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Seite 4: Everton-Fans im Haus von Liverpool

Ihre Haustür ist rot, das war schon vor ihrem Einzug so. Nebenan wohnen Liver­pool-Fans, die Elli­sons, hinter einer blauen Tür. Noch einmal eine skur­rile Note in dieser ohnehin skur­rilen Nach­bar­schaft. Beide Klubs können nicht ohne ein­ander. Sie tragen gemeinsam zu viel auf den Schul­tern, um sich von­ein­ander zu lösen. Die Riva­lität besteht vor allem aus dem banter, den Sti­che­leien und Scherzen – wie unter Geschwis­tern. Der Everton-Fan­shop im Bezirk heißt bei­spiels­weise Everton One“, nur damit im Stadt­zen­trum Everton Two“ ent­stehen konnte und sich die dor­tige Adresse wie ein Fuß­ball­ergebnis liest: Liver­pool One Everton Two.

Eileen Snell hört Ever­tons Spiele im Radio. Wenn ihr Team trifft, klopft sie laut an die Wand zu den Elli­sons. Banter. Die Anhän­gerin der Blauen wohnt hinter einer roten Tür in einem Haus, das den Roten gehört. Und wenn Liver­pool in ihrem Garten spielt, dann zieht sie eben die Vor­hänge zu.

In ihrem Fenster hängt ein Bild von einem Jungen und einem Mäd­chen, sie tragen Tri­kots von Liver­pool und Everton und auf ihrem Rücken die 96“. Sie weiß noch, wie es damals war. Nach Hills­bo­rough kamen die Fami­lien zum Sta­dion, in ihrer Trauer beweinten sie dort ihre Ange­hö­rigen. Ich konnte ihre Schreie hören. Das werde ich in meinem ganzen Leben nicht ver­gessen. Manchmal höre ich sie noch im Schlaf.“

Du gehst zu einem Spiel und dann … Dann kommst du nicht mehr nach Hause.“

Hinter ihrem Garten, an der Tri­büne des Liver­pooler Sta­dions ist das Hills­bo­rough Memo­rial. Paul Cass­idys Augen sind gerötet. Er schaut an seinem Gegen­über vorbei ins Leere. Der Körper des kleinen, rund­li­chen Mannes arbeitet, er wippt von einem Fuß auf den anderen, er klam­mert sich an dem Griff der Ein­kaufs­tüte von Marks & Spencer fest. Die Augen wan­dern zur Gedenk­pla­kette. Blu­men­sträuße, Gebinde, Schals, Kin­der­zeich­nungen. Cassidy pustet aus, mehr­mals, er braucht Luft, weil die Erin­ne­rung den Hals zuschnürt. Stell dir das mal vor“, sagt er dann. Stell es dir vor. Fuß­ball, die Sache, die du so liebst. Du gehst zu einem Spiel und dann …“ Kopf­schüt­teln. Hef­ti­geres Kopf­schüt­teln. Dann kommst du nicht mehr nach Hause.“

Cassidy trägt ein Trikot. Auf den Rücken ist kein Spie­ler­name geflockt, son­dern das Wort Remem­be­ring“, dar­unter die Zahl 96“ und statt eines Ver­eins­na­mens ist Y.N.W.A.“ zu lesen, die Initialen des berühmten Liver­pooler Fan­ge­sangs You’ll Never Walk Alone„. Als er sich vor die Gedenk­stätte stellt, um inne­zu­halten, drehen sich die Leute um, manche Umste­hende machen Fotos. Denn Cass­idys Trikot ist nicht rot, son­dern blau. Es ist das Trikot von Everton.