Nach den erneut dürftigen Länderspielvorträgen in den vergangenen Tagen wächst die Kritik an Joachim Löw. Doch der Bundestrainer gibt sich unbeirrt.
Den besten Zeitpunkt, als einer der ganz großen deutschen Trainer abzutreten, hat Löw vermutlich schon 2014 verpasst, wie es Spieler wie Miroslav Klose, Philipp Lahm und Per Mertesacker taten. Selbst ein Rücktritt nach der WM 2018 hätte weder Löw noch dem deutschen Fußball geschadet.
Denn genau genommen, hat sich seit dem WM-Debakel vor zwei Jahren nicht wirklich viel zum Guten gewendet. Löw leitete einen Umbruch ein, der anfangs wenig konsequent war und im Frühjahr 2019 dann überkandidelt in der Ausbootung dreier Weltmeister (Hummels, Boateng, Müller) mündete, was bis heute als unklug gilt.
In gewisser Weise befindet sich die Nationalelf noch heute im Umbruch. In den 21 Länderspielen seit der Russland-WM hat Löw 41 Spieler eingesetzt, darunter 14 Debütanten. Auch taktisch wechselte der Bundestrainer immer wieder hin und her. In elf Spielen wurde mit Dreier- respektive Fünferkette verteidigt, zehnmal gab es eine Viererkette.
Lichtblicke wie etwa ein 3:2‑Sieg im März 2019 in den Niederlanden gab es wenige. Vielmehr sind in der jüngeren Vergangenheit immer wieder mögliche Siege in den letzten Spielminuten hergeschenkt worden. Löws späte Einwechslungen trugen dazu bei.
Zur momentanen Wirklichkeit gehört, dass die deutsche Offensivabteilung einiges veranstalten kann und jederzeit in der Lage ist, Tore zu erzielen. Die Abwehr aber gleicht einem Panikorchester, wie die Schweizer Zeitung „Blick“ schrieb: „Das Team von Jogi Löw steckt in einer monumentalen Schaffenskrise.“
Nun muss man die Bedeutung der Herbstspiele in der Nations League nicht größer machen, als sie sind, doch das Bild, dass die Mannschaft und ihr Trainer gerade abgeben, ist schräg. Vor allem drängt sich immer mehr der Eindruck auf, dass der Bundestrainer nicht das Optimum aus der Mannschaft herauszuholen vermag. Und das ist ein deutliches Warnsignal.
Wie hatte eben noch Karl-Heinz Rummenigge, der Vorstandsvorsitzende des FC Bayern, gesagt: „Die Nationalmannschaft ist im Moment vielleicht nicht die beste, aber immer noch die wichtigste Mannschaft in Deutschland.“ Auch deswegen wird über Löw derzeit viel diskutiert.
Rund um das Spiel gegen die Schweiz am späten Dienstagabend ist Toni Kroos, der sein 100. Spiel im deutschen Trikot bestritt, gefragt worden nach den besonderen Momenten in seiner zehnjährigen Nationalmannschaftkarriere. Sicher, der WM-Titel von Rio sei ein besonderer Höhepunkt gewesen. Auch sonst gäbe es viele Dinge, die ihm einfielen. Aber Kroos hob hervor, dass er in diesen zehn Jahren nur einen Bundestrainer gehabt habe. Bei Toni Kroos hörte sich das positiver an, als viele Fußballfans gerade denken.
Dieser Text erscheint im Rahmen unserer Kooperation mit dem Tagesspiegel.