Helene Fischer, Kanye West, David Guetta – die Playlists der meisten Profis sind erschreckend einfallslos. Der Argentinier Dario Dubois hingegen schockte seine Mitspieler mit Black Metal.
Mit Musik haben sich Profifußballer immer schon ein bisschen schwer getan. Schon die Hanuta-Sticker-Alben der achtziger Jahre ließen in Abgründe blicken, denn dort erfuhr der Fan in kleinen Steckbriefen, welche Scheiben auf der Stereoanlage der Bundesliga-Stars rotierten. Die Profis waren sich dabei herrlich einig. Ihre Lieblingsmusiker hießen: Peter Maffay, Nicole, Peter Maffay, Marius Müller-Westernhagen, Peter Maffay oder Sandra. Musik, die mit ihrer Konsens- und Konservenartigkeit überhaupt nicht zu den Achtziger-Jahre-Kanten mit ihren Schienbeinen aus Eisen und den eichendicken Oberschenkeln passte. Kurz: auf dem Platz Death-Metal-Grätsche, zu Hause Hitparadenkuschelei.
Geändert hat sich bis heute nicht viel. Als wir vor einigen Jahren für unser Bundesliga-Sonderheft zahlreiche Bundesligaprofis fragten, was sie denn so hören, schloss fast jede Antwort mit dem Satz: „…und alles von David Guetta.“ Heute würde diverser Fanmeilen-Popschmalz dazukommen, „So wie du bist“, „Ein Hoch auf uns“, und natürlich noch Helene Fischer, die Frau gewordene Peter Maffay der Gegenwart.
„Wie soll man sich mit Kuschelrock für ein Spiel motivieren?“, fragte der ehemalige Sepultura- und heutige Soulfly-Sänger Max Cavalera, als wir ihn vor der WM in Brasilien interviewten. „Vor dem Spiel brauchst du harte Musik.“ Danach verriet er uns, dass Palmeiras-Torwart Marcos und Juventus Turins Alessandro del Pierro große Heavy-Metal-Fans seien. Zudem soll der ehemalige Gladbacher Kasey Keller mal erzählt haben, dass er auf Napalm Death steht und Ex-Reading-Spieler Marcus Hahnemann machte sich früher zu Machine Head warm. Der Härteste von allen sei allerdings der Argentinier Dario Dubois gewesen.
Wer war Dario Dubois?
Dario Dubois? Kurz nach dem Interview mit Cavalera, in den Vor-WM-Wochen, machten wir uns nicht mal die Mühe, den Namen zu googeln. Wer sollte das schon sein? Wir vergaßen den angeblich harten und tollen Fußballer wieder, schauten die WM, feierten Mario Götze, feierten Weihnachten, feierten Silvester, hörten ein paar alte Napalm-Death-Singles und ein paar heiße Helene-Fischer-Alben.
Doch dann veröffentlichte der empfehlenswerte Blog „In Bed With Maradona“ eine interessante Geschichte. Sie trägt den Titel „Heavy Metal Maestro“ und erzählt aus dem faszinierenden Leben eben jenes Dario Dubois, der 2008 im Alter von 37 Jahren verstorben war.
Dubois war ein Lebenskünstler mit eiserner Disziplin. Er lebte vegetarisch, nahm keine Drogen, rauchte nicht, trank keinen Alkohol. In seiner Freizeit schoss er Golfbälle durch Parks, er spielte in Rock- und Heavy-Metal-Bands und arbeitete gelegentlich in einem Tonstudio. Doch seine finanzielle Situation blieb über all die Jahre katastrophal. „Die Prämien beim Fußball helfen mir ein wenig, über die Runden zu kommen“, sagte er mal in einem Interview.
Zwischen 1994 und 2004 spielte Dubois für argentinische Dritt- oder Viertligisten wie Atletico Lugano, Midland Railway, Deportivo Riestra, Laferrere, Canuelas und Victoriano Arenas. Dubois soll auf dem Platz bis zur Erschöpfung gekämpft haben, er faszinierte die heimischen Fans und erschreckte die gegnerischen.
„Jeder darf denken, was er will“
Das lag vor allem an seinem interessanten Äußeren, denn Dubois war Black-Metal-Fan und lief, wie es in der Szene üblich ist, mit schwarz-weiß geschminktem Gesicht auf. Vor dem Spiel stand er oft stundenlang vor dem Spiegel und zog sich die Farben über die Wangen und Stirn – es war seine Kriegsbemalung. Als er einmal gefragt wurde, was seine Familie über ihn denke, sagte er: „Sie wissen bereits, dass ich verrückt bin. Seit ich vor zehn Jahren zum ersten Mal satanische Musik gehört habe.“ Auf dem bekanntesten Bild starrt der bemalte Dubois einen Fußball an, und es sieht ein bisschen so aus, als lasse er ihn schweben.
Die Verbandsoberen oder Journalisten interessierten sich indes nicht für Satan, Black Metal oder Magie. Sie nahmen an, dass Dubois ein Transvestit war. Eine Zeitung fragte ihn einst, ob er homosexuell sei. „Jeder darf denken, was er will“, antwortete Dubois da. „Ich mache mit meinem Körper, was ich will.“
Dubois liebte das Spiel, doch er hasste die Strukturen. Als der Verband ihm verbot, geschminkt aufs Feld zu rennen, trug er Shirts von Heavy-Metal-Bands unter seinem Trikot. Und weil ihm die fortschreitende Kommerzialisierung des Sports nicht gefiel, klebte er schwarzes Panzerband drüber oder bedeckte den Schriftzug mit Matsch und Erde. Die Sponsoren und Klub-Offiziellen mahnten ihn zur Räson, doch Dubois hörte nicht auf sie, und wenn sie ihn zu sehr nervten, zog er einfach weiter.
„Por siempre loco“, für immer verrückt
Einige Male bot er den Vereinsvorderen direkt die Stirn. Bei Victoriano Arenas bot ihm der Klubpräsident etwa Geld für eine Niederlage, doch Dubois spuckte ihm ins Gesicht und sagte: „Ich fresse lieber den Rasen, als Ihr Geld zu nehmen.“ Ein anderes Mal sollen einem Schiedsrichter während des Spiels 500 Pesos aus der Hose gefallen sein. Dubois war sich sicher, dass es sich um Bestechungsgeld handelte und so hob er das Geld in Windeseile auf und rannte davon. Sofort folgte ihm ein Pulk aus Spielern, Trainern, Schiedsrichter und Klub-Offiziellen. Als sie ihn stellten und an ihm zerrten, schrie der Schiedsrichter: „Das ist doch mein Gehalt, du Hurensohn!“
Mit 34 Jahren beendete Dubois seine Karriere, weil er einen Bänderriss erlitten hatte und die Operationskosten nicht bezahlen konnte. Danach verliert sich seine Spur. Dubois soll in einer neuen Cover-Gruppe und einer Metal-Band musiziert haben, großes Geld verdiente er immer noch nicht, wenngleich er weiterhin bekannt war. Seine Fans nannten ihn Che Dario, und sie trugen Shirts mit der Aufschrift „Por siempre loco“, für immer verrückt.
Ermordet im Alter von 37 Jahren
2008, Dubois war gerade mal 37 Jahre alt, feuerte ein unbekannter Mann zwei Gewehrschüsse auf ihn ab. Über den Grund weiß man nichts, der Täter konnte nie ermittelt werden. Dubois soll noch am Tatort gestorben sein.
Schon wenige Tage nach seinem Tod gründete sich die Ambient-Band The Dario Dubois Duo. Die Gruppe aus Buenos Aires macht Musik, mit der man ganz hervorragend Kunstinstallationen auf „Arte“ vertonen könnte.