Felix Brych pfeift seit vielen Jahren in der europäischen Spitze. Hier erzählt er von der Einsamkeit der Referees, schwierigen Spielern und vom Einfluss des Fernsehens auf die Regeln.
Wie muss man sich das vorstellen?
Wir haben am Vortag des Spiels eine Videokonferenz, bei der er uns auf die Spielweise und Verhaltensmuster der beiden Mannschaften vorbereitet. Wenn ein Team schnell kontert, muss ich zentraler laufen, um schneller zum gegnerischen Tor zu kommen. Bei Mannschaften, die über Außen kommen, bewege auch ich mich etwas weiter außen, weil dort mehr Fouls entstehen können. Es gibt viele Hinweise, die in der Spielvorbereitung helfen, und es wäre schön, wenn wir das in der Bundesliga auch hätten.
Wie geht es Ihnen am Spieltag?
Bei der Ansetzung denke ich noch: Wow, toll! Aber je näher das Spiel kommt, desto mehr steigt der Druck, von dem ich gerade schon gesprochen habe. Jetzt könnte man vielleicht denken, dass ich darunter leide. Aber ich brauche diesen Druck, je größer er ist, desto besser. Je aufgeladener die Stimmung, desto konzentrierter bin ich.
Wie verläuft der Spieltag dann?
In Deutschland gehen wir als Schiedsrichterteam immer in die gleichen Hotels und Restaurants, weil das für eine Stabilität sorgt, an der wir uns festhalten können. Wir haben schließlich nie ein Heimspiel, sondern immer nur Auswärtsspiele. Wenn ich am Spieltag auf dem Zimmer bin, mache ich Yoga und ein paar Dehnübungen. Bereits da stehe ich richtig unter Spannung und bin froh, wenn die automatische Uhr des Spieltags abläuft: Fahrt ins Stadion, Sicherheitsbesprechung, umziehen und in den Flow kommen.
Das klingt nicht gerade nach großer Lockerheit.
Nein, da ist nichts locker! Sobald man die Spannung nicht hochhält, lässt man Federn im Spiel.
Gibt es denn auch lockere Schiedsrichter?
Klar, es gibt Schiris, die vor dem Spiel in der Kabine Musik hören oder auch Witze machen. Das wäre bei mir undenkbar, ich brauche totale Ruhe und Konzentration. Aber jeder muss seinen Weg finden, um mit der Situation auf dem Platz umzugehen.
Sind Sie eigentlich nervös bei den Spielen?
Nein. Diese riesige Anspannung, von der ich gesprochen habe, sorgt dafür, dass ich sehr klar bin.
Bekommen Sie mit, was im Stadion los ist?
Früher war ich komplett im Tunnel, aber heute höre ich, was die Fans singen – zumindest während des Warmlaufens.
Gibt es Spielorte, die Sie zusätzlich belasten?
Ja, die gibt es. Aachen etwa hat für mich irgendwann nicht mehr geklappt. Auf dem alten Tivoli ist es immer gut gelaufen, aber nach dem Umzug ins neue Stadion hatte ich dort nur schwierige Spiele, nach denen ich mit mir unzufrieden war.
Warum war das so?
Ich weiß es nicht.
Ist es eigentlich so, dass sich der Schiedsrichter gleich zu Beginn des Spiels Respekt verschaffen muss?
Wir müssen auf das Spielerverhalten reagieren. Man kann auf ein schweres Spiel eingestellt sein, und dann gibt es in den ersten dreißig Minuten kein Foul. Oder ich erwarte ein flüssiges Spiel und muss in den ersten fünf Minuten gleich vier Gelbe Karten zeigen.
Sie werden also manchmal noch überrascht.
Absolut! Ich kann mit einem Spieler in den letzten fünf Spielen ein gutes Auskommen gehabt haben und plötzlich werde ich von ihm attackiert oder angeschrien. Vielleicht kämpft er gerade um seinen Stammplatz, hat ein Thema mit der Presse oder den Fans. Eine meiner Hauptaufgaben ist es, in relativ kurzer Zeit zu erkennen, wie die 22 Spieler drauf sind.