Die Nationalelf fliegt kurze Strecken – und macht mit den Erklärungen alles noch schlimmer. Auf dem Platz rumpelt und daneben rumort es. Momentan ist der größte Gegner der Mannschaft: sie selbst.
Belastungssteuerung? Mit diesem Begriff konnte Hermann Gerland überhaupt nichts anfangen. Auf der „Meisterfeier“ von 11Freunde vor zwei Jahren sagte er: „Bevor du steuerst, musst du erst mal belasten.“ Der Begriff „Belastungssteuerung“ kursiert zur Belustigung des „Tigers“ immer häufiger im modernen Fußball; er wird auch gerne mal um solch schöne Blüten wie „Regenerationsmanagement“ ergänzt.
So begründete die Nationalmannschaft auch, warum sie von Stuttgart aus ins nur 260 Kilometer entfernte Basel mit dem Flugzeug jettete. „Bahnfahren wäre nur möglich gewesen mit Umsteigen, mit dem Bus hätte die Anreise bis zu dreieinhalb Stunden gedauert“, erklärte der Pressesprecher. Nationalspieler Thilo Kehrer meinte: „Das Sitzen oder Nicht-Bewegen ist für die Regeneration nicht optimal.“ Außerdem hieß es zunächst vom DFB, man habe die Hygieneauflagen einhalten wollen.
Das klang so, als hätte sich die Nationalelf andernfalls mit dem Flixbus durch die Anden und den Feierabendstau auf der A2 kämpfen oder in vollen Bahnhofsvorhallen zwischen einer Horde Einschulkinder auf dem kalten Boden nächtigen müssen. Dabei dürfte der DFB mittlerweile auch beim Blick auf andere Sportler zur Erkenntnis gekommen sein, dass eine Zug- oder Busfahrt dem Tross schon zuzumuten ist.
Hermann Gerland wäre das kurze Stückchen wahrscheinlich mit 30-Kilo-Marschgepäck gelaufen. Am Montag meldete sich dann auch Manager Oliver Bierhoff aus Canossa mit einem „Wir-haben-verstanden“-Statement. Immerhin drei Tage nach den lustigen Daumen-hoch-Postings als Luftnummer aus dem Flieger.
Die Posse um die Anreise steht symbolisch für die Zerrissenheit der Nationalmannschaft. In Zeiten der Pandemie und Klimakrise machen nicht nur Verbände Fehler. Wer ohne Tadel ist, werfe das erste Nackensteak vom Grill.
Doch Kurzstrecke zu fliegen, das Ganze stolz auf den sozialen Kanälen zu verbreiten und alltägliche Fortbewegungsmittel als unzumutbar zu klassifizieren – das nährt weiter den Verdacht der Entrücktheit dieses Verbandes. Dabei wollte der DFB nach der vermaledeiten WM 2018 inklusive hohlen Hashtags und hohen Zäunen gerade da ansetzen: Er wollte mehr Bodenhaftung und Nähe zeigen und die Fans zudem mit hungrigen, jungen Spielern zurück gewinnen. Seitdem steht sich die Nationalmannschaft aber kontinuierlich selbst im Weg.