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Martin Mei­chel­beck, Sie dürften als Sport­psy­cho­loge in dieser Saison beson­ders gefor­dert gewesen sein. Fie­bern Sie schon der Som­mer­pause ent­gegen?
Nein, mein Arbeits­auf­wand war genau der gleiche wie in den Jahren zuvor.

Aber wird ein Sport­psy­cho­loge nicht gerade im Abstiegs­kampf benö­tigt?
Sport­psy­cho­logie ist im Erfolgs­fall genauso wichtig wie beim Miss­erfolg. Selbst wenn man erfolg­reich ist, gibt es immer unzu­frie­dene Spieler. Der Arbeits­auf­wand ist des­halb auch dann im glei­chen Maße gegeben. Hier in Fürth begreifen wir die Sport­psy­cho­logie als einen wich­tigen Bau­stein in einem Gesamt­kon­strukt. Er ist gleich­zu­setzen mit Berei­chen wie Phy­sio­the­rapie, Ath­letik-Trai­ning oder Video­ana­lyse. In der öffent­li­chen Wahr­neh­mung wird um dieses Thema immer ein rie­siger Hype gemacht, der selten der Rea­lität ent­spricht.

Was meinen Sie kon­kret?
Wenn es schlecht läuft, dann heißt es gleich: Das ist ein Kopf­pro­blem“. Im Erfolgs­fall wird dagegen alles als selbst­ver­ständ­lich hin­ge­nommen. Dabei steuert unser Kopf genauso posi­tive wie nega­tive Dinge. Die Außen­wahr­neh­mung der Psy­cho­logie ist also sehr oft pla­kativ und über­trieben.

Wie kann sich denn ein Außen­ste­hender die all­täg­liche Arbeit eines Sport­psy­cho­logen bei einem Bun­des­li­ga­verein vor­stellen?
Zum Groß­teil arbeiten wir indi­vi­duell. Wir haben bei uns sehr viele junge Spieler im Kader. Für die ist es wichtig, dass man gemeinsam mit ihnen Ziele für ihre Wei­ter­ent­wick­lung for­mu­liert, an denen sie sich ori­en­tieren können. Hier geht es sehr viel um Bewusst­seins­schu­lung, Pro­fes­sio­na­lität und Res­sour­cen­ak­ti­vie­rungen. Dann gibt es Spieler, die sich großen Druck machen. Hier sind Gedan­ken­struk­tu­rie­rungen ein wich­tiger Bestand­teil, auch in Ver­bin­dung mit Ent­span­nungs­übungen. Die psy­cho­lo­gi­sche Betreuung der Ver­letzten fällt ebenso in meinen Arbeits­be­reich.

Sind Sie auch bei den Trai­nings­ein­heiten vor Ort?
Ja, ich bin regel­mäßig dabei. Die Spieler kriegen dadurch das Gefühl, dass sie in mir einen per­ma­nenten Ansprech­partner haben. Das betrifft beruf­liche Dinge, wie Kon­flikte mit einem Mit­spieler oder dem Trainer, aber auch pri­vate Ange­le­gen­heiten und Ent­schei­dungs­pro­zesse.

Das Bild eines reinen Moti­va­tors wird Ihrer Tätig­keit also nicht gerecht.
Die Moti­va­tion ist natür­lich auch ein wesent­li­cher Bestand­teil meiner Arbeit. Hier geht es aber um die rich­tige Kana­li­sie­rung der Moti­va­tion. Profis haben meist von Natur aus eine hohe, manchmal zu hohe Moti­va­tion. Bei Moti­va­ti­ons­tech­niken darf man es aber nicht über­treiben, weil es sonst schnell ver­pufft. Grund­sätz­lich halte ich des­halb im vier bis sechs Wochen Rhythmus Team­sit­zungen ab, wo wir uns mit ver­schie­denen Themen befassen.

Kommt Ihnen dabei Ihre lang­jäh­rige Erfah­rung als Fuß­ball­profi zu Gute?
Ich ver­suche die psy­cho­lo­gi­schen Aspekte, mit meinen eigenen Erfah­rungen als Profi zu kom­bi­nieren und sie fuß­ball­spe­zi­fisch zu verr­mit­teln. Da geht es dann zum Bei­spiel um Dinge wie die Kom­mu­ni­ka­tion und Coa­ching auf dem Platz.

Von einem Trainer wird heut­zu­tage mehr denn je ver­langt, auch ein guter Psy­cho­loge zu sein. Fragt Sie Ihr Trainer in dieser Hin­sicht um Rat?
Ja, auch unsere Trainer werden von mir bei Bedarf gecoacht. Mit Mike Büs­kens stand ich in einem sehr engen, ver­trau­ens­vollen Aus­tausch und das ist mit Frank Kramer nicht anders. Ich möchte dabei aber immer im Hin­ter­grund bleiben.

Der Abstieg Ihrer Mann­schaft stand bereits zu einem außer­ge­wöhn­lich frühen Zeit­punkt fest. Wie schafft man es, den Druck trotzdem hoch zu halten?
Die Freude am Fuß­ball, sprich die intrin­si­sche Moti­va­tion, sollte für einen Spieler immer im Vor­der­grund stehen. Zu dieser Freude gehört eben auch dazu, dass jeder auf den Platz geht, um mit seiner Mann­schaft erfolg­reich zu sein. Das ver­su­chen wir zu ver­mit­teln.

In dieser Saison konnte Ihre Mann­schaft kein ein­ziges Heim­spiel gewinnen. Dabei ist das eigene Publikum eigent­lich das Faust­pfand eines Auf­stei­gers. Wie erklären Sie sich diese Nega­tiv­serie aus psy­cho­lo­gi­scher Sicht?
Die Ursa­chen, warum wir am Ende keines unserer Heim­spiele gewonnen haben, sind viel­schichtig. Zum einen haben wir sehr viele junge Spieler in unseren Reihen, die noch nie in der Bun­des­liga gespielt haben. Zum anderen mussten wir die ersten beiden Heim­spiele gegen den FC Bayern und den FC Schalke bestreiten. Das war für die Jungs direkt zu Beginn ein herber Dämpfer, der deut­lich gemacht hat, in wel­cher Welt sich solche Mann­schaften bewegen. Ansonsten waren wir in vielen Spielen die bes­sere Mann­schaft. Auch wenn die Ergeb­nisse das viel­leicht nicht zum Aus­druck bringen, gab es kaum ein Heim­spiel, in dem wir dem Gegner wehrlos gegen­über standen. Das Mit­ein­ander und die Lei­den­schaft waren immer vor­handen. Es lag des­halb eher an sport­li­chen Aspekten wie man­gelnder Effek­ti­vität im Offen­siv­be­reich und der nötigen Kon­se­quenz in der Defen­siv­ar­beit.

Was haben Sie als Sport­psy­cho­loge unter­nommen, um diesen Fluch zu besiegen?
Wir haben vor allem ver­sucht, uns nicht selbst mit diesem Heim­fluch zu eti­ket­tieren, der auto­ma­tisch nach jedem nicht gewon­nenen Heim­spiel von außen an einen her­an­ge­tragen wird. Grund­sätz­lich ver­sucht man der Mann­schaft zu ver­mit­teln, dass jedes Heim­spiel eine neue Situa­tion mit sich bringt, die mit der Ver­gan­gen­heit nichts mehr zu tun hat. Aber auch in diesem Zusam­men­hang muss man beson­ders berück­sich­tigen, dass sich solche Pro­bleme nicht kol­lektiv lösen lassen. Jeden Spieler plagen indi­vi­du­elle Ängste und Themen. Da geht es um Ver­sa­gens­ängste, den Umgang mit Druck oder auch Image­ver­lust. Das sind Dinge, die bei jedem ein­zelnen unter­schied­lich aus­ge­prägt sind. Des­halb stand der Umgang mit Selbst­ver­trauen häufig im Fokus. 

For­tuna-Manager Wolf Werner hat nach dem Spiel am ver­gan­genen Wochen­ende gegen den 1.FC Nürn­berg Ihrem Düs­sel­dorfer Kol­legen eine Mit­schuld an der Nie­der­lage gegeben. Er habe die Mann­schaft zu sehr gepusht. Ist der Ein­fluss eines Sport­psy­cho­logen so groß?
Grund­sätz­lich haben aber sowohl Sport­psy­cho­logen als auch Men­tal­coa­ches nur begrenzten Ein­fluss, das gilt genauso für den Chef­trainer zum Bei­spiel in tak­ti­schen Ange­le­gen­heiten. Gerade im Rahmen einer Mann­schafts­sit­zung vor einem Spiel ist es unmög­lich, jeden Spieler zu errei­chen. Bei 20 Spie­lern hört eine Hälfte viel­leicht gar nicht erst zu. Unsere haupt­säch­liche Arbeit findet auf einer indi­vi­du­ellen Ebene statt.

Ihn trifft also keine Schuld?
Solche Moti­va­ti­ons­ge­schichten vor einem Spiel sind sicher­lich immer ein Ansatz, wenn sie vom Trainer und von der Mann­schaft gewollt werden und bieten auch oft sinn­volle Unter­stüt­zungen. Sie sind aber letzt­lich nur ein Bau­stein. Ich bin mir auch sicher, dass der Düs­sel­dorfer Men­tal­coach eine gute Absicht ver­folgt hat. Ihn letzt­end­lich für den Miss­erfolg ver­ant­wort­lich zu machen und ihn öffent­lich bloß zu stellen, ist des­halb bedenk­lich und auch zu ein­fach.

Werner hatte schon vor dem Spiel für Auf­sehen gesorgt, als er eine mög­liche Nie­der­lage mit dem Abstieg gleich­setzte.
In sol­chen Aus­sagen spie­gelt sich immer auch ein Stück eigene Angst wider. Wahr­schein­lich wollte er den war­nenden Finger erheben, um noch mehr Willen aus den ein­zelnen Spieler heraus zu kit­zeln.

In Düs­sel­dorf musste man sich dank einer erfolg­rei­chen Hin­runde lange Zeit keine Sorgen um den Abstieg machen. Ist es des­halb für die Spieler umso schwie­riger, sich auf die neue Situa­tion ein­zu­stellen?
Ja, absolut. Du hast dir etwas auf­ge­baut und hast nun Angst es zu ver­lieren. Gerade bei einer Miss­erfolgs­serie mehren sich auch immer die Kon­flikte. Mann­schaften wie Augs­burg und Hof­fen­heim, die sich schon über län­gere Zeit in dieser Druck­si­tua­tion befinden, konnten sich schon vor der ent­schei­denden Phase diesen Kon­flikten stellen. Das ist ein klarer Vor­teil.

Hof­fen­heims neuer Trainer Markus Gisdol hat bei seiner Amts­über­nahme damit über­rascht, dass er den Klas­sen­er­halt gegen­über der Öffent­lich­keit fast schon abge­schrieben hat. Sind solche Äuße­rungen reines Kalkül oder ein­fach nur offen und ehr­lich?
Ich denke, dass er ein­fach nur den Fokus auf die täg­liche Arbeit legen wollte. In Hof­fen­heim sind durch die Dis­kre­panz zwi­schen Anspruch und Wirk­lich­keit zahl­reiche Druck­si­tua­tionen ent­standen, die er wahr­schein­lich mit seinen Äuße­rungen nicht wieder neu auf­leben lassen wollte.

Haben Sie eine Erklä­rung wie es auch bei anderen Mann­schaften immer wieder zu einer sol­chen Dis­kre­panz kommt?
Die Frage ist in sol­chen Fällen immer, wer diese Ziele vor einer Saison defi­niert. Ich halte es für schwierig, wenn ein Verein die Ziele vor­gibt, die eine Mann­schaft gar nicht erfüllen kann. Des­halb bin ich ein Freund davon, dass die Ziele eines Ver­eins gemeinsam mit Mann­schaft und Trai­ner­team fest­ge­legt werden. So nimmt man auch alle Betei­ligten viel stärker in die Ver­ant­wor­tung und jeder iden­ti­fi­ziert sich mit diesem Ziel.

Wer wird aus sport­psy­cho­lo­gi­scher Sicht am Ende die Klasse halten?
Das kann ich nicht beant­worten. Ich kann nur so viel sagen: Wir spielen in Augs­burg und wollen noch einmal alles geben, um die Saison mit einem Erfolg abzu­schließen.