Beim Amateurklub FC Neibsheim herrschte jahrelang Kick and Rush – bis drei Spanier vor der Tür standen. Im Gepäck: Hoffnungen auf ein neues Leben in Deutschland und edlen Kurzpassfußball.
Peter Vogel, Sie sind zwar Trainer des FC Neibsheim. Singen Sie dennoch seit neuestem die spanischen Fangesänge mit?
Manchmal. Seit einiger Zeit kommen ja wirklich vermehrt spanische Fans mit Trommeln zu unseren Heimspielen. Da hört man schon häufiger ein „Olé“ oder „Viva“ kombiniert mit einem Spielernamen. Das ist einfach.(Lacht.)
Neibsheim ist ein Stadtteil der Kleinsstadt Bretten in Baden-Württemberg. Wie hat es die Spanier in dieses Nest verschlagen?
Sie nehmen an einem Programm der Europäischen Union teil. Für drei Jahre kommen sie in Betrieben in der Nähe unter und absolvieren dort Ausbildungen wie Maurer oder Maler. Das Hilfsprogramm finanziert unter anderem eine Unterkunft und Deutschkurse.
Was wussten Sie vorher über die Situation der Drei?
Wenig. Mir war jedenfalls die absolute Perspektivlosigkeit in ihrem Land nicht so deutlich bewusst. In Spanien herrscht ja eine Jugendarbeitslosigkeit von 50 Prozent. Dabei haben viele der Spanier, die hierher kommen, zuvor eine Ausbildung oder sogar ein Studium abgeschlossen.
Auch die drei Spanier in Ihrer Mannschaft?
Rafael war zuvor Sportlehrer, jetzt lernt er Maler und Lackierer. Fernando hat gerade sein Abitur erlangt, danach aber keinen Studienplatz gefunden. In Spanien herrscht null Perspektive, dort suchten die Jungs jeden Tag nach Arbeit. Sie gingen schließlich nach Deutschland, doch dieser Schritt fiel ihnen nicht leicht. Sie hatten Vorurteile. Anfangs trugen sie etwa Sorge, dass die Deutschen ausländerfeindlich seien. Doch bei uns merkten sie, dass sie sehr willkommen sind.
Würden Sie den FC Neibsheim als Integrationsverein bezeichnen?
Durchaus. Bei uns stehen die Türen offen für alle Nationalitäten. Letztens haben uns die Spanier gezeigt, wie man eine Paella gekocht, dafür laden wir sie auf einen Grillabend ein. Der Fußball schafft eine Verbindung, die für beide Seiten ein ganz neues Bild erstellt.
Wie entstand eigentlich der Kontakt?
Einer unserer Spieler kam mit ihnen in einem Bistro ins Gespräch und hat sie daraufhin mit zum Training gebracht. Dort stellte sich heraus: Die können richtig gut kicken. Vincente ist mittlerweile Stammkraft im ersten Herrenteam.
Was zeichnet ihn aus?
Das sichere und schnelle Passspiel. Das scheint den Spaniern in die Wiege gelegt worden zu sein. Dazu kommt, dass in Spanien im Winter mehr Futsal gespielt wird als hier.
Was konnten die anderen Spieler von den drei Neuen lernen?
Bei uns in der Kreisliga herrscht ja eher noch Kick and Rush. Das gefällt den Spaniern gar nicht. Sie versuchen dieses Spiel durch eine gewisse Ruhe am Ball zu unterbinden. Wenn Sie also mal echtes Kreisliga-Tiki-Taka bestaunen wollen, kommen Sie einfach nach Neibsheim.