Vor einer Woche zog Mario Basler in den Container. Ein TV-Selbstversuch zwischen notgeilen Prinzen und Julian Weigl.
Die Einsicht kommt kurz vor Mitternacht: Die diesjährige Staffel von „Promi Big Brother“ (PBB) ist eine fernsehshowgewordene Alki-Kneipe. Die Trinker, die sie in der Sendung „Bewohner“ nennen, bringen einen Sozialporno zur Aufführung, dessen Höhepunkt zum Ende der Sendung erreicht wird. Mit den Bewerbungsvideos.
Das Bett müssen sie mit Ratten teilen
Einigen Kandidaten, darunter Europameister und Champions League-Finalist Mario Basler, wird zugestanden, sich um einen erneuten Einzug ins Haus zu bewerben. Denn sie sind zur Halbzeit der diesjährigen Staffel von PBB ganz unten angekommen. Buchstäblich. Sie müssen im Keller leben, im Nachbau einer Großstadtkanalisation, wo es schimmelt, stinkt und sie das Bett mit den Ratten teilen müssen. Basler sagt im Bewerbungsvideo für den Aufstieg: „Naja, oben ist besser als unten.“ Eine ewige Wahrheit.
Ex-Kicker, und ‑trainer, die bei Resterampen-Formaten der Privaten auftreten, gibt es viele. In den vergangenen Jahren zog Werner Lorant auf die „Alm“, Thomas Häßler und Hans Sarpei tanzten bei „Let’s Dance“. Vorläufiger Höhepunkt war die große Thorsten-Legat-Show im „Dschungelcamp“ zu Beginn dieses Jahres. Auch 11FREUNDE feierten Legats bauernschlauen Proletencharme. Im Rückblick völlig verdient. Denn das RTL-Dschungelcamp bot allein wegen des exotischen Szenarios die Möglichkeit zur kritischen Distanz. Es strahlte in seiner irren und aufwendig-räudigen Aufmachung eine gewisse Dada-Ästhetik mit romantisiertem Arbeitereinschlag aus. Legat passte einfach zum entrückten Charme dieser Sendung.
Das müsste Kettenraucher und Rampensau „Supermario“ doch locker toppen können.
„Hast Du da Ehrgeiz?“ Basler: „Nein.“
Doch, bei PBB ist alles anders. Die Sendung spielt in der deutschen Gegenwart, in einem „Luxushaus“ betiteltem Container. Das oberste Prinzip ist genüssliche Häme. Am Anfang der Woche etwa, bei der Vorstellung der Kandidaten, spult Basler im Gespräch mit Youtube-Sternchen Aaron Troschke gerade die Highlights seiner Karriere ab, kommt natürlich auf das verlorene Finale gegen Manchester zu sprechen, als Troschke ihn unterbricht:
„Aber dafür gewinnst du ja vielleicht das Big Brother-Finale!“.
Basler nickt mit leeren Augen und geschürzten Lippen.
Troschke: „Hast du da als Sportler Ehrgeiz in Hinblick auf deine Platzierung?“
Basler: „Nein.“
Zum Abschluss des Gesprächs sagt Basler: „Hier ist es ja wie im Trainingslager. Da war man auch vierzehn Tage eingeknastet. Das hab ich früher schon gehasst.“
Um 22:15 Uhr beginnt allabendlich die große PBB-Live-Show vor Publikum im Fernsehstudio. Es gibt einen Moderator, der nicht Moderator heißt, sondern „Zeremonienmeister Jochen Schropp“. Die Szene, die er betont-gelangweilt ansagt, zeigt Mario Basler, der rumstresst. Er schreit die Schauspielerin Isa Jank an, die es gewagt hatte, die Anordnung der versifften Matratzen in der Kanalisation zu verändern. „Ego-Schwein“, nennt ihn Jank, als sie mit den Kameras allein ist. „Widerlich“. Schnitt ins Fernsehstudio, wo das Publikum brav klatschklatschklatscht.
22:26 Uhr:
Ein unmoralisches Angebot für Mario Basler. Gemeinsam mit seinem Superbuddy, dem Schauspieler-Sohn Ben Tewag (Pensum ebenfalls zwei Schachteln Zigaretten am Tag), soll er aufs Rauchen verzichten. Für jede halbe Stunde als Nicht-Raucher erhalten sie Lebensmittel. Die erste bringt eine Cola, die nächste einen Brühwürfel und eine Banane.
22:36 Uhr:
Ben „Ich bin Feind der Presse“ Tewag ärgert Robin Bade, einen Teleshopping-Moderator. Weil er erst seit einem Tag in der Kanalisation ist, nennt Tewag ihn nur noch „Neuer“. Mario Basler kommt tatsächlich darauf, ihn daran anschließend Manuel zu taufen, Manuel „Neuer“. Schnitt. Robin Bade weint einen bedrückenden Heulkrampf. Das Bild wird eingefroren, Schwenk ins Studio, wo Zeremonienmeister Jochen Schropp fordert, Bade möge sich zusammenreißen. Es gehe ja immerhin um 100.000 Euro. Die gewann in der letzten Staffel übrigens David Odonkor. Ja, der Fußballer.
22:40 Uhr:
Rückblick auf den Tag im Luxus-Haus: Adoptiv-Prinz Marcus von Anhalt triebtätert an einer ehemaligen „Bachelor-Kandidatin“ rum. Die Grabbelaction im Whirlpool wird per Beamer in die Kanalisation übertragen. Ben Tewag poltert: „JAWOLL, er gönnt sich!“ Basler weiß sich nicht anders zu helfen, als mit Tewag abzuklatschen. Ja, Mann!
Man sieht, wie wenig Mario Basler in dieses Format passt. Er ist zu unglamourös, um den einnehmenden Superproll zu mimen, diese Rolle nimmt Prinz Marcus von Anhalt ein. Am anderen Ende der Skala besetzt Ben Tewag den abgefuckten Megaasi. Im Ensemble von PBB ist für einen Mario Basler kein Platz.
23:01 Uhr:
Nach gerafften acht Stunden Zigarettenentzug geben Basler und Tewag auf. Für die nächste halbe Stunde hätte es gerade einmal eine einzelne Chili-Schote gegeben. Die nächste Minute wird mit Klaviermusik untermalt, Rauchen in Slow-Motion. Weichzeichner drüber, Emotionsoverkill. Danke, Bildregie.
23:20 Uhr:
Mario Basler muss im „Duell“ gegen Schauspieler Stephen Dürr antreten, der aussieht wie der Dortmunder Julian Weigl. Nur halt um zwanzig Jahre gealtert. Die beiden sollen auf den Haken von verkehrt herum hängenden Kleiderbügeln Euromünzen drapieren. „Bei Gleichstand gewinnt wie immer oben“, verkündet die Off-Stimme. „Denn oben hat die Macht.“ Sozialkritik am Limit.
23:23 Uhr:
Basler hat das Spiel verloren. Unten tröstet ihn Ben Tewag mit der berühmten Kralle um die Schulter. Ein Move, wie er als Solidaritätsbekundung in ranzigen Stadtteilkneipen gepflegt wird, die für PBB eine perfekte Kulisse darstellen würde. Diesen Eindruck verfestigt die Regie der Sendung. Da wird an völlig willkürlichen Stellen in Gespräche der Bewohner hineingeschnitten, sodass deren Sätze keinen Anfang mehr haben, in allgemeinem Gebrüll enden oder in Gedankenlosigkeit. Genauso unverständlich ist das soziale Gefüge, in dem die Sätze geäußert werden. Fast wie in einer Kaschemme, die man zum ersten Mal betritt.
23:49 Uhr:
Blablabla. Die Sendung dümpelt nur vor sich hin. Wetten, der Produzent hat Visitenkarten, auf denen steht: „In meiner Freizeit bin ich Architekt, ich baue Spannungsbögen.“ Gelogen! Denn ganz plötzlich, um 23:59 Uhr ist die Sendung vorbei. Keine Pointe. Kein Ausblick. Nichts. Nur ein letztes Mal Klatschen des Studiopublikums. Dann beginnt der Erwachsenenfilm im Nachtprogramm.