Lucien Favre hat Hertha BSC und Borussia Mönchengladbach in die Bundesligaspitze geführt. Nun treibt der Schweizer mitten im EM-Trubel sein neuestes Projekt voran.
Um kurz nach sechs huscht Lucien Favre in die Hotelhalle und breitet die Arme aus zur Begrüßung: „Schön, dass Sie da sind! Sind Sie gut hergekommen? Ist ganz schön was los auf den Straßen!“ Er hat wenig Zeit. Die Saison muss vorbereitet werden, „ich schaue mir gerade Videos von ein paar Spielern an, die mich interessieren“, aber für einen Kaffee reicht es schon. „Kommen Sie, wir gehen raus an den Strand, da haben wir unsere Ruhe.“
Lucien Favre wohnt jetzt am Strand
Favre ist alert wie eh und eh. Wie zu seiner Zeit in Berlin, als er Hertha BSC auf Platz vier führte und bis zwei Spieltage vor Schluss von der Meisterschaft träumen durfte, heute unvorstellbar. Danach hat der Trainer knapp viereinhalb Jahre bei Borussia Mönchengladbach gearbeitet und vor einem Jahr Platz drei geschafft, aber die Erfolgsgeschichte endete schon ein paar Wochen später unschön, mit einem Rücktritt nach fünf Niederlagen in den ersten fünf Bundesligaspielen. Lange Zeit war es still um Lucien Favre. Jetzt macht er was ganz Neues, etwas, womit keiner gerechnet hat. Lucien Favre ist an den Strand gezogen.
Die Pause hat ihm gutgetan. Kein Gramm Fett auf den Rippen, das Haar ist ein bisschen grauer geworden, aber er ist ja jetzt auch schon 58. Im Fernsehen läuft Italien gegen Spanien, aber Favre hat keine Zeit für die Europameisterschaft. Er arbeitet sich gerade bei seinem neuen Klub OGC Nizza ein. Wie war das erste Training? „Okay“, sagt Favre, und wer den Schweizer Fußballprofessor als ewigen Perfektionisten kennt, wird das als schweres Kompliment werten.
Er macht es immer irgendwie anders
Lucien Favre war mal Kandidat auf den Trainerjob beim FC Bayern, er ist auf Schalke gehandelt worden, in Leverkusen und beim FC Everton. Jetzt ist es Nizza geworden, Vierter der Ligue 1, für die Europa League qualifiziert, keine ganz große Nummer im europäischen Fußball. Aber er hat noch nie das getan, was die anderen von ihm erwartet haben. Als er 2007 als Meistertrainer vom FC Zürich nach Berlin ging, stand Hertha BSC sehr viel schlechter da als heute. Und Gladbach war bei seiner Amtsübernahme im Februar 2011 ein sicherer Abstiegskandidat.