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Seite 2: „Ich brauche diesen Druck“

Wie muss man sich das vor­stellen?
Wir haben am Vortag des Spiels eine Video­kon­fe­renz, bei der er uns auf die Spiel­weise und Ver­hal­tens­muster der beiden Mann­schaften vor­be­reitet. Wenn ein Team schnell kon­tert, muss ich zen­traler laufen, um schneller zum geg­ne­ri­schen Tor zu kommen. Bei Mann­schaften, die über Außen kommen, bewege auch ich mich etwas weiter außen, weil dort mehr Fouls ent­stehen können. Es gibt viele Hin­weise, die in der Spiel­vor­be­rei­tung helfen, und es wäre schön, wenn wir das in der Bun­des­liga auch hätten.

Wie geht es Ihnen am Spieltag?
Bei der Anset­zung denke ich noch: Wow, toll! Aber je näher das Spiel kommt, desto mehr steigt der Druck, von dem ich gerade schon gespro­chen habe. Jetzt könnte man viel­leicht denken, dass ich dar­unter leide. Aber ich brauche diesen Druck, je größer er ist, desto besser. Je auf­ge­la­dener die Stim­mung, desto kon­zen­trierter bin ich. 

Wie ver­läuft der Spieltag dann?
In Deutsch­land gehen wir als Schieds­rich­ter­team immer in die glei­chen Hotels und Restau­rants, weil das für eine Sta­bi­lität sorgt, an der wir uns fest­halten können. Wir haben schließ­lich nie ein Heim­spiel, son­dern immer nur Aus­wärts­spiele. Wenn ich am Spieltag auf dem Zimmer bin, mache ich Yoga und ein paar Dehn­übungen. Bereits da stehe ich richtig unter Span­nung und bin froh, wenn die auto­ma­ti­sche Uhr des Spiel­tags abläuft: Fahrt ins Sta­dion, Sicher­heits­be­spre­chung, umziehen und in den Flow kommen.

Das klingt nicht gerade nach großer Locker­heit.
Nein, da ist nichts locker! Sobald man die Span­nung nicht hoch­hält, lässt man Federn im Spiel. 

Gibt es denn auch lockere Schieds­richter?
Klar, es gibt Schiris, die vor dem Spiel in der Kabine Musik hören oder auch Witze machen. Das wäre bei mir undenkbar, ich brauche totale Ruhe und Kon­zen­tra­tion. Aber jeder muss seinen Weg finden, um mit der Situa­tion auf dem Platz umzu­gehen.

Sind Sie eigent­lich nervös bei den Spielen?
Nein. Diese rie­sige Anspan­nung, von der ich gespro­chen habe, sorgt dafür, dass ich sehr klar bin.

Bekommen Sie mit, was im Sta­dion los ist?
Früher war ich kom­plett im Tunnel, aber heute höre ich, was die Fans singen – zumin­dest wäh­rend des Warm­lau­fens. 

Gibt es Spiel­orte, die Sie zusätz­lich belasten?
Ja, die gibt es. Aachen etwa hat für mich irgend­wann nicht mehr geklappt. Auf dem alten Tivoli ist es immer gut gelaufen, aber nach dem Umzug ins neue Sta­dion hatte ich dort nur schwie­rige Spiele, nach denen ich mit mir unzu­frieden war. 

Warum war das so?
Ich weiß es nicht.

Ist es eigent­lich so, dass sich der Schieds­richter gleich zu Beginn des Spiels Respekt ver­schaffen muss?
Wir müssen auf das Spie­ler­ver­halten reagieren. Man kann auf ein schweres Spiel ein­ge­stellt sein, und dann gibt es in den ersten dreißig Minuten kein Foul. Oder ich erwarte ein flüs­siges Spiel und muss in den ersten fünf Minuten gleich vier Gelbe Karten zeigen.

Sie werden also manchmal noch über­rascht.
Absolut! Ich kann mit einem Spieler in den letzten fünf Spielen ein gutes Aus­kommen gehabt haben und plötz­lich werde ich von ihm atta­ckiert oder ange­schrien. Viel­leicht kämpft er gerade um seinen Stamm­platz, hat ein Thema mit der Presse oder den Fans. Eine meiner Haupt­auf­gaben ist es, in relativ kurzer Zeit zu erkennen, wie die 22 Spieler drauf sind.