Das Achtelfinal-Rückspiel der Copa Libertadores zwischen dem FC Santos und Independiente endet im Chaos. Die Fans der Gastgeber ließen ihrer Wut nach einem Urteil des Verbandes freien Lauf.
Zwei lautstarke Detonationen und die sich gerade zu Recht gestellte Freistoßmauer des FC Santos löst sich in ihre Einzelteile auf. Santos Kapitän Victor Ferraz versucht im Gespräch mit dem chilenischen Schiedsrichter Julio Bascunan die Situation zu retten, während sein Torhüter Vanderlei die Fans beschwört Ruhe zu bewahren. Vergeblich, denn die sind außer Rand und Band und versuchen die Zäune, die die Tribünen von der Rasenfläche trennen, umzureißen oder einzutreten.
Santos-Jungstar Rodrygo (17) gießt im Gegensatz zu den erfahrenen Spielern Öl ins Feuer. Ein Video in den sozialen Netzwerken zeigt wie er am Zaun im Gespräch mit den Fans die Funktionäre des Verbandes Conmebol wenig deeskalierend übel beschimpft. Derweil feuern die Santos-Fans aus allen Rohren: Die Gästebank wird mit Pyrotechnik ins Visier genommen, ohrenbetäubende Sprengkörper lassen die argentinischen Gäste zusammenzucken. Die nachfolgenden Szenen sind erschütternd: Die Polizei geht mit aller Härte gegen die aufgebrachten Fans vor, setzt Schlagstöcke ein und versucht die Zuschauer wieder in den Block zu treiben. Die Zuschauer reagieren ihrerseits mit Attacken auf die Ordnungsmacht und die Infrastruktur des Stadions, das nicht ihre angestammte Heimstätte ist.
Die Wurzel allen Übels
Das Achtelfinal-Rückspiel zwischen dem argentinischen Spitzenklub Independiente aus Avellaneda im Großraum Buenos Aires und dem FC Santos aus Brasilien endet im Chaos, so dass sich Schiedsrichter Bascunan dazu entschloss, die Partie rund zehn Minuten vor dem Abpfiff beim Stande von 0:0 abzubrechen. Er sah die Sicherheit der Spieler und wohl auch der Zuschauer nicht mehr gewährleistet. Die chaotischen Zustände sind ein Spiegelbild für die derzeit katastrophalen Zustände im von Korruption und Misswirtschaft gekennzeichneten brasilianischen Vereinsfußball.
Die schlechte Nachricht kam am Morgen vor dem Anpfiff und sie war Wurzel allen Übels. Der südamerikanische Fußball-Verband Conmebol hatte das Hinspiel zwischen dem argentinischen Spitzenklub Independiente aus Avellaneda im Großraum Buenos Aires und dem FC Santos aus Brasilien nachträglich mit 3:0 für die Gastgeber gewertet. Eigentlich war die Partie 0:0 ausgegangen, doch ein folgenreicher Fehler der Brasilianer sorgte für ein Urteil am grünen Tisch und später am Abend für Jagdszenen im Estadio Pacaembu in Sao Paulo. Denn die Fans des FC Santos fühlten sich so um einen durchaus möglichen Viertelfinaleinzug betrogen.
Der Spieler, um den es ging, trägt erst seit vier Wochen das Trikot des FC Santos. Carlos Andres Sanchez Arcosa (33), WM-Teilnehmer aus Uruguay, hat immerhin bereits die südamerikanische Champions League, die Copa Libertadores und die Copa Sudamericana, das südamerikanische Gegenstück zur UEFA Europa League gewonnen, und sollte dem FC Santos in den K.O.-Spielen als solider Defensivspieler der Marke Eisenfuß für die notwendige Stabilität in der brasilianischen Defensive sorgen.
Doch der brasilianische Traditionsklub, für den bereits Pele und Neymar die Fußballschuhe schnürten, hatte offenbar einen Fehler bei den Regularien begangenen, die die Spielberechtigung des Uruguayers betreffen. Ein spitzfindiger Experte in Reihen der Argentinier hatte das bemerkt und so stellte der Rekord-Libertadores-Gewinner bei Conmebol den Antrag die Spielberechtigung von Sanchez im Hinspiel zu überprüfen.
Ein bemerkenswerter Trainer
Und wenige Stunden vor Anpfiff der extra von Santos ins benachbarte Sao Paulo verlegten Partie, teilte Conmebol mit, Sanchez war nicht spielberechtigt. Die Partie wurde folgerichtig mit 3:0 für Independiente gewertet. Santos Fans fühlten sich verschaukelt, witterten Absprachen zwischen dem argentinischen Klub und den Conmebol-Funktionären. Als klar ist, dass ihre Mannschaft wenige Minuten vor Schluss des Rückspiels die am grünen Tisch erworbene Hypothek des 0:3 nicht mehr umdrehen kann, brechen alle Dämme.
Zumindest einer behielt im dem Chaos kühlen Kopf. Santos-Trainer Cuca (55), erst seit vier Wochen auf der Santos-Bank, flüchtete sich nicht in billigen Populismus, sondern kritisierte bemerkenswert mutig die eigene Geschäftsleitung: „Morgen können sie mich gerne wegschicken, aber ich werde sprechen. Santos muss viel professioneller werden. Der Klub muss intern viel besser arbeiten. Was passiert ist, ist ein großer und schwerwiegender Fehler.“
Auf den Klub kommt nach den Ausschreitungen nun wohl auch noch eine Sperre zu. Und auf Cuca eine Geschäftsleitung, die auf den nächsten Fehler des Trainers warten wird, um den missliebigen Kritiker wieder loszuwerden.