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Seite 2: „Jahn Regensburg hat richtig Ballett gemacht"

Wurde es auch mal brenzlig? Dass sich Heim­fans in den Gäs­te­block mischen, wird ja eigent­lich nicht gerne gesehen.
In der Regel geht es ja eini­ger­maßen anonym zu. Ich habe mich natür­lich zivil gekleidet. Und ich war ja nicht so bescheuert, mich zu den Ultras zu stellen. Das gehört sich auch nicht, finde ich. Das hat etwas mit Respekt zu tun.

In Ihrem Buch schreiben Sie aller­dings, dass Sie beim Spiel gegen den SV Sand­hausen auf­ge­flogen sind.
Das hat nicht lange gedauert. Ist ja auch kein Wunder bei 40 Aus­wärts­fah­rern, die kennen sich natür­lich alle. Als sie sich nach dem frühen 1:0 abklatschten, drehte sich einer zu mir um und sagte: Du bist doch keiner von uns. Du bist doch von hier!“ Fand ich bemer­kens­wert, dass ich offenbar auch optisch als Sachse zu erkennen bin. Wir kamen dann ins Gespräch. Er zeigte mir auf seinem Smart­phone Bilder vom Hardt­wald­sta­dion in Sand­hausen und erzählte stolz, wie sich der Verein gewei­gert hatte, an der von Dietmar Hopp geplanten Fusion zum FC Kur­pfalz teil­zu­nehmen. Das war alles sehr rei­zend.

Bei Sand­hausen herrschte richtig schöne Dorf­platz-Atmo­sphäre“

Inwie­fern?
Da herrschte richtig schöne Dorf­platz-Atmo­sphäre. Die meisten der etwa 40 Ange­reisten waren bereits im Dunst­kreis des Ren­ten­ein­tritts­al­ters, lehnten ent­spannt am Wel­len­bre­cher und riefen von Zeit zu Zeit mal Hin­ter­mann“ aufs Spiel­feld.

Haben Sie auch abge­sehen vom Sand­hausen-Spiel Kon­takte geknüpft?
Viele. Ich bin mit Alles­fah­rern ins Plau­dern gekommen, mit Mecker­rent­nern, Nor­malos. Gerade bei Bier und Fuß­ball pas­siert es doch recht schnell, dass man ins Gespräch kommt.

Sie haben in jener Saison ins­ge­samt 16 Mal im Gäs­te­block des Rudolf-Harbig-Sta­dions gestanden, das Spiel gegen Hei­den­heim haben Sie auf­grund eines Staus ver­passt. Welche Fan­szene war für Sie die größte Über­ra­schung?
Ganz klar: Jahn Regens­burg. Ich bin davon aus­ge­gangen, dass sie sich viel­leicht auf dem Niveau von Hei­den­heim bewegen. Ich habe mit etwa 150 Leuten gerechnet, die dort rum­stehen und sich das Spiel angu­cken. Am Ende waren es rund 700 – und die haben richtig Bal­lett gemacht. Das fing schon bei den Klos an, die so zuge­taggt mit Auf­kle­bern waren wie bei keinem anderen Verein. Zudem hatten sie eine Art flie­genden Vor­sänger, der mit seinem Megafon durch die Reihen gegangen ist und die Leute moti­viert hat. Das hat mich total fas­zi­niert.

Von Kai­sers­lau­tern habe ich mehr erwartet“

Gab es auch Ent­täu­schungen?
Von Kai­sers­lau­tern habe ich defi­nitiv mehr erwartet. Die Roten Teufel. Die waren ja mal berüch­tigt dafür, wie sie abgehen. Aber die Mann­schaft war in dem Spiel so schlecht, dass die Fans kom­plett fas­sungslos waren. Das war eine Art unfrei­wil­liger Stim­mungs­boy­kott. Es war toten­still.

Wei­tere Nega­tiv­erleb­nisse?
Beim Spiel gegen For­tuna Düs­sel­dorf wäre ich am liebsten über­haupt nicht im Sta­dion gewesen, egal ob im Heim- oder Gäs­te­block.

Warum?
Es war aus Dynamo-Sicht ein fürch­ter­li­ches Spiel. In der 86. Minute hatte Paco Test­roet beim Stand von 1:1 eine Rie­sen­chance, die Düs­sel­dorfs Tor­wart wie auch immer ver­ei­telt hat. Im direkten Gegenzug hat Düs­sel­dorf dann mit einem totalen Eiertor das 2:1 erzielt. Dadurch sind sie auf­ge­stiegen, Dynamo hin­gegen war in höchster Abstiegsnot.

Konnten Sie sich denn zumin­dest ein biss­chen für die Düs­sel­dorfer freuen?
Nicht so, dass ich mit­ge­feiert hätte. Schließ­lich hatte ich mit Dynamo gerade ganz andere Sorgen. Aber ich habe es ihnen gegönnt. Ich finde, Düs­sel­dorf ist ein cooler Verein. Wie sie dieses Spiel gefeiert haben, das war schon ein Erlebnis. Bereits eine Drei­vier­tel­stunde vor Anpfiff haben sie sich warm­ge­sungen und wirk­lich alle haben mit­ge­zogen. Nach dem 1:0 gingen die Ben­galos an und brannten fast über das ganze Spiel hinweg. Mit Abpfiff lagen sich dann alle heu­lend in den Armen. Wegen so etwas Albernem wie Fuß­ball! Aber das konnte ich eben sehr gut nach­voll­ziehen.

Aus­wärts alle aso­zial

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Das Buch von Uwe Leut­hold zu seinem Gäs­te­block-Pro­jekt ist im Eigen­verlag erschienen. Erhält­lich ist es für 9,90 Euro bei Amazon und beim Autoren selbst: spuckelch@​gmail.​com

Sie haben es ange­spro­chen: Sport­lich ver­lief die Saison für Dynamo Dresden alles andere als erfreu­lich, erst am letzten Spieltag gelang der Klas­sen­er­halt. In der Heim­ta­belle belegte der Verein sogar den letzten Platz. Wie viel Schuld geben Sie sich und Ihrem Block­wechsel an der Misere?
Offen­sicht­lich hat der Fuß­ball­gott es gesehen – und bestraft. Da bin ich manchmal schon ins Grü­beln gekommen. Für mich war das der Beweis: Dynamo braucht mich im Fan­block.

In der nächsten Saison standen Sie wieder im K‑Block. Wie war’s?
Sehr feucht-fröh­lich. Es war schön, wieder nach Hause zu kommen. Den eigenen Emo­tionen wieder freien Lauf lassen zu können, rum­zu­schreien und zu pöbeln, war sehr befreiend.

Wenn Sie auf all Ihre Spiele im Gäs­te­block zurück­bli­cken. Was haben Sie gelernt?
Aus Dresdner Per­spek­tive ist es schon depri­mie­rend, wie wenig von unserer tollen Sta­di­onat­mo­sphäre tat­säch­lich im Gäs­te­block ankommt. Da muss schon das ganze Sta­dion mit­ziehen. Und: So banal es klingt, es ist schon fas­zi­nie­rend, dass Fuß­ball­fans, egal von wel­chem Verein, auf die gleiche Art und Weise leiden.

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