Jürgen Klinsmann soll die Hertha endlich sexy machen. Oder zumindest vor dem Abstieg bewahren. Dafür wird er mal wieder einen kompletten Verein auf links drehen. Kann das gut gehen? Eine Spurensuche im Berliner Westen.
Auf wessen Wunsch auch immer Klinsmann jetzt Trainer ist, ob Windhorst oder tatsächlich Preetz (der bis auf bei Pal Dardai mit seinen Trainern immer eher falsch lag) ihn am Ende überredet hat: Die Idee ergibt durchaus Sinn. Klinsmann kann moderieren und delegieren, Klinsmann kann für gute Stimmung sorgen, er hat klare Vorstellungen und setzt diese in der Regel auch um. Seine Euphorie kann sich in den besten Momenten auf einen ganzen Kader übertragen. Was vor allem Windhorst außerdem gefallen dürfte: Allein der Name Klinsmann treibt Hertha in die Schlagzeilen.
Am Mittwoch, als sich die Klinsmann-Nachricht in der Stadt verbreitete wie ein Lauffeuer, sah man sein Gesicht über jeden U‑Bahn-Bildschirm flimmern, für Hertha-Fans gab es bei Whatsapp oder auf Twitter nur das eine Thema. Ein Journalist, der es nicht rechtzeitig zur Pressekonferenz geschafft hatte, erzählte später, wie er stattdessen auf dem Weg zum Olympiagelände auf dem Handy per Livestream zuschaute – und wie Mitreisende ihre Köpfe verrenkten, um auf dem kleinen Display auch ein bisschen was von Klinsmanns Start mitzubekommen. Szenen, die man so nicht kannte im Zusammenhang mit Hertha. Der ehemalige Nationaltrainer sorgt für Aufmerksamkeit, ohne dass sich diese auf die Spieler selber konzentrieren und für Druck sorgen wird.
Er kann charmant sein und hat oft verdächtig gute Laune, neben dem chronisch zerknirschten und sich stets auf der Hut befindlichen Preetz wirkt er, das wurde beim ersten gemeinsamen Auftritt schnell klar, gleich noch ein bisschen optimistischer als ohnehin schon. Wenn einer den Schulterschluss schaffen kann zwischen Schwaben und Berlinern, diesen Eindruck konnte man zumindest am Mittwoch gewinnen, dann er! Und für die Details, für den lästigen Alltag, für die Hütchen und Leibchen und Trillerpfeifen, für die Trainingsplanung und die Kommandos, da hat er ja seine Fachmänner.
Friedrich wird, Achtung, „Performance Manager“
Diese Fachmänner fuhren ein paar Minuten nach der Pressekonferenz mit einer Art Golfcart Richtung Amateurstadion, wo das erste Training stattfinden sollte. Andreas Köpke (als Torwarttrainer ebenfalls neu dabei) und Markus Feldhoff saßen vorne, Alexander Nouri – in einem früheren Leben immerhin Cheftrainer von Werder Bremen – fuhr auch mit, er stand auf der Ladefläche, grinste breit, hatte die beiden Hände auf dem Dach abgelegt und sah ein bisschen so aus, als wäre er mit seinen Jungs unterwegs, Action machen im Viertel. Übernimmt da gerade eine neue Gang das Olympiagelände? Ein paar Minuten später, zu Fuß hatte man das Amateurstadion längst erreicht, kam auch das Golfcart an, erstaunlich lange hatten sie gebraucht, vermutlich eine kleine Irrfahrt, das Olympiagelände ist groß und manchmal unerwartet unübersichtlich. Keiner grinste mehr, sie waren jetzt nass vom Regen. „Mann, Mann, Mann“, sagte Nouri und schüttelte den Kopf.
Kurz darauf war auch Klinsmann klitschnass. Statt sich in Kalifornien zu sonnen, stand er im Berliner Regen und schaute seinen Spielern beim Stretching zu. Auf der Haupttribüne saßen mehr Fans, als normalerweise zum Training kommen, außerdem froren am Rand natürlich auch viel mehr Journalisten als sonst. Michael Preetz guckte ebenfalls zu, meist ohne zu lächeln, er stand neben Paul Keuter, dem Mann, der Hertha digitalisieren soll und der mit seiner Lust auf Einreißen und Neumachen und Kompromisslosigkeit eigentlich ziemlich gut zum neuen Trainer passen könnte. Auf der anderen Seite des Platzes, auf einer der Trainerbänke in Klinsmanns Rücken, saß Arne Friedrich. Auch den Ex-Herthaner hat Klinsmann mitgebracht. Er soll in der Schnittstelle zwischen Mannschaft und Geschäftsführung wirken, eine Stelle, die es so bisher bei Hertha nicht gab und die auf ausdrücklichen Wunsch von Klinsmann geschaffen wurde. Um Preetz zu unterstützen? Wer weiß. Fest steht nur, dass Friedrich „ganz eng an der Mannschaft arbeiten“ soll. Und dass die Stelle den offiziellen Titel, Achtung, „Performance Manager“ bekommt.