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Joa­chim Löw hat am Don­nerstag von den Qualen berichtet, die ihm die Tren­nung von seiner Mann­schaft bereitet hat. Im Juni musste der Bun­des­trainer zwei EM-Qua­li­fi­ka­ti­ons­spiele aus gesund­heit­li­chen Gründen sausen lassen. Statt an der Sei­ten­linie saß er gegen Weiß­russ­land und Est­land zu Hause vor dem Fern­seher. Wobei: Sitzen trifft es nicht ganz. Ich bin in der Woh­nung rum­ge­ti­gert“, berich­tete Löw. Natür­lich war er nicht so ver­messen zu glauben, dass die beiden Gegner seine Anwe­sen­heit zwin­gend erfor­dert hätten, trotzdem war ich ange­spannt“. Als komisch und unan­ge­nehm emp­fand Löw die Situa­tion. Bei der Mann­schaft zu sein ist schon das bes­sere Gefühl.“

Toni Kroos hat bei den Län­der­spielen im Juni eben­falls gefehlt. Aber von Ent­zugs­er­schei­nungen hat er anschlie­ßend nichts berichtet. Das liegt wahr­schein­lich daran, dass er keine hatte. Der Mit­tel­feld­spieler von Real Madrid ist in den ver­gan­genen Jahren so stark belastet worden, dass er sich von Bun­des­trainer Löw nach der Welt­meis­ter­schaft 2018 hat zusi­chern lassen, bei eher unbe­deu­tenden Län­der­spielen auch mal pau­sieren zu dürfen. Die EM-Qua­li­fi­ka­tion an diesem Freitag in Ham­burg gegen Hol­land gehört ganz sicher nicht in diese Kate­gorie. Nach den jüngsten drei Duellen in den ver­gan­genen elf Monaten erwartet Kroos gegen die Hol­länder eine Aus­ein­an­der­set­zung auf sehr hohem Niveau“. Auch des­halb besteht kein Zweifel, dass er gegen den ärgsten Kon­kur­renten aus der Gruppe in der Startelf stehen wird.

Unter Löw ist Kroos unan­tastbar

Schaut man sich die Auf­stel­lungen der Natio­nal­mann­schaft aus den ver­gan­genen Jahren an, wäre alles andere eine Über­ra­schung. Bei Löw zählt Kroos längst zu den Unan­tast­baren. Über­ra­schend ist die Treue des Bun­des­trai­ners nur, wenn man sich die Ent­wick­lung der Mann­schaft seit der miss­ra­tenen WM 2018 anschaut. Spieler, die mit Kroos das Gerüst gebildet haben, sind von Löw mal mehr (Sami Khe­dira) mal weniger geräuschlos (Jerome Boateng, Mats Hum­mels, Thomas Müller) aus­sor­tiert worden. Müller hat zusammen mit Kroos für die Natio­nalelf debü­tiert; er ist sogar vier Monate älter. Doch wäh­rend der eine nicht mehr darf, wird der andere mehr denn je gebraucht.

So viel Umbruch war in der Natio­nal­mann­schaft lange nicht, und so rigoros ist der Bun­des­trainer bei per­so­nellen Ent­schei­dungen seit Ewig­keiten nicht mehr vor­ge­gangen – nur Toni Kroos (und Tor­hüter Manuel Neuer) konnte dieser Pro­zess bisher nichts anhaben. Kroos ist der letzte Feld­spieler im aktu­ellen Kader, der beim WM-Titel vor fünf Jahren zur Stammelf gehört hat. Er hat die meisten Län­der­spiele bestritten (92) und sogar die meisten Tore erzielt (14). Von den übrigen 18 Feld­spie­lern im Auf­gebot für Hol­land und Nord­ir­land (Montag) kommt keiner auf mehr als 42 Län­der­spiele. Damit ist die Rolle, die Kroos im Pro­zess des Umbruchs spielt, eigent­lich schon aus­rei­chend defi­niert.

Sein Wert für die Natio­nal­mann­schaft dürfte im Hin­blick auf die EM 2020 eher zu- als abnehmen. Kroos scheint prä­de­sti­niert, den jungen Leuten Halt zu geben und dem uner­fah­renen Team die nötige Sta­bi­lität zu ver­schaffen. Doch unge­teilte Freude dürfte diese Aus­sicht im deut­schen Fuß­ball­volk nicht aus­lösen. An kaum jemandem scheiden sich so sehr die Geister wie am 29 Jahre alten Kroos: Für die einen ist er der Quer­pass-Toni, der den Ball ver­schleppt und das Spiel ent­schleu­nigt; für die anderen ist er eines jener sel­tenen Genies, die ver­standen haben, was das Spiel im Inneren zusam­men­hält.

Auf den ersten Blick passt Kroos nicht beson­ders gut zum neuen Stil des Teams, das im Ver­gleich zur WM dyna­mi­scher und ziel­stre­biger daher­kommt. Die Natio­nal­mann­schaft macht wieder Spaß, weil sie frei und unbe­küm­mert wirkt und ent­schlos­sener den Weg nach vorne sucht. Man sieht viele Sachen, die super sind“, sagt auch Kroos. Er selbst sei daher gern bereit, mich anzu­passen“.

Auch Kroos wirkt dyna­mi­scher

Zumal die Umge­wöh­nung für ihn auf den zweiten Blick gar nicht so groß ist, wie man glauben könnte. Dadurch dass die Offen­siv­spieler ent­schie­dener in die Tiefe gehen, kommen seine Fähig­keiten – das prä­zise Pass­spiel etwa – sogar wieder besser zum Tragen. Auch seine Auf­tritte in der Natio­nal­mann­schaft wirkten dadurch zuletzt weniger träge und wesent­lich dyna­mi­scher. Es ist nicht so, dass wir den Ball gar nicht mehr haben wollen“, sagt Kroos über die Aus­wir­kungen des Stil­wech­sels auf sein Spiel. Es ist wei­terhin von extrem großer Bedeu­tung, den Ball gut laufen zu lassen.“ Denn nur über Ball­be­sitz ließen sich die schnellen Stürmer vorne in gefähr­liche Situa­tionen bringen.

Unser Spiel ist bei der WM ein Stück weit ein­ge­schlafen“, hat Bun­des­trainer Löw jetzt noch einmal gesagt. Inzwi­schen wirkt seine Mann­schaft wieder wach und hungrig. Ich sehe uns heute schon besser als im Vor­feld der WM“, findet Kroos. Ein biss­chen Ein­ge­spielt­heit fehle noch. Trotzdem: Mein grund­sätz­li­ches Gefühl ist erst einmal recht positiv.“ Auch mit Blick auf die Euro­pa­meis­ter­schaft im kom­menden Jahr. Für Toni Kroos gibt es daher ab sofort keine unwich­tigen Län­der­spiele mehr. Dem Bun­des­trainer hat er schon mit­ge­teilt, dass er in den nächsten Monaten absolut kon­stant dabei bleiben will und muss“.