Das ehrwürdige Schalker Parkstadion wird im Miniformat neueröffnet. Das Eröffnungsspiel hätte eine Ode an die Fans und ihre Erinnerungen werden können. Stattdessen lädt der Verein Zenit St. Petersburg ein und bittet damit zum Tanz mit Gazprom.
Schalke 04 und sein altes Parkstadion. Das ist eine so innige Beziehung wie die der Alemannia zu ihrem Tivoli, so historisch wie Mönchengladbach und sein Bökelberg, so untrennbar wie der KSC und sein Wildpark. 1973 eröffnet machte die mächtige Schüssel mit seinen über 70.000 Plätzen von Auf- und Abstiegen bis zum UEFA-Pokalsieg alles durch, was ein Fanherz leiden und begehren lässt. Nach Jahren des Umbaus am Vereinsgelände „Berger Feld“ erlebt das Parkstadion nun an gleicher Stelle eine kleine Wiedergeburt – mit aufgebauschtem Motto in bestens abgestimmter Marketingstrategie: „Aus Tradition wird Zukunft.“ Künftig soll das Stadion den Nachwuchsmannschaften als Heimspielstätte dienen.
Die Verantwortlichen, federführend Alexander Jobst (Vorstand Marketing & Kommunikation) hätten das für den 29. März angesetzte Eröffnungsspiel im nun weit kleineren Rund vorzüglich nutzen können. Mit einem Spiel gegen die „Glubberer“ aus Nürnberg zum Beispiel, mit denen seit über 30 Jahren eine enge Fanfreundschaft gelebt wird. Oder einer Partie gegen die niederländischen „Nachbarn“ von Twente Enschede, mit denen ebenfalls ein freundschaftliches Verhältnis besteht und dessen Fans bei Heimspielen immer zahlreich in der heutigen Arena aufkreuzen. Oder ein Spiel gegen Roda Kerkrade um der alten UEFA-Cup-Zeiten willen und damit auch in Erinnerung an Rudi Assauer und seinen damaligen „Neuzugang“ Huub Stevens. Was auch immer: die Fans und ihr altes Wohnzimmer hätten im Vordergrund stehen müssen.
Doch was macht Schalke? Es lädt gemeinsam mit Gazprom die „Freunde vom FC Zenit“ ein. Damit macht Alexander Jobst klar: Die eigenen Fans sind auch nur Kunden auf Leihbasis. Es gibt keinerlei Verbindung zwischen den Fans beider Lager, ganz im Gegenteil: Seit Jahren distanziert sich die aktive Fanszene des S04 von den inszenierten Liebeleien des eigenen Vorstands mit dem aus St. Petersburg. Vor allem weil Teile des Zenit-Anhangs immer wieder durch Rassismus-Eklats auffallen. Einst riefen sie etwa ein Dogma mit 12 „Selektions-Regeln“ gegen schwarze Spieler ins Leben. Besonders nach dem rassistischen Vorfall gegen Jordan Torunarigha im DFB-Pokal sollte der Verein solche öffentlichen Auftritte von Grund auf überdenken.
Mit dem Zenit-Pakt beweist der Verein jedoch, dass ihm seit der Causa Tönnies jedes Feingefühl abhandengekommen ist. Dass aus diesem Kontext heraus „aus Tradition Zukunft wird“, kommt einer Farce gleich. Und das ist gleich doppelt bitter. Denn wer sich in der Landschaft der aktiven Fanszenen in Deutschland etwas auskennt, weiß um die über jahrzehntelang aufgebaute Vorreiterrolle in Gelsenkirchen. Kein Verein stand so sehr im Zeichen des Nationalsozialismus, kein Klub gewann mehr Meisterschaften unter dem Hakenkreuz, kaum ein anderer betrieb in der Vergangenheit mehr Aufarbeitung und Projektarbeit.
Die Schalker Fan-Initiative leistet seit 1992 vorbildliche Arbeit im Kampf gegen Rassismus und Diskriminierung, 2017 wurde sie für ihr Engagement mit dem Julius-Hirsch-Preis des DFB ausgezeichnet. Auch das kritische Fanzine „Schalke Unser“ genießt über die Grenzen des Vereins hinaus für seine klare Haltung gegen Rassismus hohes Ansehen. Und auch die vielen Fans, die Clemens Tönnies nach seinen rassistischen Äußerungen nicht nur sprichwörtlich im Pokalspiel bei Drochtersen/Assel die Rote Karte zeigten – all diesen Leuten, viele davon „Kinder des Parkstadions“, hätte man entgegenkommen können und mit ihnen zusammen einen Tag im Sinne des Vereins-Leitbildes gestalten können. Stattdessen zieht man den Handshake mit Gazprom und Zenit vor und sendet damit ein klares Zeichen.
Ebenso schlimm ist die Erkenntnis, dass der Verein seine eigenen Fans an der Leine der Nostalgie zum Spiel lotst. „Unsere Fans und Anhänger haben lange darauf gewartet, wieder ein Spiel der Königsblauen im Parkstadion besuchen zu können“, sagt Jobst. Um die Fans wird es an diesem Tag jedoch mitnichten gehen, sondern um Geschäftsmodelle zwischen Alexander Jobst und seinen „Freunden vom FC Zenit“. Es ist eine Schande, dass für solche Bündnisse die historischen Quadratmeter des ehrwürdigen Parkstadions herhalten müssen.