Am Mittwochabend spielt Holstein Kiel in der Relegation gegen den 1. FC Köln um den Aufstieg in die Bundesliga. Ole Werner und seine Co-Trainer Fabian Boll und Patrick Kohlmann über eine wahrlich außergewöhnliche Saison.
Hatten Sie danach jedes Mal die Faust in der Tasche, wenn sich der Verein für einen anderen Cheftrainer entschieden hat?
Werner: Bis zum letzten Jahr habe ich ja gar nicht die Voraussetzungen erfüllt, um diesen Beruf dauerhaft ausüben zu dürfen. Im Nachhinein muss ich sagen: Einerseits hat man seinen Ehrgeiz, andererseits hat es mir gut getan, mich in der U23 auf diesen Schritt vorzubereiten. Noch mal mit der Mannschaft aufzusteigen, Regionalliga zu spielen: Das sind alles Dinge, die einen auf solch eine Aufgabe besser vorbereiten. Wer weiß, ob es funktioniert hätte, wenn ich den Job schon mit 28 Jahren dauerhaft übernommen hätte? Eher nicht.
War beim zweiten Mal von Anfang an klar, dass Ole Werner nicht mehr ins zweite Glied zurück will?
Boll: Insbesondere die Spieler haben ein feines Gefühl dafür, ob jemand wirklich bereit ist oder sich vielleicht nicht ganz wohl in seiner Haut fühlt. Dann wäre der Weg, den wir danach gegangen sind, gar nicht möglich gewesen.
Kohlmann: Wir hatten damals nur wenig Zeit bis zum ersten Spiel, und es war von Anfang an zu spüren, dass Ole versucht, inhaltlich so viel Einfluss wie möglich zu nehmen. Und mit jedem Sieg hat sich bei der Mannschaft der Eindruck verfestigt, den wir im Trainerteam bereits von Anfang an hatten: dass er das Rüstzeug für diesen Job hat.
War es ein zweischneidiges Schwert, einen Vertrag als Cheftrainer beim Heimatverein
zu unterzeichnen? Schließlich unterschreibt man damit im Grunde die Entlassungsurkunde gleich mit.
Werner: Klar habe ich mir diese Frage gestellt. Man arbeitet in einem emotionalen Job an einem Ort, der in irgendeiner Form immer der Wohnort und Heimatort bleiben wird. Möchte man wirklich an diesem Ort Profitrainer sein? Bei den Gedanken spielt weniger eine Rolle, dass es mal zu Ende geht. Das akzeptiert man in dem Beruf. Eher geht es darum, was das für Konsequenzen für Familie und Freunde haben kann, vielleicht auch für Kinder, die es irgendwann mal geben wird.
Als Spieler wurde er bei St. Pauli zur Legende. Seit 2019 arbeitet er in Kiel und kümmert sich vor allem um die Standardsituationen.
Sie könnten den Guy Roux machen, der mit Mitte zwanzig den französischen Klub AJ Auxerre übernommen und bis zum Rentenalter trainiert hat.
Werner: Eine tolle Geschichte, aber so etwas kommt in der Realität nur alle Jubeljahre mal vor. Wenn es sich ergibt, ist es schön, die Normalität ist jedoch eine andere. Wie soll man im Fußball fünf Jahre vorausschauen, wenn man nicht einmal weiß, was in fünf Wochen sein wird?
Holstein Kiel stand schon unter Markus Anfang und Tim Walter für attraktiven Fußball. Wie sehr fühlen Sie sich dem verpflichtet?
Werner: Letztlich steht der Erfolg über allem. Allerdings haben wir, so wie der Kader zusammengestellt ist, die besten Aussichten, wenn wir einen taktisch und technisch anspruchsvollen Fußball spielen.
Boll: Unser Weg ist, gerade für die zweite Liga, eher ungewöhnlich. Eine so klare Idee, mit dem Ball Fußball zu spielen, habe ich bisher noch nie erlebt, weder als Aktiver noch im Trainerbereich. Da hat Holstein Kiel eine kleine Nische gesucht und gefunden, die uns auch für den einen oder anderen Leihspieler interessant macht. Ein Bundesligist verleiht seine Spieler lieber an eine Mannschaft, die Fußball spielen möchte. Nicht, dass der talentierte Mittelfeldspieler einen steifen Nacken bekommt, weil die Bälle immer nur über ihn rüberfliegen.
Trotzdem hat sich der Cheftrainer vor der Saison mit den Defensivstrategien von José Mourinho und Diego Simeone beschäftigt.
Werner: (Lacht.) Wie sehr ich es schon bereut habe, dass ich das irgendwann mal erzählt habe!
„Ein Spieler wie Fin tut jeder Fußballmannschaft gut, trotz seines methusalemschen Alters“
Ist doch spannend.
Werner: Es geht ja nicht darum, dass man Mannschaften kopiert oder die DNA des Spiels verändert. Es geht eher um Details: Wie verteidigen Innenverteidiger im Strafraum? Wie verhält sich eine Viererkette, wenn sie keinen Zugriff auf die Gegenspieler bekommt? Da guckt man als Trainer mal, wie das Mannschaften machen, die dafür stehen, dass sie gut verteidigen. Wenn man sich die letzte Saison anschaut, haben wir wenige Situationen in unserem Strafraum zugelassen, dann aber relativ viele Tore kassiert. Jetzt gibt es bei uns allen, Spielern wie Trainerteam, ein ganz anderes Bewusstsein dafür, dass jede Situation in den Strafräumen entscheidend sein kann.
Als Lohn hat Holstein Kiel die beste Abwehr der zweiten Liga. Wann haben Sie gemerkt, dass in dieser Saison was geht?
Boll: Wenn du gut startest, geht es schon mal in die richtige Richtung. Was man den Spielern erzählt, hat eine andere Glaubwürdigkeit, wenn man es durch Ergebnisse belegen kann. Aber so eine Fußballmannschaft ist ein fragiles Gebilde, wo es schnell in die andere Richtung laufen kann. Deshalb war es wichtig, dass wir in den Phasen, in denen es nicht so gut lief, immer wieder schnell den Schalter umlegen konnten.
Wie wichtig war die Verpflichtung von Fin Bartels?
Boll: Wir hatten Glück, dass Kiel seine Heimatstadt ist, sonst wäre es vermutlich schwer geworden, ihn zu holen. Ein Spieler wie Fin tut jeder Fußballmannschaft gut, trotz seines methusalemschen Alters. (Lacht.) Er bringt diese Spielintelligenz mit, die man nur bedingt lernen kann: Situationen, die nicht im Drehbuch stehen, selbständig aufzulösen.