„In der aufgeheizten Atmosphäre sind Fanprojekte wichtig“
Weil die Stadt ihre finanzielle Unterstützung streicht, steht das Kaiserslauterer Fanprojekt vor dem Aus. Wir sprachen mit Leiter Erwin Ress über die Gefahren einer Schließung, Stadionverbote und Fankultur am Betzenberg.
Erwin Ress, das Fanprojekt Kaiserslautern steht aufgrund fehlender finanzieller Mittel vor dem Aus. Machen Sie sich Sorgen um die Zukunft der FCK-Anhänger?
Durchaus. Der 1. FC Kaiserlautern hat zwar seit jeher eine sehr aktive Fanszene, das Stadion ist voll, die Anhänger fahren zahlreich zu Auswärtsspielen mit. Das war auch vor Gründung des Fanprojektes im Jahr 2007 so. Dennoch würde das Aus des sozialpädagogischen Fanprojektes einen großen Bruch bedeuten.
Inwiefern?
Fanprojekte sind eine wichtige Schnittstelle im modernen Fußball geworden. Sie vermitteln zwischen den Anhängen und den Institutionen. Gerade bei der momentan sehr aufgeheizten Atmosphäre und der Diskussion um Ultras, Stadionverbote oder Pyro nimmt ein Fanprojekt eine wichtige Rolle ein.
Können Sie ein Beispiel aus Kaiserslautern geben?
Aus dieser Zeit ist mir vor allem ein Vorfall in Erinnerung geblieben. Bei einem Auswärtsspiel des FCK in Gladbach gab es Probleme mit einem Bus FCK-Fans. Drei bis vier Fahrgäste benahmen sich daneben, was dazu führte, dass alle Insassen dieses Busses mit einem bundesweiten Stadionverbot belegt wurden, auch die Personen, die lediglich in dem Bus saßen. Selbst nach der richterlichen Feststellung, dass diese Personen unbeteiligt waren konnten sie zunächst nichts an ihrem Stadionverbot ändern. Erst durch unseren Einsatz und die Kooperation mit Anwälten konnte nach Monaten eine Lösung gefunden werden. Ansonsten wäre das Verhältnis zwischen Fans, Polizei und Vereine dauerhaft beschädigt worden. Wie soll man jemandem erklären, dass er beim Fußball für Dinge bestraft werden kann, die er nachweislich nicht getan hat.
Vergangene Woche bekamen Sie die Meldung über die Schließung des Fanprojekts. Kam das für Sie überraschend?
Nein. Wir hatten bereits im vergangenen Dezember davon Wind bekommen. Damals hieß es auf einer Haushaltssitzung, dass die Stadt nach wie vor hoch verschuldet sei und dringend Gelder eingespart werden müssten. Dabei kam das Fanprojekt zur Sprache, das die Stadt finanziell unterstützt.
Warum springt der Verein nicht in die Bresche?
Bei der Finanzierung von Fanprojekten gibt es eine Drittellösung. In unserem Fall heißt das: Im Jahr gibt es 30.000 Euro von der Stadt Kaiserslautern, 30.000 Euro vom Land Rheinland Pfalz und 30.000 Euro von der DFL. Das sind 90.000 Euro, im Übrigen eine sehr kleine Summe, wenn man davon eineinhalb Mitarbeiter beschäftigt, Räumlichkeiten bezahlt, Materialien beschafft und so weiter. Der FCK prüft nun gemeinsam mit unserem Träger der AWO, inwieweit er das Projekt unterstützen kann. Das kann jedoch nur eine kurzfristige Lösung sein und keine dauerhafte.
Warum nicht?
Ein Fanprojekt leistet präventive Sozialarbeit. Wichtig für diese Arbeit ist, dass sie nicht finanziell abhängig ist von einer einzigen Institution in diesem Umfeld. Gerade um die Unabhängigkeit der Fanprojekte zu gewährleisten, wurde diese Drittelfinanzierung eingeführt. Bei Vereinen und DFB/DFL stehen eher Sicherheitsinteressen im Vordergrund, während die Sozialarbeit eher den einzelnen Menschen im Blickpunkt hat.
Muss nicht jeder Bundesligaverein ein Fanprojekt unterhalten?
Seit 1992 gibt es eine Bestimmung des „Nationalen Konzepts Sport und Sicherheit“, die besagt, dass jeder Profiverein ein Fanprojekt haben sollte. De facto ist das aber keine Muss‑, sondern eine Kann-Bestimmung. In Kaiserslautern wurde daher das Fanprojekt erst im November 2007 installiert, eigentlich viel zu spät für diese große und gewachsene Fanszene. Es gibt aber auch heute noch Bundesligavereine die kein Fanprojekt haben, zum Beispiel der VfB Stuttgart.
Gibt es überhaupt eine Chance auf Rettung?
Die Fanszene aus Kaiserslautern verstreut sich ja über die gesamte Region. Daher überlegt man momentan auch, die Landkreise zu mobilisieren. Wenn sich Landkreise finanziell beteiligen würden, könnte das Projekt am Leben bleiben. Wobei eine langfristige und dauerhafte Lösung nötig ist, um die Kontinuität der Arbeit zu gewährleisten.
Wie sieht eine Zukunft ohne Fanprojekt beim 1. FC Kaiserslautern aus?
Wie schon angesprochen: In der momentanen Stimmung, in der Ultras oder Hardcore-Fans von allen Seiten kritisch beäugt werden, wird es unweigerlich zu Problemen kommen. Diese Personen sind auf sich alleine gestellt, da eine wichtige Vermittlungsinstanz zwischen ihnen und den Institutionen wegfällt. Die Probleme können sich also verschärfen, so dass man in ein paar Jahren ein neues Fanprojekt aus dem Boden stampfen muss. Allerdings ohne zu bedenken, dass die neuen Mitarbeiter danach erstmal drei oder vier Jahre Aufbauarbeit betreiben und einen Zugang zur Szene finden müssen.