Wir bauen unsere Seite für dich um. Klicke hier für mehr Informationen.

Jan Rosen­thal, Sie malen in Ihrer Frei­zeit Bilder. Was macht Sie zufrie­dener, ein gutes Spiel oder ein fer­tiges Bild?
Wenn mir ein Bild gelungen ist, freue ich mich natür­lich. Aber ein gutes Spiel macht mich trotzdem zufrie­dener – weil es für meinen Beruf wich­tiger ist. Du nimmst ein gutes Gefühl mit in die neue Trai­nings­woche, du schöpfst neues Selbst­ver­trauen. Und als Spieler brauchst du diese Art Zufrie­den­heit auch kör­per­lich.

Wie oft malen Sie denn über­haupt?
Bes­ten­falls komme ich einmal in der Woche dazu. Es gibt Phasen, da male ich häu­figer, aber es gibt auch Phasen, in denen ich zwei Monate gar nichts mache. Es braucht eine gewisse Muße und auch Zeit, sich richtig ein­zu­finden. Das klappt nicht in einer halben Stunde. Daher nimmt das Hobby auch gar keinen so großen Raum in meinem Leben ein. Das Thema wird – wie vieles – zu sehr auf­ge­bauscht. Ich male ein­fach in meiner Frei­zeit ab und zu gerne ein Bild.

Es gibt das Kli­schee vom Künstler, der enorm viel Frei­raum braucht. Als Berufs­fuß­baller ist ihr Leben dagegen extrem struk­tu­riert. Haben Sie damit ein Pro­blem?
Nein, über­haupt nicht. Und dieses Kli­schee des Frei­geistes, der sich nicht ein­zwängen lässt, ver­mit­telt meiner Mei­nung nach auch ein fal­sches Bild.

Wieso?
Ich glaube, krea­tive Leute brau­chen Ord­nung, um kreativ zu sein. Ich gehe zum Bei­spiel nur in mein kleines Mal­zimmer, wenn dort alles auf­ge­räumt ist. Wenn alles All­täg­liche abge­ar­beitet ist, wenn ich auch keine kör­per­li­chen Pro­bleme habe, an denen ich arbeiten müsste. Wenn also alles geordnet und erle­digt ist, dann bin ich ent­spannt und dann kann ich auch kreativ sein. Ich brauche Ord­nung im Kopf.

Also funk­tio­nieren Sie als Fuß­baller auch nur, wenn die Struk­turen um Sie herum funk­tio­nieren?
Ja, es hilft auf jeden Fall. Wenn alles will­kür­lich ist, dann nimmt man sich zu viel Raum für andere Dinge, dann funk­tio­nieren Auto­ma­tismen nicht mehr, alles ist zu frei.

Sie gelten als ver­kopft, oft ist das nicht positiv gemeint. Ist es für einen Fuß­baller ein Pro­blem, seinen Kopf zu benutzen?
Nein, über­haupt nicht. Das Pro­blem ist nur, wie es wahr­ge­nommen wird. Und bei mir lief es teil­weise in eine absurde Rich­tung.

In was für eine Rich­tung denn?
Wenn jemand Dinge hin­ter­fragt, bekommt er im Fuß­ball gleich den Stempel: Frei­geist. Und das im nega­tiven Sinne. Dabei meinte Chris­tian Streich, der mich in Frei­burg mal Frei­geist genannt hat, es bei­spiels­weise positiv. In Frank­furt (bei Ein­tracht Frank­furt, d. Red.) war ich dann auch der Frei­geist, doch auf einmal wurde es in die kri­ti­sche Ecke gedrängt.

Und Sie saßen unter Armin Veh nur noch auf der Bank.
Eigent­lich ging es nur darum, dass ich keine ein­heit­li­chen Vor­gaben erkennen konnte. Ich wollte meine Auf­gaben genau kennen, und viel­leicht wurde ich dadurch für manche Leute unan­ge­nehm. Dabei habe ich für diesen Verein alles getan und auch ver­sucht, mich in ein System ein­zu­fügen. Trotzdem gelte ich seit dieser Geschichte als unbe­quem. Und mein Berater kommt nach der Frank­furt-Zeit zu mir und sagt: Wir finden keinen neuen Verein für dich. Inter­es­sierte Klubs bekommen den Ein­druck, du seist ein biss­chen schwierig.“ Plötz­lich hast du als Spieler ein rich­tiges Pro­blem. 

Aber es ist doch logisch, dass Trainer lieber auf Spieler setzen, die sie nicht hin­ter­fragen.
Es geht haupt­säch­lich nicht ums Hin­ter­fragen, son­dern ums Erfragen. Ich bin mir sicher, dass jeder Trainer möchte, dass die Spieler ihre Auf­gaben ver­stehen. Und darum geht es auch mir. Ich glaube, ich bin für einen Trainer sehr leicht zu trai­nieren. Ich achte sie als abso­lute Respekts­per­sonen und ich hatte nie Pro­bleme mit Trai­nern bis dato und auch danach nicht wieder. Hier in Darm­stadt habe ich mich auch ohne Wei­teres an eine Spiel­weise ange­passt, die meiner eigenen eigent­lich nicht unbe­dingt ent­ge­gen­kommt. Aber ich habe erkannt, dass die Mann­schaft so funk­tio­niert, also habe ich mich unter­ge­ordnet und im End­ef­fekt davon pro­fi­tiert. Zu sagen, dass ich mich trotz eigenem Kopf nicht anpassen kann, ist also falsch.

Was war dann das Pro­blem unter Armin Veh?
Fuß­bal­le­risch konnte ich mir eigent­lich wenig vor­werfen. Also wurde es irgend­wann eher eine Sym­pa­thie­ge­schichte – von beiden Seiten. Das muss man akzep­tieren, das ist in anderen Berufen ja ähn­lich, dass da mal etwas nicht passt, das muss dann auch gar nicht gewertet werden. Das wird von den Medien zwar gerne gemacht, aber letzt­lich ist nicht die eine Seite nur gut und die andere nur schlecht.

Sie schreiben auf Ihrer Web­site über Ihre Zeit in Frank­furt, dass sie auf einige Erfah­rungen des Pro­fi­fuß­balls hätten ver­zichten können. Welche Erfah­rungen meinen Sie damit?
Ich hätte darauf ver­zichten können, was diese Sache mit mir als Mensch gemacht hat. Du fährst zur Arbeit, aber weißt, dass diese Arbeit nicht belohnt werden wird. Dann wird es schwer, seinen Körper jeden Tag dieser Belas­tung zu stellen. Und wenn du dann noch – wie ich zu der Zeit – dau­ernd ver­letzt bist, die Öffent­lich­keit dir aber nicht die Zeit gibt, dich ein­zu­finden, dann ist es schwierig. Aber: Schlechte Erfah­rungen helfen dir für die Zukunft mehr. Du wächst daran und wirst stärker.

Vor ihrer Zeit in Frank­furt haben Sie drei Jahre in Frei­burg gespielt, Sie kennen die Stadt und das Umfeld. Wie haben Sie die Dis­kus­sionen um den Mord an der Stu­dentin Maria L. wahr­ge­nommen?
Ich denke, die Stadt hat sehr besonnen reagiert. Das, was dort geschah, sollte nicht zu Ver­all­ge­mei­ne­rungen führen. Ich fand es des­halb auch gut, dass sich Chris­tian Streich dazu geäu­ßert hat. In seiner Posi­tion erreicht er auch Men­schen, die ansonsten weg­hören. Er stellt eine Auto­rität dar und spricht Dinge aus, die einige nicht hören wollen. Das finde ich gut.

Als Spieler könnten auch Sie eine große Öffent­lich­keit errei­chen.
Als Fuß­baller kann dir aber auch jede Äuße­rung um die Ohren fliegen. Vor allem, wenn bestimmte Medien Klei­nig­keiten zu etwas Großem auf­bau­schen oder Sätze aus dem Kon­text reißen und damit den Sinn ent­stellen. Da ist es oft gesünder, die Füße still zu halten. Das soll aber nicht heißen, dass man ängst­lich werden muss. Auch ich würde mir von mir selbst wün­schen, in dieser Hin­sicht ein biss­chen mutiger zu werden. Ande­rer­seits bin ich viel­leicht auch ein biss­chen zu sen­sibel, um die Kon­se­quenzen von bestimmten Aus­sagen ohne Wei­teres zu tragen.

Vielen Profis geht es wahr­schein­lich ähn­lich wie Ihnen. Dadurch werden Gespräche oft seicht.
Das mag sein, aber was meinen Sie, wie die Kon­se­quenzen für uns aus­sehen können? Viele Ver­eine suchen ihre Spieler neben den sport­li­chen Kri­te­rien nach­voll­zieh­ba­rer­weise auch danach aus, ob sie ver­meint­lich Pro­bleme mit sich bringen. Und allein das Image des Frei­den­kers, das an mir haftet, wird dann zum Pro­blem. Im Zwei­fels­fall werden sich Ver­eine eher gegen so einen Spieler ent­scheiden. Und in meinem Alter hat man viel­leicht noch zwei, drei Kar­rie­re­jahre vor sich und bekommt dann – womög­lich – den einen, wich­tigen Ver­trag nicht mehr. Letzt­lich wollen viele Ver­eine Ruhe. In den Neun­zi­gern war das anders. Da war es noch cool, einen Mario Basler in der Mann­schaft zu haben. Aber da gab es eben auch noch keine Sozialen Medien und nicht so extrem viele Medien, die Ein­fluss auf das Geschäft nehmen.

Jetzt schirmen Ver­eine ihre Spieler ab wie noch nie. Dadurch ent­steht der Ein­druck, Dis­kurse von gesell­schaft­li­cher Rele­vanz gehen an der Blase Pro­fi­fuß­ball“ kom­plett vorbei. Aber wie ist es intern? Werden Themen wie die Flücht­lings­krise in der Mann­schaft dis­ku­tiert?
Nicht wirk­lich. Es gibt natür­lich ein­zelne Spieler, die sich Gedanken machen. Aber ich glaube nicht, dass sich viele Fuß­baller unter­ein­ander mit diesen Dingen beschäf­tigen, geschweige denn, dass dann nach außen tragen würden. Warum auch? Wir sind zwar Men­schen und können ja auch im Freun­des­kreis poli­tisch sein. Aber wir stehen in der Öffent­lich­keit und da kann man sich schnell ver­brennen. Nehmen wir zum Bei­spiel Schau­spieler oder Komiker, die online Stel­lung beziehen: Die kriegen es prompt um die Ohren gehauen. Und jetzt stellen Sie sich vor, das macht ein Fuß­baller, der viel­leicht nicht so dif­fe­ren­ziert über ein Thema nach­denkt. Der schau­felt sich sein eigenes Grab.

Lassen Sie uns über Fuß­ball reden. Vor der Win­ter­pause haben Sie mit Darm­stadt knapp gegen die Bayern ver­loren – wie eigent­lich immer in Ihrer Kar­riere. Nur einmal gab es für Sie einen Sieg, erin­nern Sie sich daran?
Ja, klar. Das war vor mehr als zehn Jahren mit Han­nover. Das war die Zeit mit Huszti, Staijner und Altin Lala, ich habe Rechts­außen gespielt. Dieter Hecking war grade Trainer bei uns geworden, wir sind früh in Füh­rung gegangen und haben dann gut ver­tei­digt. Und die Bayern waren nicht so stabil wie heut­zu­tage.

Sie spre­chen es an: Die Bayern von vor zehn Jahren haben nicht mehr viel mit den Bayern dieser Tage gemein. Kann man sich als Spieler über­haupt noch auf ein Spiel gegen einen so über­le­genden Gegner freuen?
Ehr­lich gesagt eher weniger. Im Ver­gleich zu der Zeit vor Pep Guar­diola ist es extrem schwer geworden, früher war ein Sieg rea­lis­ti­scher. Jetzt ist das eine Mann­schaft mit aus­nahmslos Welt­klasse-Leuten, die in einem funk­tio­nie­renden System spielen. Was man da braucht ist Lei­dens­fä­hig­keit. Dazu brauchst du als Mann­schaft das nötige Glück und musst wirk­lich daran glauben, dass etwas zu holen ist. Doch genau dieser Glaube fehlt vielen Teams heut­zu­tage. Die denken: Ach, irgend­wann schießen die Bayern eh eins. Und dann pas­siert es natür­lich auch.

Leider geht die Schere zwi­schen den ganz großen Teams und den klei­neren ten­den­ziell ja noch weiter aus­ein­ander. Wird es in Zukunft mög­lich sein, dass eine Truppe wie Darm­stadt in der Bun­des­liga spielt und sich dort auch hält?
Wenn ich mir aus eigener Erfah­rung anschaue, wie in der Zweiten Liga Fuß­ball gespielt wird, dann würde ich sagen: Ja, es ist für Mann­schaften wie Darm­stadt mög­lich, in die erste Liga auf­zu­steigen. Sich dort länger zu halten wird aller­dings schwierig. Aber man kann Ver­einen wie den Bayern ja auch nicht vor­werfen, dass sie gut arbeiten und domi­nant werden. Eines von meh­reren Pro­blemen ist, dass durch die Cham­pions League das Geld immer unglei­cher ver­teilt wird. Dadurch ent­steht für manche ein Vor­sprung, den Mann­schaften wie wir eigent­lich nicht auf­holen können. 

Wieso schafft Darm­stadt 98 in dieser Saison dann trotzdem den Klas­sen­er­halt?
Der Druck liegt bei den anderen Mann­schaften. Und: Wir wissen, wie man das Unmög­liche schaffen kann. Wir haben in der Hin­runde viele uns daran hin­dernde Fehler gemacht, aber daraus haben wir gelernt. 

Seit kurzem ist Torsten Frings Ihr Trainer. Was ist Ihr erster Ein­druck von ihm?
Auch er hat den festen Glauben an den Klas­sen­er­halt. Er war selbst ein guter Kicker und kann uns viele wich­tige Dinge ver­mit­teln, die wir brau­chen. Seine Art passt zu uns.

Wird sich die Art und Weise, wie er Fuß­ball spielen lassen will, von der bis­he­rigen Spiel­weise unter­scheiden?
Ich denke, sie wird etwas mutiger, da wir nichts mehr zu ver­lieren haben. Wir sind Letzter, brau­chen Siege, dazu brau­chen wir Tore. Aber klar, wir werden keinen Hurra-Fuß­ball spielen, alles in Balance. Zu aller­erst müssen wir als Team gut ver­tei­digen – das ist selbst­ver­ständ­lich – und dann wollen wir uns im Umschalt­spiel ver­bes­sern.

Am Samstag geht es gegen Glad­bach. Würden Sie für uns das Ergebnis tippen?
2:1.