Martin Hinteregger passt nicht in den modernen Fußballzirkus. Er spielt Ziehharmonika, fliegt Hubschrauber und führt die Hinti Army an. Ein ungewöhnlicher Profi über ein sehr ungewöhnliches Jahr.
Ab wann haben Sie gemerkt, dass es in Frankfurt passt?
Das kam eher nach und nach. Als ich zum ersten Mal in die Kabine trat, scherzte Marco Russ: „Na, endlich wieder jemand hier, der Deutsch spricht.“ David Abraham kam zu mir, umarmte mich direkt, führte mich herum, erklärte mir die unterschiedlichen Charaktere im Team, die Abläufe, die Taktik. Wir verbrachten viel Zeit miteinander. Genau das ist das Besondere: Denn David spielte auf der gleichen Position wie ich und war auf dem Papier eigentlich mein Konkurrent. Trotzdem hat er mich so herzlich aufgenommen. Ich wollte auch ihm etwas zurückgeben.
Wie funktionierte die Umstellung auf dem Rasen? Die Eintracht spielte einen physisch sehr fordernden Fußball.
Nach dem ersten Spiel gegen Dortmund dachte ich schon: „Uff, da bin ich noch etwas weit weg.“ Aber Adi Hütter hat mir jeden Zweifel genommen und gesagt, dass ich schnell reinkomme. Er sollte Recht behalten. Das Tor in Donezk war für mich extrem wichtig, damit ich schnell in die Mannschaft finde. Von da an ging es ganz schnell. In der Europa League wurde jedes Spiel zum Highlight, aber für mich sticht das Bundesligaspiel gegen Hoffenheim heraus. Wir drehten in den letzten zwei Minuten die Partie zum 3:2 – vor allem mit Hilfe des Stadions. Da dachte ich: „Wow, was ist denn hier los? Die Fans können für uns Spiele gewinnen.“
Wann haben Sie zum ersten Mal den Ihnen gewidmeten Fan-Song „Hinti Army“ gehört?
Kurz vor dem Spiel gegen Lissabon, das ich verletzungsbedingt leider auf der Tribüne verfolgen musste. Und nach diesem emotionalen Sieg haben mich Freunde aus Frankfurt zu einem Kiosk mitgenommen. Der Kiosk ist Kult in Frankfurt. Ich hatte vorher den Rapper Vega beim Eishockey kennengelernt; er hat Musikvideos in diesem Kiosk gedreht. Wir standen da, als die Leute anfingen zu singen und zu tanzen: Oh, oh, you’re Hinti Army now. Alles in allem war das ein geiler Moment, in so einem Laden ein Lied über sich zu hören.
Die Frankfurter Spieler sollen es ständig in der Kabine gesungen haben. Gab es noch weitere kuriose Situationen?
Im Sommer war ich auf der Hochzeit von Stefan Lainer eingeladen, der jetzt bei Gladbach spielt. Da wurde das Lied auch gespielt. Kennen Sie die Hinti-Army-Shirts? (Zeigt auf seinem Handy Bilder von der Braut und den Brautjungfern in diesen Shirts.) Selbst beim Länderspiel gegen Lettland hat ein Frankfurt-Fan im Stadion das Lied angestimmt. Auf der Straße werde ich nur noch mit „Hinti Army“ angesprochen.
Die besondere Verbindung zwischen Ihnen und den Fans zeigte sich nach dem Halbfinalaus gegen Chelsea. Ein Fan umarmte Sie innig, nachdem Sie den Elfmeter verschossen hatten.
Ich war brutal niedergeschlagen und wollte eigentlich nur noch in die Kabine. Dann haben viele Fans mir zugerufen, dass ich herkommen sollte. Unter anderem dieser Fan, ein Ultra von Chemie Leipzig, den Freunden der Eintracht. Er sagte: „Du hast extrem geil gespielt. Ohne dich wären wir gar nicht so weit gekommen. Wir sind froh, dass du da bist.“ Diese Geste war für mich sehr besonders und hat gezeigt, welch herausragende Fans wir haben, wie viel sie verstehen, wie sie mitfühlen. Hätten sie mich nicht so aufgefangen, wäre ich nach dem verschossenen Elfer sicherlich in ein Loch gefallen. Von diesem Moment an war mir klar, dass ich hier nach Frankfurt hingehöre. Ich muss diesem Verein und den Leuten einfach noch einiges zurückgeben.
Ihnen wurde vorgeworfen, den Wechsel von Augsburg zu Frankfurt zu provozieren. Zum einen, weil Sie mit einem Eintracht-Rucksack zum FCA-Training erschienen.
Ich hatte vor dem Sommer klargemacht, dass ich unbedingt nach Frankfurt wollte. Jeder wusste das. Aber leider konnten sich die Vereine nicht einigen. Ich frage mich: Ist der Rucksack wirklich eine Provokation? Wäre es auch so aufgebauscht worden, wenn es nicht um mich gegangen wäre? Ich glaube nicht. Ich trug ihn morgens früh um halb neun, ich war der Erste in der Kabine. Ich wollte niemanden provozieren, hatte zu Hause einfach nach diesem Rucksack gegriffen, weil darin meine Fußballschuhe verstaut waren.
Zum anderen tauchte im Augsburger Trainingslager ein Video auf, das Sie betrunken auf einem Marktplatz zeigte.
Ja, da hieß es auch, ich hätte das bewusst gemacht. Na sicher! Ich habe dem Typen bestimmt auch noch Geld gegeben, dass er mich filmt und mir solche Probleme bereitet! Wirklich, das ist doch Schwachsinn.