Werbepartner springen ab, Sponsoringdeals platzen, es gibt Boykottaufrufe: Die moralischen Bedenken zur Winter-WM sorgen bei norwegischen Unternehmen für Verlustgeschäfte. Wie ist die Lage in Deutschland?
Weltmeisterschaften sind ein gigantisches Geschäft. Vor jedem Turnier reißen sich Unternehmen um die begehrten Werbedeals. Gerade die Fernsehwerbung steht dabei normalerweise hoch im Kurs und kann Unternehmen laut Videomarketingdienst Pictima sogar bis zu 12.600 Euro kosten — für eine Sekunde Werbung. Zumindest war das in den vorherigen WM-Jahren so. Doch bei der Winter-WM in Katar ist auch in Sachen Sponsoring alles anders — und das stellt viele Branchen vor finanzielle Sorgen.
Durch das Sommermärchen 2006 konnte Deutschland beispielsweise Mehreinnahmen in Höhe von 1,265 Milliarden Euro erzielen. Knapp die Hälfte dieser Summe soll allein durch Sponsoringdeals zustande gekommen sein. Ob auch in die katarischen Kassen nach Abpfiff des WM-Finals am 18. Dezember solch eine Summe fließen wird, ist zwar noch unklar, an Werbepartnern mangelt es im Wüstenstaat aber keinesfalls. Für mehrere andere Länder hingegen ist es auch noch kurz vor Turnierstart schwer, überhaupt Sponsoren zu finden. Unter anderem in Norwegen, wo Fernsehsender Probleme haben, Werbeblöcke während der WM-Übertragung zu füllen.
Die Sender „NRK“ und „TV 2“ werden sich die Übertragungsrechte für die Fußballweltmeisterschaft teilen. Beide geben in einem Artikel der Tageszeitung „Verdens Gang“ an, dass es langwieriger als sonst war, Sponsoren und Werbekunden zu finden. Auch für Printmedien selbst, sei es schwierig, Geldgeber für die WM-Berichterstattung zu gewinnen, schreibt die „Verdens Gang“. Noch immer werde ein Sponsor für die eigene WM-Berichterstattung gesucht. Kaufmännischer Direktor von „Verdens Gang“ Christian Haneborg erzählt: „Wir arbeiten immer noch daran, das Sponsoring für die Fußballweltmeisterschaft zu landen und hoffen, dass es uns bis zum WM-Start gelingt“. Nicht ganz unwichtiger Fakt: Die norwegische Mannschaft hat sich nicht für die WM qualifiziert.
Daher weht auch im norwegischen Fußballverband ein anderer Wind als andernorts. Der Verband kritisierte in der Vergangenheit wie kein Zweiter die Vergabe der Weltmeisterschaft ins autoritär geführte Katar. Auf dem Fifa-Kongress Anfang des Jahres griff die Verbandspräsidentin und frühere norwegische Nationalspielerin Lisa Klaveness den Fußballweltverband scharf an: „Im Jahr 2010 wurde die Weltmeisterschaft von der Fifa auf inakzeptable Weise und mit inakzeptablen Folgen vergeben“. Für ihre Rede erhielt sie von der internationalen Fußballgemeinschaft viel Applaus, während die Fifa ihre kritische Rede auf dem Kongress totschwieg.
Auch die norwegische Nationalmannschaft sorgte immer wieder für öffentlichkeitswirksamen Protest. Etwa durch den Schriftzug „Fair Play für Gastarbeiter“ auf ihren Aufwärmshirts. Ebenso die Medienlandschaft Norwegens berichtet immer wieder kritisch über Katar — unter anderem durch Dokumentationen vor Ort. Zwei norwegische Journalisten wurden dabei Ende 2021 mehr als 30 Stunden in Katar festgehalten. Sie hätten bei Aufnahmen in einem Arbeitsmigrantenlager „Hausfriedensbruch begangen“, lautete der Vorwurf. Sicherheitskräfte sollen damals sogar Filmmaterial gelöscht haben. Auch deshalb hat Norwegen eine ganz spezielle Haltung zur anstehenden WM. Die eben offensichtlich auch die Wirtschaft des Landes beeinflusst.
Der Blick nach Deutschland zeigt: Viele Branchen hierzulande haben das sonst sehr lukrative WM-Geschäft schon im Vorfeld abgeschrieben. Laut Handelsblatt rechnen fast alle Unternehmen aus den sonst beteiligten Branchen mit einem Minusgeschäft. Supermärkte, Discounter, aber auch Brauereien und die Gastronomie profitieren in normalen Jahren enorm an einem großen Fußballturnier. Während sich Supermärkte von der diesjährigen WM kein Zusatzgeschäft versprechen und Sonderaktionen nur gekürzt stattfinden, rechnen Brauereien sogar mit einem Totalausfall. „Von dem Event im Winter erwartet sich unsere Branche keine Impulse, das muss man ganz nüchtern betrachten“, sagt Holger Eichele, Hauptgeschäftsführer des Deutschen Brauer-Bundes. Bei einem Turnier in der Vorweihnachtszeit fallen Public Viewing und Grillfeste im Freien aus. Es werden historisch geringe Umsätze befürchtet.
In der Gastronomie verzichten einige Kneipenbesitzer sogar freiwillig auf hohe Gewinne. Trotz steigender Preise und anhaltender Folgen der Corona-Pandemie, entschließen sich vermehrt Betriebe dazu, die Weltmeisterschaft nicht zu übertragen. Unter dem Hashtag #KeinKatarinmeinerKneipe wird zum Boykott aufgerufen. „An der Weltmeisterschaft in Katar wollen wir kein Geld verdienen. Dort werden Menschen diskriminiert“, sagt Michael Rosenbaum von der Brauerei Mühlen Kölsch dem Handelsblatt. Die Kölner lassen sich so bewusst sechsstellige Mehreinnahmen entgehen. Rosenbaum erklärt, so verliere er doppelt, weil zusätzlich Stammgäste wegblieben, die lieber Fußball schauen.
Einige deutsche Unternehmen werden von der WM zu Weihnachten allerdings auch profitieren. Lufthansa bietet Sonderflüge in die Hauptstadt Doha an. Die deutsche Fluggesellschaft rechnet kurzfristig mit weiteren Buchungen, falls die DFB-Auswahl die Gruppenphase übersteht. Der Sportartikelhersteller Adidas verzeichnet im Vergleich zur Weltmeisterschaft von 2018 sogar eine stärkere Nachfrage. Fußballschuhe und Trikots eignen sich schließlich wunderbar als Geschenk unter dem Weihnachtsbaum.