Werder Bremen befindet sich im freien Fall. Beim Debakel gegen Mainz zeigte die Mannschaft spielerische Auflösungserscheinungen. Trotzdem soll Florian Kohfeldt weiterhin im Amt bleiben – und das ist genau richtig.
Drei Dinge im Leben sind sicher: der Tod, Steuern und die Gewissheit, dass Werder Bremen nicht zu früh und überhastet seine Übungsleiter entlässt. So oder so ähnlich formulierte es einst Benjamin Franklin, und auf genau diese Maxime hoffen derzeit auch viele Anhänger an der Weser.
Denn worauf soll man als Werder-Fan dieser Tage sonst seine Hoffnung stützen? Nach den vielen und hohen Niederlagen der vergangenen Wochen, den verlorenen Partien, in denen Werder nicht einmal mehr spielerisch überlegen war, sondern durch völlig orientierungsloses Auftreten auch verdient zuhause gegen Teams wie Paderborn oder Mainz verlor, bleibt wenig Positives. Während es zu Saisonbeginn noch so wirkte, als schenkte Werder aus reinem Pech reihenweise Ergebnisse her und sei tatsächlich in der Lage, gegen mindestens zwei Drittel der Liga fußballerisch auf Augenhöhe zu agieren, ist diese Momentaufnahme nach 16 Spieltagen passé: Nicht einmal gegen vermeintliche Abstiegskandidaten sind die Grün-Weißen mehr in der Lage, eine klare Spielphilosophie umzusetzen. Eine ohnehin schon anfällige Abwehr verteidigt inzwischen völlig körperlos und die seit Beginn der Spielzeit chronische Standardschwäche hat sich eher verschlimmert denn verbessert.
Fin Bartels ist ein schwacher Trost
Die Stimmung ist am Tiefpunkt an der Weser. Beim Halbzeitstand von 0:4 gab es am Dienstagabend Pfiffe, Hohn und Spott von vielen Zuschauern. Manch einer beleidigte jeden Spieler auf und neben dem Platz, wieder andere stimmten ironische Europapokal-Gesänge an. Trotzdem sind große Teile der Anhängerschaft weiter mit scheinbar simplen Maßnahmen zu begeistern: Als Claudio Pizarro nach seiner obligatorischen Einwechselung den vermeintlichen Ehrentreffer erzielte, schien im Weserstadion tatsächlich kurz Hoffnung aufzukeimen – und das, obwohl Mainz auch in dieser Phase der Partie drückend überlegen und einem 8:0 deutlich näher war als Werder dem 1:4.
Als daraufhin auch noch Fin Bartels für Michael Lang auf den Rasen geschickt wurde, ging tatsächlich ein kurzes Raunen durch die Ostkurve. Die Publikumslieblinge ziehen immer noch, der Pizarro kann ja schließlich immer einen Viererpack schießen – so wirkt das teils naive, teils erschreckend realitätsferne Narrativ bei großen Teilen der Anhängerschaft. Wenn man in der 80. Minute mit 0:4 zurückliegt, könnte selbst Lionel Messi einwechselt werden und es würde (vermutlich) nichts mehr nützen. Vor allem aber, so möchte man diesen Zuschauern zurufen: Wenn man in der 80. Minute als eigentlicher Europa-League-Aspirant zuhause gegen Mainz mit 0:4 (!) zurückliegt, ist es doch egal, wer noch für zehn Minuten reinkommt. Denn dann läuft etwas grundlegend falsch. Dann ist es Zeit, mal richtig auszuflippen, den Trainer, die Mannschaft, oder auch sich selbst von Herzen anzuschreien und wachzurütteln. Dieses stoische Verdrängen von offensichtlichen Problemen hat Werder ja schließlich erst in dieses Dilemma gebracht. Oder?