Wir bauen unsere Seite für dich um. Klicke hier für mehr Informationen.

Eigent­lich ist es eine klas­si­sche Win-Win-Situa­tion: Celtic und die Ran­gers sind ein­ge­laden, wäh­rend der WM-Pause im November an einem Mini-Tur­nier in Aus­tra­lien teil­zu­nehmen. Es geht um eine Tro­phäe namens Sydney Super Cup“ und natür­lich um jede Menge Antritts­geld. Die Rede ist von jeweils drei Mil­lionen Pfund (3,6 Mio. Euro) für Celtic und Ran­gers. Zudem können die Glas­gower Giganten ihre tra­di­tio­nell guten Bezie­hungen zu den Aus­sies“ pflegen und das Mer­chan­di­sing ankur­beln. Beide Klubs haben eine breite Anhän­ger­schaft in Down Under; die 83.000 Tickets für das Übersee-Derby“ dürften kaum rei­chen, um die gewal­tige Nach­frage zu decken. Völlig klar, dass Celtic und Ran­gers dieses Angebot annehmen mussten.

Doch das Tücki­sche an sol­chen No Brainer“-Entscheidungen ist nun mal, dass sie nicht gründ­lich durch­dacht sind. Beide Ver­eine hatten die Reak­tionen der eigenen Fan­base unter­schätzt, daheim in Schott­land und beson­ders auf der benach­barten iri­schen Insel, wo das Glas­gower Derby den Stel­len­wert eines Stell­ver­treter-Kriegs“ ein­nimmt: irisch-katho­li­sche Repu­bli­kaner, die für ein wie­der­ver­eintes Irland ein­treten, gegen pro-bri­ti­sche Pro­tes­tanten, für die Nord­ir­land unwie­der­bring­lich zum Ver­ei­nigten König­reich gehört. Ein Freund­schafts­spiel“ gegen den Feind? Für viele grenzt das an Hoch­verrat.

Schiebt es euch in den Arsch“

Und so zeigten sich die Anhän­ger­schaften beider Klubs in den letzten Tagen völlig einig in ihrer gegen­sei­tigen Ver­ach­tung – und in der Ableh­nung des Sydney Super Cups“. Die Celtic-Ultras der Green Bri­gade“ prä­sen­tierten zum Heim­spiel gegen St. Mirren ein Trans­pa­rent mit der unmiss­ver­ständ­li­chen Auf­for­de­rung: Schiebt euch euer Old-Firm-Freund­schafts­spiel in den Arsch“. Die Ran­gers-Grup­pie­rung Union Bears“ pos­tu­lierte fast zeit­gleich, beim Aus­wärts­spiel in St. John­stone: Geld siegt über Moral – keine Derby-Freund­schafts­spiele“.

Die Riva­lität zwi­schen Grün-Weiß und Blau ist welt­weit ein­zig­artig und durchaus kom­plex. Sie reicht zurück ins Jahr 1888. Damals besiegte das frisch gegrün­dete Celtic die Ran­gers mit 5:2 – in einem Freund­schafts­spiel, wohl­ge­merkt. Der von einem Mönch namens Bruder Wal­frid gegrün­dete, irisch-katho­lisch geprägte Celtic Foot­ball Club sollte vor­nehm­lich Hilfs­gelder für arme Migranten aus Irland ein­spielen. Beson­ders ein­träg­lich waren die Duelle mit den pro­tes­tan­tisch geprägten Ran­gers, allein auf­grund der reli­giösen Riva­lität. Zu Beginn des 20. Jahr­hun­derts wurde schließ­lich der Begriff Old Firm“ (alte Firma) geboren, der zwei völlig unter­schied­liche Ver­eine zu einer wirt­schaft­li­chen Inter­es­sen­ge­mein­schaft zusam­men­fasst: fuß­bal­le­ri­scher Glau­bens­kampf als Geschäfts­mo­dell.

Getty Images 1305861565

Fans der Ran­gers und der Pyro­fackel.

Getty Images

Nun soll die Old Firm“ ihre Tor- und Geld-Pro­duk­tion für einige Tage nach Aus­tra­lien ver­la­gern, um die von der FIFA ange­ord­nete Pflicht­spiel-lose Zeit rund um die WM in Katar zu über­brü­cken. Es wäre das erste Mal über­haupt, dass Celtic und Ran­gers im Aus­land auf­ein­an­der­treffen, ein his­to­ri­scher Trip. Ein ver­lo­ckendes Aben­teuer. Und viel­leicht wäre der Furor der Fans nicht so fürch­ter­lich gewesen, hätte nicht ein beson­ders kluger Kopf das Tur­nier in Sydney als Heim­kehr“ des aus­tra­li­schen Celtic-Trai­ners Ange Pos­tecoglu gebranded. Das war zu viel, selbst für eher gemä­ßigte Ran­gers-Anhänger.

Die Fan­ver­ei­ni­gung Club 1872“, deren Mit­glieder knapp elf Pro­zent der Ran­gers-Anteile besitzen, adres­sierte nach Bekannt­werden der Tur­nier-Teil­nahme einen Brand­brief an die Ver­eins­füh­rung: Wir können bestä­tigen, dass der Club 1872‘ an Ste­wart Roberson (den Geschäfts­führer der Ran­gers; die Redak­tion) geschrieben hat, um eine Erklä­rung für diese Ent­schei­dung des Vor­stands (…) zu bekommen. Unge­achtet der damit ver­bun­denen Antritts­gage kann das Ganze – ange­sichts der Ableh­nung durch erheb­liche Teile der Fan­base – nicht als wirt­schaft­lich ver­nünf­tige Ent­schei­dung betrachtet werden.“

Ran­gers-Mar­ke­ting­di­rektor James Bis­grove hält dagegen und verrät gegen­über Ran­gersTV: Das Tur­nier (an dem außerdem der FC Sydney und die Wes­tern Sydney Wan­de­rers teil­nehmen; die Redak­tion) wird dem Klub fast genauso viel Geld ein­spielen wie eine kom­plette Saison in der schot­ti­schen Pre­mier League. Aus kom­mer­zi­eller Sicht ist es ein beträcht­li­cher Bonus für den Verein. Ich denke, wir hatten noch nie ein Angebot auf diesem Niveau für zwei Freund­schafts­spiele.“

Darf der Hass siegen?

Und so wirft die Debatte um den Sydney Super Cup“ zahl­reiche Fragen auf. Sollten zwei Lokal­ri­valen wirk­lich den kom­pletten Erd­ball umrunden, nur um bei einem Kom­merz-Spek­takel fett Kasse zu machen? Können Celtic und Ran­gers, die sich als euro­päi­sche Fuß­ball­mächte ver­stehen, aber in der hei­mi­schen Liga so wenig TV-Geld kas­sieren, dass sie inter­na­tional längst abge­hängt sind, auf solche Zusatz­ein­nahmen ver­zichten? Vor allem aber: Darf der über 100 Jahre alte Hass zwi­schen den Fan­la­gern wirk­lich siegen – und ein Freund­schafts­spiel“ ver­hin­dern, das am anderen Ende der Welt mehr als 80.000 Men­schen begeis­tert?

Ich weiß genau, wie groß der Sup­port für unseren Klub in meiner Heimat ist“, betont Celtic-Trainer Ange Pos­teco­glou, der als Fünf­jäh­riger mit seiner Familie von Grie­chen­land nach Aus­tra­lien aus­ge­wan­dert war: Viele, mit denen ich auf­ge­wachsen bin, sind ein­ge­fleischte Celtic-Fans. Nun werden sie erleben, wie ihr alter Kumpel mit diesem Klub nach Hause kommt. Die aus­tra­li­schen Celtic-Fans werden bei jedem Spiel dabei sein, am Flug­hafen und bei jeder Trai­nings­ein­heit. Überall, wo unsere Spieler hin­kommen, werden sie erleben, was diesen Fuß­ball­verein so beson­ders macht und welche Strahl­kraft er besitzt.“ Ähn­li­ches gilt für die Ran­gers.

Getty Images 1190719056

Die Green Bri­gade, eine Fan­grup­pie­rung von Celtic.

Getty Images

Aber – ein Freund­schafts­spiel? Celtic-Legende Peter Grant hat eine klare Mei­nung: Ich hätte geweint, wenn ich ein Freund­schafts­spiel gegen die Ran­gers hätte bestreiten müssen“, sagt der 56-Jäh­rige, der in den 80er-Jahren zwei Meis­ter­titel mit den Bhoys“ gewann. Es gibt ein­fach keine Freund­schafts­spiele zwi­schen Celtic und Ran­gers und ich möchte nicht, dass dieses Duell ver­wäs­sert wird. Ich hätte nichts dagegen, wenn Celtic in Aus­tra­lien gegen Ben­fica oder Juventus antritt, aber man spielt nicht ein­fach so gegen die Ran­gers.“

Ex-Ran­gers-Trainer Graeme Souness (68) ver­steht die Vor­be­halte, wirbt jedoch für eine prag­ma­ti­sche Lösung: Leider ist unsere Welt nicht mehr rein und pur. Es geht ums Geld. In Schott­land müssen wir uns dessen bewusst sein. Es macht wirt­schaft­lich Sinn, nach Aus­tra­lien zu gehen. Es geht darum, junge Leute zu begeis­tern: Ran­gers gegen Celtic, da gibt es immer ein volles Sta­dion und jede Menge Lei­den­schaft. Ich denke, wir müssen unseren Hori­zont erwei­tern. Money talks.“