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Die viel­leicht prä­gnan­teste Erin­ne­rungen aus meiner frühen Kind­heit ist eine Szene aus dem Kin­der­garten. Es muss etwa 1989 gewesen sein. Ich war fünf Jahre alt und ent­deckte gerade die Musik für mich. Ich habe kei­nerlei Erin­ne­rung an den Mau­er­fall, wohl aber an David Has­sel­hoff. I’ve been loo­king for freedom“ als meinen Lieb­lings­song dieser Tage zu beschreiben, würde der Sache nicht gerecht. Es war der ein­zige Song, den ich hörte.

In den hei­me­ligen Wänden meiner Kin­der­garten-Gruppe gab es einen Kas­set­ten­re­korder, der nur vor­wärts spulen konnte.Wie selbst­ver­ständ­lich lernte ich nach Has­sel­hoffs Superhit die Kas­sette umzu­drehen und genau so weit vor­zu­spulen, damit ich den Song auf der ersten Seite exakt von Anfang an hören konnte. Ich wusste noch nicht, dass man sich für Sachen schämen konnte, die man gut fand. Ich war begeis­tert – ganz ernst­haft, ohne jede Ironie.

Nummer neun, Ste­phan Cha­puisat

Ähn­lich erging es mir mit dem gern kri­ti­sierten Fuß­ball­format ran“ auf Sat 1. Ich war acht Jahre alt, hatte gerade mein erstes Fuß­ball-Trikot bekommen und meine Eltern instal­lierten eine Satel­li­ten­schüssel auf dem Dach. Eine Offen­ba­rung. End­lich konnte ich sehen, was ich sonst nur in der Bun­des­li­ga­kon­fe­renz auf WDR 2 gehört hatte. Und was soll ich sagen? Sie hatten mich sofort an der Angel.

Schon das Intro fand ich groß­artig. Schnelle Schnitte, Grät­sche und Tor­schuss mit knal­ligen Farben hin­ter­legt. Dazu harte Gitarren ver­steckt hinter elek­tro­ni­schem Gedudel. Später dann ranis­simo“ mit einem Riff, das mehr als nur ein ver­stecktes Zitat an den Opener zu Ber­verly Hills 90210“ war.

Ich kannte die Sport­schau nicht – diesen Dino­sau­rier, der in den Jahr­zehnten vor ran“ das Monopol auf die fuß­ball­kon­su­mie­rende Geschmacks­bil­dung hatte. Die neue Fuß­ball­sen­dung im Pri­vat­fern­sehen passte zu dem neon­gelben Trikot mit dem Con­ti­nental-Schriftzug, das ich so stolz auf dem Bolz­platz trug. Nummer neun, Ste­phan Cha­puisat; mit einem ein­zigen Auto­gramm von Michael Zorc.

Zu kurze Arme, rie­siger Kopf

Heute wirken die Aus­schnitte von damals mit­unter über­zogen, keine Frage. Doch Mitte der Neun­ziger nahm ich es hin, wie es war. Rein­hold Beck­mann sah mit seinem hoch­ge­krem­peltem Sakko so aus wie Mr. Mackey aus South Park – zu kurze Arme, rie­siger Kopf. Für mich war das Alltag. Als Kind des Ruhr­potts ist man seit jeher mit einem Mode­ge­schmack kon­fron­tiert, der sich am Rande zur Kör­per­ver­let­zung bewegt. Meine Mutter jeden­falls war bunter und schul­ter­pols­tiger ange­zogen als Gaby Papen­burg.

Der Kübel des Spotts, der über ran“ gerne aus­ge­schüttet wurde, hatte in Teilen sicher seine Berech­ti­gung. Man musste die sekun­den­lang ver­har­rende Kamera auf dem plas­ti­schen Gesicht einer Spie­ler­frau nicht gut finden. Auch die exzes­sive Wer­bung war nerv­tö­tend. Aber wer bitte konnte etwas Schlechtes daran finden, dass man alle Spiele – statt nur drei in der Sport­schau – zu sehen bekam? Dass die kleinen Rand­schar­mützel – etwa zwi­schen Mario Basler und Werner Lorant – aus meh­reren Per­spek­tiven gezeigt wurden, fand ich groß­artig.

Kon­stantes Gequengel

Viele Puristen aus der Faß­bender-Schule wünschten sich die Bericht­erstat­tung aus den Acht­zi­gern zurück. Sie ver­steiften sich auf Kri­tik­punkte wie: Es wird doch mehr gezeigt, was auf den Rängen abgeht, als auf dem Spiel­feld.“ Ers­tens stimmte das so nicht (nur ein Kame­ra­team scannte die Ränge ab) und zwei­tens: die Bilder von den Tri­bünen machten gehö­rigen Ein­druck. Meine Eltern fanden Fuß­ball lang­weilig, ein Sta­dion hatte ich noch nicht von innen gesehen. Meinen ersten Besuch eines Fuß­ball­spiels habe ich meinem kon­stanten Gequengel zu ver­danken. Ich sah bei ran“, was im Sta­dion abging und wollte hin. Gegen meine Eltern zog ich mit der psy­cho­lo­gi­schen Kriegs­füh­rung eines Kindes zu Felde, die drei F’s: Fluppe ziehen, Flehen, Flennen.

Es ist ein­fach, sich für die Geschmacks­ver­wir­rungen seiner Jugend zu schämen. Man kann das etwa mit einem Besuch einer Neun­ziger-Jahre-Party kom­pen­sieren. Pein­lich ange­zogen raved“ man dann zu Marusha ganz iro­nisch die Sünden der Jugend weg. Ich aber kann an ran“ nichts Iro­ni­sches finden, auch wenn ich heute manchmal schmun­zeln muss. Denn ran“ hat mit zu meiner Fuß­ball­be­geis­te­rung bei­getragen – und David Has­sel­hoff hat mich zur Musik gebracht.