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Die Ein­sicht kommt kurz vor Mit­ter­nacht: Die dies­jäh­rige Staffel von Promi Big Brother“ (PBB) ist eine fern­seh­show­ge­wor­dene Alki-Kneipe. Die Trinker, die sie in der Sen­dung Bewohner“ nennen, bringen einen Sozi­al­porno zur Auf­füh­rung, dessen Höhe­punkt zum Ende der Sen­dung erreicht wird. Mit den Bewer­bungs­vi­deos.

Das Bett müssen sie mit Ratten teilen

Einigen Kan­di­daten, dar­unter Euro­pa­meister und Cham­pions League-Fina­list Mario Basler, wird zuge­standen, sich um einen erneuten Einzug ins Haus zu bewerben. Denn sie sind zur Halb­zeit der dies­jäh­rigen Staffel von PBB ganz unten ange­kommen. Buch­stäb­lich. Sie müssen im Keller leben, im Nachbau einer Groß­stadt­ka­na­li­sa­tion, wo es schim­melt, stinkt und sie das Bett mit den Ratten teilen müssen. Basler sagt im Bewer­bungs­video für den Auf­stieg: Naja, oben ist besser als unten.“ Eine ewige Wahr­heit.

Ex-Kicker, und ‑trainer, die bei Res­te­rampen-For­maten der Pri­vaten auf­treten, gibt es viele. In den ver­gan­genen Jahren zog Werner Lorant auf die Alm“, Thomas Häßler und Hans Sarpei tanzten bei Let’s Dance“. Vor­läu­figer Höhe­punkt war die große Thorsten-Legat-Show im Dschun­gel­camp“ zu Beginn dieses Jahres. Auch 11FREUNDE fei­erten Legats bau­ern­schlauen Pro­le­ten­charme. Im Rück­blick völlig ver­dient. Denn das RTL-Dschun­gel­camp bot allein wegen des exo­ti­schen Sze­na­rios die Mög­lich­keit zur kri­ti­schen Distanz. Es strahlte in seiner irren und auf­wendig-räu­digen Auf­ma­chung eine gewisse Dada-Ästhetik mit roman­ti­siertem Arbei­ter­ein­schlag aus. Legat passte ein­fach zum ent­rückten Charme dieser Sen­dung.

Das müsste Ket­ten­rau­cher und Ram­pensau Super­mario“ doch locker toppen können.

Hast Du da Ehr­geiz?“ Basler: Nein.“

Doch, bei PBB ist alles anders. Die Sen­dung spielt in der deut­schen Gegen­wart, in einem Luxus­haus“ beti­teltem Con­tainer. Das oberste Prinzip ist genüss­liche Häme. Am Anfang der Woche etwa, bei der Vor­stel­lung der Kan­di­daten, spult Basler im Gespräch mit You­tube-Stern­chen Aaron Troschke gerade die High­lights seiner Kar­riere ab, kommt natür­lich auf das ver­lo­rene Finale gegen Man­chester zu spre­chen, als Troschke ihn unter­bricht:

Aber dafür gewinnst du ja viel­leicht das Big Brother-Finale!“.
Basler nickt mit leeren Augen und geschürzten Lippen.

Troschke: Hast du da als Sportler Ehr­geiz in Hin­blick auf deine Plat­zie­rung?“
Basler: Nein.“

Zum Abschluss des Gesprächs sagt Basler: Hier ist es ja wie im Trai­nings­lager. Da war man auch vier­zehn Tage ein­ge­knastet. Das hab ich früher schon gehasst.“

Um 22:15 Uhr beginnt all­abend­lich die große PBB-Live-Show vor Publikum im Fern­seh­studio. Es gibt einen Mode­rator, der nicht Mode­rator heißt, son­dern Zere­mo­nien­meister Jochen Schropp“. Die Szene, die er betont-gelang­weilt ansagt, zeigt Mario Basler, der rum­stresst. Er schreit die Schau­spie­lerin Isa Jank an, die es gewagt hatte, die Anord­nung der ver­sifften Matratzen in der Kana­li­sa­tion zu ver­än­dern. Ego-Schwein“, nennt ihn Jank, als sie mit den Kameras allein ist. Wider­lich“. Schnitt ins Fern­seh­studio, wo das Publikum brav klatsch­klatsch­klatscht. 

22:26 Uhr:
Ein unmo­ra­li­sches Angebot für Mario Basler. Gemeinsam mit seinem Super­buddy, dem Schau­spieler-Sohn Ben Tewag (Pensum eben­falls zwei Schach­teln Ziga­retten am Tag), soll er aufs Rau­chen ver­zichten. Für jede halbe Stunde als Nicht-Rau­cher erhalten sie Lebens­mittel. Die erste bringt eine Cola, die nächste einen Brüh­würfel und eine Banane.

22:36 Uhr:
Ben Ich bin Feind der Presse“ Tewag ärgert Robin Bade, einen Tele­shop­ping-Mode­rator. Weil er erst seit einem Tag in der Kana­li­sa­tion ist, nennt Tewag ihn nur noch Neuer“. Mario Basler kommt tat­säch­lich darauf, ihn daran anschlie­ßend Manuel zu taufen, Manuel Neuer“. Schnitt. Robin Bade weint einen bedrü­ckenden Heul­krampf. Das Bild wird ein­ge­froren, Schwenk ins Studio, wo Zere­mo­nien­meister Jochen Schropp for­dert, Bade möge sich zusam­men­reißen. Es gehe ja immerhin um 100.000 Euro. Die gewann in der letzten Staffel übri­gens David Odonkor. Ja, der Fuß­baller.

22:40 Uhr:
Rück­blick auf den Tag im Luxus-Haus: Adoptiv-Prinz Marcus von Anhalt trieb­tä­tert an einer ehe­ma­ligen Bachelor-Kan­di­datin“ rum. Die Grab­be­lac­tion im Whirl­pool wird per Beamer in die Kana­li­sa­tion über­tragen. Ben Tewag pol­tert: JAWOLL, er gönnt sich!“ Basler weiß sich nicht anders zu helfen, als mit Tewag abzu­klat­schen. Ja, Mann! 

Man sieht, wie wenig Mario Basler in dieses Format passt. Er ist zu ung­la­mourös, um den ein­neh­menden Super­proll zu mimen, diese Rolle nimmt Prinz Marcus von Anhalt ein. Am anderen Ende der Skala besetzt Ben Tewag den abge­fuckten Megaasi. Im Ensemble von PBB ist für einen Mario Basler kein Platz.

23:01 Uhr:
Nach gerafften acht Stunden Ziga­ret­ten­entzug geben Basler und Tewag auf. Für die nächste halbe Stunde hätte es gerade einmal eine ein­zelne Chili-Schote gegeben. Die nächste Minute wird mit Kla­vier­musik unter­malt, Rau­chen in Slow-Motion. Weich­zeichner drüber, Emo­ti­ons­o­ver­kill. Danke, Bild­regie.

23:20 Uhr:
Mario Basler muss im Duell“ gegen Schau­spieler Ste­phen Dürr antreten, der aus­sieht wie der Dort­munder Julian Weigl. Nur halt um zwanzig Jahre geal­tert. Die beiden sollen auf den Haken von ver­kehrt herum hän­genden Klei­der­bü­geln Euro­münzen dra­pieren. Bei Gleich­stand gewinnt wie immer oben“, ver­kündet die Off-Stimme. Denn oben hat die Macht.“ Sozi­al­kritik am Limit. 

23:23 Uhr:
Basler hat das Spiel ver­loren. Unten tröstet ihn Ben Tewag mit der berühmten Kralle um die Schulter. Ein Move, wie er als Soli­da­ri­täts­be­kun­dung in ran­zigen Stadt­teil­kneipen gepflegt wird, die für PBB eine per­fekte Kulisse dar­stellen würde. Diesen Ein­druck ver­fes­tigt die Regie der Sen­dung. Da wird an völlig will­kür­li­chen Stellen in Gespräche der Bewohner hin­ein­ge­schnitten, sodass deren Sätze keinen Anfang mehr haben, in all­ge­meinem Gebrüll enden oder in Gedan­ken­lo­sig­keit. Genauso unver­ständ­lich ist das soziale Gefüge, in dem die Sätze geäu­ßert werden. Fast wie in einer Kaschemme, die man zum ersten Mal betritt.

23:49 Uhr:
Bla­blabla. Die Sen­dung düm­pelt nur vor sich hin. Wetten, der Pro­du­zent hat Visi­ten­karten, auf denen steht: In meiner Frei­zeit bin ich Archi­tekt, ich baue Span­nungs­bögen.“ Gelogen! Denn ganz plötz­lich, um 23:59 Uhr ist die Sen­dung vorbei. Keine Pointe. Kein Aus­blick. Nichts. Nur ein letztes Mal Klat­schen des Stu­dio­pu­bli­kums. Dann beginnt der Erwach­se­nen­film im Nacht­pro­gramm.