Martin Stranzl ist Gladbacher Leitwolf und Abwehrchef. Aber ein Titel fehlt ihm noch. Klappt es zuerst im Pokal oder in der Meisterschaft?
Sie sind 2011 zu Gladbach gekommen, als die Borussia vor dem Abstieg stand. Nun reden wir über die Champions League. Was ist nur passiert?
Hier ist mit den handelnden Personen eine gewisse Stabilität entstanden. Das fing mit der Verpflichtung von Lucien Favre an, dann haben wir nach und nach junge Spieler integriert, die sehr gut gepasst und sich entwickelt haben. Hier sieht man, was passieren kann, wenn die Verantwortlichen Geduld beweisen und in den wichtigen Situationen die richtigen Entscheidungen treffen.
Ärgern Sie sich manchmal, dass Sie nicht fünf Jahre jünger sind?
Nein, ich möchte auf keinen Fall nochmal jünger sein. An die aktuellen Gegebenheiten würde ich mich ungern gewöhnen müssen. Die ganze Medienlandschaft hat sich gewandelt. Man hat manchmal den Eindruck, dass Facebook, Twitter und Instagram mittlerweile wichtiger sind als das reale Leben. Das hat eine Dimension angenommen, mit der ich nicht so recht klarkomme. Früher ist man in die Kabine gekommen und hat gequatscht und sich auf das Training vorbereitet. Heute sitzen da 25 Jungs, von denen 20 aufs Handy starren. Als ich angefangen habe, gab’s Handys mit Internettarif, da hat eine Minute im Netz zwei Mark Fünfzig gekostet. Da konnte man also gar nicht so viel surfen (lacht).
Die Frage bezog sich eher auf die Entwicklung der Borussia. Man hat das Gefühl, dass die besten Jahre jetzt erst kommen. Sie aber sind bereits 35 Jahre alt.
Das betrachte ich nicht mit Wehmut. Ich bin viel eher froh, dass ich diese Entwicklung mitmachen konnte. Wie sich der Klub entwickelt hat, freut mich sehr für die Fans und die Mitarbeiter im Verein.
Zumal Sie auch im fortgeschrittenen Alter eine wichtige Rolle spielen. Letztes Jahr waren Sie bester Zweikämpfer der Liga. Wie führt man eigentlich den perfekten Zweikampf?
Da gibt es kein Patentrezept, das ist, als würden Sie Mike Tyson nach dem perfekten K.o.-Schlag fragen. Da gibt es ja auch viele Wege (lacht). Vieles in Sachen Timing und Stellungsspiel kommt mit der Erfahrung, und das sind extrem wichtige Dinge in der Zweikampfführung.
Wie bleibt man denn mit 35 so fit wie Anfang 20?
Aufgrund meiner Verletztenhistorie wusste ich schon immer, dass ich Extraschichten machen muss, um fit zu bleiben. Wenn ich das als Jungprofi nicht gemacht hätte, würde ich jetzt nicht mehr spielen. Ich gehe auch heute noch jeden Tag vor dem Training eine halbe Stunde in den Kraftraum und mache Stabilitätsübungen und Krafttraining.
Seit Sie in Gladbach sind, haben Sie den Abstieg abgewendet, sich für die Europa League qualifiziert und schließlich für die Champions League. Dem Gesetz der Serie muss also nun die Deutsche Meisterschaft folgen.
Wenn Sie das so sehen, habe ich nichts dagegen (lacht).
Sehen Sie das anders?
Die Distanz zu den Bayern ist riesig, der VfL Wolfsburg hat aufgerüstet, auch Schalke und Dortmund melden Ansprüche an. Ich bin froh, wenn wir uns im oberen Tabellendrittel stabilisieren und weiterhin international spielen können. Wenn uns das gelingt und wir uns stetig weiterentwickeln, können wir in drei, vier Jahren auch mal über die Meisterschaft nachdenken. Aber zur Zeit ist das unrealistisch.