir in den Phasen, in denen es nicht so gut lief, immer wieder schnell den Schalter umlegen konnten.

Wie wichtig war die Ver­pflich­tung von Fin Bartels?
Boll: Wir hatten Glück, dass Kiel seine Hei­mat­stadt ist, sonst wäre es ver­mut­lich schwer geworden, ihn zu holen. Ein Spieler wie Fin tut jeder Fuß­ball­mann­schaft gut, trotz seines methu­sa­lem­schen Alters. (Lacht.) Er bringt diese Spiel­in­tel­li­genz mit, die man nur bedingt lernen kann: Situa­tionen, die nicht im Dreh­buch stehen, selb­ständig auf­zu­lösen.