Wäre es vorstellbar, dass in zehn Jahren alle Topspieler nach China gehen, weil nach „Financial Fairplay“ plötzlich dort die höchsten Gehälter bezahlt werden?
In China ist eine rasante Entwicklung im Gange. Wenn die mit einer ähnlichen Vehemenz wie in anderen Wirtschaftzweigen anfangen, Fußballklubs aufzubauen, halte ich es durchaus für denkbar, dass die europäische Vereine ins Hintertreffen geraten.
Aber kann ein Land ohne jegliche Fußballtradition überhaupt mit europäischen Maßstäben mithalten?
Mit ihren unglaublichen Möglichkeiten können die Chinesen so ein Gefühl in zwanzig Jahren ohne weiteres herstellen. Dort habe ich eine sehr ehrliche, emotionale Begeisterung erlebt. Wir kamen nachts mit dem Flugzeug in Guangzhou an und 3000 Kids empfingen uns singend mit „Stern des Südens“. Sowas wäre vor zehn Jahren unmöglich gewesen, aber übers Internet verbreitet sich sogar so ein Lied weltweit. Wir müssen also dringend unsere Strategie ändern.
Inwiefern?
Der FC Bayern muss sich intensiver mit dem Markt beschäftigen. Bisher sind wir dorthin gefahren, haben viel Geld als Antrittsprämie kassiert und sind wieder abgehauen. Aber wir müssen dieses Land ernst nehmen. Wir werden Leute rüberschicken, die sich mit Sponsoren zusammensetzen und die Bedürfnisse checken. Und wir werden Einfluss auf die DFL nehmen, dass sie dort hinsichtlich der Übertragungsrechte mehr Gas gibt.
Moment erlebt die Bundesliga einen unglaublichen Boom. Ist dies die beste Zeit, die der deutsche Fußball je erlebt hat?
Die Akzeptanz war nie größer. Aber auf den Aktiven lastet auch ein enormer Druck. Vor zwanzig Jahren konnten die Spieler auf dem Oktoberfest in irgendeiner Ecke von mittags zwölf bis Mitternacht unbehelligt feiern. Wenn ich heute über die Wiesn gehe, werde ich in zehn Minuten 400 Mal fotografiert.
Aber das Positive überwiegt?
Auf jeden Fall. Das Schöne ist doch, dass all diese Nebengeräusche samstags um 15.30 Uhr beendet sind. Dann regiert wieder Fußball. Das Spiel ist wie unter einer Käseglocke – so laut das Kreischen drumherum ist, das Spiel hat sich nicht verändert.
Es gibt aber immer wieder leichte Regelkorrekturen. Welche befürworten Sie?
Vielleicht gerade noch die Einführung der Torkamera, aber dann muss gnadenlos Schluss sein. Es darf nicht sein, dass die Leute aufhören zu diskutieren, ob ein Foul inner- oder außerhalb des Strafraums war, weil darüber nun TV-Bilder entscheiden. Wir leben in schwierigen Zeiten. Jeder kann sich im Internet das Tina-Turner-Konzert von 1996 in der Amsterdam Arena runterladen. Alles ist verfügbar und belegbar geworden. Gerade deshalb darf es nie passieren, dass alle Faktoren eines Fußballspiels überprüfbar sind. Der Fußball muss sich die totale Unsicherheit bewahren.
Innerhalb des Rasenvierecks soll sich nichts verändern. Gibt es auch beim Drumherum Tabus?
Ich war immer ein Anhänger des eigenen Stadions, das Fans eine Heimat bietet. Die Jahre von 1972 bis 2005 im Olympiastadion waren für den FC Bayern eine heimatlose Zeit. An Regentagen kamen die Leute fünf Minuten vor Anpfiff und waren oft kurz vor Schluss wieder auf dem Heimweg. Erst seit wir in der Arena spielen, wissen alle Fans, wo ihr Platz ist. Die Leute kommen teilweise zwei Stunden vor dem Spiel. Aber wir müssen aufpassen, dass dieser Event-Charakter nicht Überhand nimmt. Die Menschen müssen sich weiter an einem Steilpass oder einem Volleyschuss berauschen – nicht am Drumherum.
In der Sommerpause wird beim FC Bayern sogar das Training zum Event. Teilweise kommen täglich bis zu 5000 Zuschauer an die Säbener Straße.
Unser Ziel ist, dem Fußball den Geruch des Elitären zu nehmen. Der Fan erwartet Höchstleistungen, aber er soll auch erkennen, dass dahinter viel Arbeit von Menschen steckt – und nicht von Gladiatoren. Deswegen müssen die Fans auch die Möglichkeit bekommen, dies im Training zu beobachten.