Das Gerücht bahnt sich seinen Weg: Thomas Tuchel soll nächste Saison Unai Emery beerben und Paris Saint-Germain übernehmen. Und obwohl der deutsche Trainer in Frankreich noch nicht sonderlich bekannt ist, scheiden sich auf der anderen Rheinseite schon jetzt die Geister.
Einerseits fragen sich viele, ob der frühere Dortmund-Coach der Richtige für diese Position ist: Wie soll ein Trainer, der nur ein einziges Jahr Champions League in den Knochen hat, den Traum der katarischen Investoren erfüllen? Im besten Fall, so die ganz bösen Zungen, sei der 44-Jährige ein neuer Unai Emery. Nur ohne die drei Europa-League-Titel im Lebenslauf.
Wer mit Pep befreundet ist, muss ein guter Trainer sein
Anderseits freuen sich viele auf die Ankunft des deutschen Trainers: Tuchels Ruf als genialer Taktiker schwappt langsam nach Frankreich über, sein guter Draht zu Pep Guardiola lässt viele Pariser Herzen schon jetzt höher schlagen. Außerdem, sagen die Befürworter, lässt Tuchel seine Mannschaften stets gepflegten Fußball spielen. Bei Dortmund hat er gezeigt, wie er ein Team entwickeln kann. Stelle man ihm jetzt Spieler vom Kaliber Neymars oder Mbappés zur Verfügung, müsse man sich um die Zukunft in Paris keine Sorgen machen.
Einig sind sich die Franzosen dagegen in einer Sache: Thomas Tuchel ist ein Trainer mit enorm großem Potenzial. Weswegen die Sache zwischen ihm und Paris gutgehen könnte. Allerdings gibt es dafür eine Bedingung: Man muss ihm den Raum lassen, der er zur Entfaltung braucht. Das heißt, die Verantwortlichen müssen einen Großteil ihrer Macht – und ihrer Verantwortung – an Tuchel abgeben.
Selbst Ancelotti scheiterte
Seit 2011 und der Ankunft der Katari in der französischen Hauptstadt hat Paris Saint-Germain drei Trainer verpflichtet. Einer von ihnen war Carlo Ancelotti. Ein hervorragender Trainer mit noch besserem Ruf, der schon vor seiner Ankunft zahlreiche Titel gewonnen hatte. Unter anderem die in Paris so wichtige Champions League.
Aber selbst Ancelotti konnte mit den Methoden seiner Arbeitgeber nicht viel anfangen. Es ging nicht mehr um ein Projekt, sondern um sofortige Ergebnisse. Was nicht viel mit dem zu tun hatte, warum der italienische Trainer gekommen war. Irgendwann hatte der Italiener genug, er suchte sich einen neuen Arbeitgeber. Und bewies gleich im nächsten Jahr, was passiert, wenn man auf ihn hört: 2013 verließ er PSG, 2014 gewann er die Champions League mit Real Madrid.
Die einzige Sache, die sich seitdem konstant bei Paris-Saint Germain entwickelt hat, ist die Macht der Stars. Der Stars, die sich immer auf ihren Präsidenten Nasser Al-Khelaïfi verlassen können und bei ihm für ihre Sorgen und Wünsche (neue Verträge, bzw. bessere Verträge) stets ein offenes Ohr finden. Und während die Gehälter anstiegen, wurde die Ergebnisse nicht besser. In den beiden vergangenen Saisons schied Paris im Achtelfinale der Königsklasse aus.
Für viele in Paris ist trotzdem klar, dass Unai Emery Schuld an den internationalen Enttäuschungen trägt. Aber er kann unmöglich alleine dafür verantwortlich sein.
Der Boss persönlich will Tuchel
Thomas Tuchel soll die Mannschaft endlich in den Griff bekommen. Die Entscheidung für den deutschen Trainer fällte angeblich weder Nasser Al-Khelaïfi, noch Antero Henrique (der Sportdirektor), nein, sie kommt von ganz oben: von Tamim ben Hamad Al Thani. Der Scheich, der seit 2013 Emir von Katar ist, wollte Tuchel.
Nachdem er mit seinem jüngeren Bruder Joaan gesprochen hatte, war er überzeugt. Den Tipp für Tuchel hatte Joaan wiederum vom Botschafter Katars in Deutschland erhalten, meldete die „L’Equipe“. Nach Informationen der französischen Tageszeitung ist Tuchel selbst nach Doha geflogen, um persönlich den katarischen Staatschef kennenzulernen.
Wie viel Macht bekommt Tuchel?
Der direkte Befehl vom Emir selbst stellt das komplette Umfeld des Pariser Vereins in Frage. Was bedeutet der Alleingang etwa für Antero Henrique, der (nach diversen Gerüchten) lieber seinen Landsmann Sergio Conceicao verpflichtet hätte? Was bedeutet es für Klubchef Nasser Al-Khelaïfi, der sich in diesem Frühjahr aus allen wichtigen Entscheidungen raushalten sollte (im Gegensatz zum letzten Jahr, als er Neymar nach Paris geholt hatte)? Wie groß wird die Rolle von Thomas Tuchel in Paris sein, wenn er kommt?
Wird er wie seine Vorgänger an der internen Hierarchie scheitern? Oder wird er freie Hand haben wie die Manager in England? So, wie der Pariser Verein derzeit tickt, ist es schwer vorstellbar, dass die Beziehung funktionieren könnte. Und das, obwohl Thomas Tuchel, der in seiner Zeit bei Dortmund Probleme mit der Chefetage und Teilen der Kabine hatte, mit Sicherheit nicht noch mal die gleichen Fehler machen wird.