Heute Abend treffen der FC Liverpool und der AC Mailand in der Königsklasse aufeinander. Das weckt Erinnerungen ans Champions-League-Finale 2005, eines der dramatischsten Fußballspieler aller Zeiten. Rafael Benitez und Didi Hamann erinnern sich.
Rafael Benitez, der damalige Trainer des FC Liverpool (Protokoll: Dirk Gieselmann)
Wenn man gegen den AC Mailand zur Halbzeit 0:3 hinten liegt, doch noch den Ausgleich schafft und schließlich im Elfmeterschießen gewinnt – dann sieht das, von außen betrachtet, vielleicht so aus, als hätte eine höhere Macht Einfluss genommen. Ich danke dem lieben Gott natürlich für diesen Titel. Aber er hat vermutlich Wichtigeres zu tun, als sich aktiv in Fußballspiele einzumischen. Nicht er hat Schewtschenkos Elfmeter gehalten. Es war Jerzy Dudek.
Doch zurück zum Anfang: Paolo Maldini traf gleich in der ersten Minute dieses Endspiels nach einer Standardsituation, und das warf alles, was wir uns für dieses Finale zurechtgelegt hatten, über den Haufen. Vom Spielfeldrand aus, bei dem infernalischen Lärm im Istanbuler Atatürk-Stadion, konnte ich das, was dann passierte, kaum noch beeinflussen. Erst in der Halbzeit war es wieder möglich, auf meine Mannschaft einzuwirken. Dass da plötzlich zwölf Spieler auf meiner Taktiktafel gestanden haben sollen, gehört inzwischen ja schon zur Fußball-Folklore. Ich kann das erklären: Ich hatte unseren linken Verteidiger Djimi Traore ausgewechselt, er stand schon unter der Dusche. Aber dann sagte unser rechter Verteidiger Steve Finnan plötzlich, er könne nicht weitermachen. Also musste sich Djimi wieder abtrocknen und sein Trikot anziehen. Wahrscheinlich standen deswegen für einen Moment zwölf Namen da, aber ich habe das schnell korrigiert.
Es galt, das Vertrauen zurückzuzahlen
Meinen elf Jungs, die rausgingen, um das Unmöglich doch noch möglich zu machen, habe ich neben der taktischen Neuausrichtung vor allem zwei Dinge mit auf den Weg gegeben. Erstens: Egal wie das hier endet, wir sind es unseren Fans schuldig, dass wir kämpfen bis zum Umfallen. Mir haben immer der Kampfgeist und die Loyalität der Leute aus Liverpool immer imponiert. Sie bestehen härtere Prüfungen als ein 0:3 zur Halbzeit – und das jeden Tag. Wenn du auch kämpfst und loyal bist, wirst du ganz automatisch einer von ihnen, unabhängig von deiner Herkunft. Da spreche ich aus eigener Erfahrung: Ich durfte als Spanier einer von ihnen werden, ein Scouser, wie auch viele meiner Spieler, die aus aller Herren Ländern nach Liverpool kamen. Dieses Vertrauen galt es nun zurückzuzahlen.
Zweitens: Wenn wir gleich nach Wiederanpfiff das 1:3 schießen, können wir noch einmal zurückkommen. Ja, ich war tatsächlich noch immer hoffnungsfroh. Ohnehin verstelle ich mich nie und tue nie optimistischer, als ich in diesem Moment wirklich bin. Viele denken, ein Trainer sei ein verkappter Schauspieler. Das ist vollkommen falsch. Natürlich muss er seine Botschaft mit Leidenschaft rüberbringen, aber diese Botschaft muss authentisch sein. Wenn er Durchhalteparolen von sich gibt, aber innerlich längst aufgegeben hat, spüren die Spieler das sehr genau.