Heute treffen der FC Barcelona und Real Madrid im Spitzenspiel der spanischen Liga aufeinander. Aber woher kommt eigentlich die Rivalität der beiden Klubs?
Nach Kubalas Ankunft räumt Barcelona mit der grandiosen Offensivreihe Kubala, Basora, César, Moreno und Manchón eine Trophäe nach der anderen ab. In der Saison 1952 gewinnt Barca die Meisterschaft, die Copa de Generalísimo, den Eva-Duarte-Pokal, den Martini-Rosso-Pokal und die Copa Latina. Kubala und Co. lösen einen Zuschauerboom aus. Bald wird deutlich: Les Corts, das alte Stadion ist für dieses Team zu klein. Pläne für neues Stadion entstehen und münden schließlich im Bau von Camp Nou. Noch heute firmiert die Schüssel als „Das Haus, das Kubala gebaut hat“.
1953 scheinen Samitier und der FC Barcelona mit dem Argentinier Alfredo Di Stéfano ihren nächsten Coup zu landen. Der auf Leihbasis für die Millionarios Bogota stürmende „Saeta Rubia“ („Der blonde Pfeil“) hat den Katalanen bereits mündlich zugesagt. Barca überweist vier Millionen Peseten an River Plate, den eigentlichen Besitzer des Spielers. Die FIFA erteilt dem Wechsel grünes Licht, doch in Spanien stellt ein alarmierter General Moscardó die Ampel auf Rot – ein eilig verabschiedetes Gesetz untersagt den weiteren Import ausländischer Akteure. Derweil bleibt auch Real-Boss Santiago Bernabéu nicht untätig und kontert mit einer Zahlung von 1,5 Millionen Peseten an die Millionarios.
Es beginnt ein bizarres Tauziehen um den Spieler: Di Stéfano bestreitet zunächst drei Freundschaftsspiele für Barca, in denen er geradezu lustlos wirkt. Das Spiel der Katalanen ist stark auf Kubala zugeschnitten, was Di Stéfano nicht behagt. Kubala ist ein Künstler und Naturtalent, Di Stéfano zunächst nur der „Urtyp eines Athletenfußballers, der seine Erfolge seiner Schnelligkeit und seiner Widerstandskraft verdankte“, wie sein Weggefährte Néstor Rossi später schreibt. Di Stéfano läuft auch für Real auf, in einem Freundschaftsspiel gegen Nancy, das die Spanier mit 2:4 verlieren. 80 000 Zuschauer sind ins Stadion gekommen, rümpfen aber beim Anblick des angeblichen „Wunderstürmers“ die Nase. „La Saeta Rubia“ bremsen satte sechs Kilo Übergewicht.
Indessen unterbreitet der spanische Fußballverband einen skurrilen Vorschlag: Der Argentinier soll für vier Jahre eine Spielerlaubnis erhalten, aber in dieser Zeit sowohl für Barca als auch für Real spielen. Doch die Klubs können sich nicht einigen, bei wem Di Stéfano die ersten beiden Jahre verbringen soll. „Bei uns, weil wir die argentinischen Papiere haben und mehr bezahlt haben“, meint Barca. „Bei uns, weil wir die kolumbianische Autorisation haben“, entgegnet Real. Am 15. September 1953 unterzeichnen die Klubbosse Bernabéu und Marti Carretó ein Abkommen, das einen jährlichen Wechsel vorsieht. In den Spielzeiten 1953/54 und 1956/57 soll Di Stéfano die Farben des FC Barcelona tragen, 1954/55 und 1957/58 die von Real Madrid. In der katalanischen Metropole löst der Deal einen Sturm der Entrüstung aus. Carretó erklärt seinen Rücktritt und eine entnervte Barca-Führung ihren Verzicht auf Di Stéfano. Real zahlt dem Rivalen die vier Millionen Peseten aus, und Di Stéfano ist fortan Madrilene. Das Ausländergesetz wird kurzerhand modifiziert. Spieler, mit denen vor dem Inkrafttreten verhandelt wurde, sind vom Importstopp ausgenommen.
Di Stéfanos Eintreffen in Madrid markiert einen Wendepunkt in der Fußballgeschichte der Hauptstadt und Spaniens. 1952 noch, als Real sein 50-jähriges Jubiläum feierte, verlor Bernabéus Elf in Les Corts mit 2:7. Doch mit Di Stéfano wird alles anders. Am 25. Oktober 1953, nur wenige Tage nach Barcas Verzichtserklärung, besiegt Real den Rivalen mit 5:0. Debütant Di Stéfano, der seine Formschwäche in kürzester Zeit auf wundersame Weise überwunden hat, langt gleich viermal zu. Am Ende der Saison 1953/54 ist Real erstmals seit 21 Jahren wieder Meister.
In den Augen der gedemütigten Katalanen ist Real fortan nur noch das „Regime Team“. Die „Königlichen“ werden zum Tummelplatz von Funktionären der Franco-Administration. Vor allem aber sorgen die Referees für Unmut in Katalonien. Einige von ihnen scheinen – angewiesen oder in vorauseilendendem Gehorsam – für Real zu pfeifen.
Bedeutender als die Unterstützung, die Real durch das Regime erfährt, ist die Hilfe, die Real dem Regime anbietet. Der Klub hat bald etwas, wonach die Führung vergeblich lechzt: internationale Anerkennung. Dass Francos Spanien im Zweiten Weltkrieg nicht gemeinsam mit dem faschistischen Italien und dem nationalsozialistischen Deutschland auf dem Misthaufen der europäischen Geschichte endete, hatte es seiner Politik der Neutralität zu verdanken. Doch bei Kriegsende war auch Spaniens Faschismus diskreditiert. Im redemokratisierten Westeuropa sind Spanien und sein iberischer Nachbar Portugal politische Schmuddelkinder, zu denen man Distanz hält.
Als der französische Journalist Gabriel Hanot im Dezember 1954 in der „L’Equipe“ die Idee einer Europameisterschaft der Vereine lanciert, gehört Santiago Bernabéu zu deren heftigsten Befürwortern. Während Spanien in Rückständigkeit verharrt und beim politischen Einigungsprozess Europas außen vor bleibt, sind Real und sein Präsident bald in ein europäisches Netzwerk eingebunden und gehören zu den treibenden Kräften beim Aufbau der kontinentalen Institution Europacup.
Doch nicht nur Spanien, auch der FC Barcelona wirkt neben Real, das ab 1956 fünf Mal in Folge den Landesmeisterpokal gewinnt, zusehends provinziell. Dabei profitieren alle – Regierung, Real und Barca – von der Eskalation des Ost-West-Konflikts, durch den der Antikommunismus in das Zentrum westlicher Politik rückt. Als 1956 in Ungarn die Stalinisten mit Hilfe sowjetischer Truppen die Oberhand behalten, setzen sich etwa 240 Erst- und Zweitligaspieler in den Westen ab, wo nicht nur die Freiheit lockt, sondern auch der Status eines gutbezahlten Profis. Franco-Spanien, das die Andersdenkenden einsperrt, foltert und ermordet, geriert sich nun als Zufluchtsort für politisch Verfolgte und sucht den Schulterschluss mit den liberalen Demokratien Westeuropas im Kampf gegen den kommunistischen Totalitarismus. So wechselt 1958 Ferenc Puskás, zu diesem Zeitpunkt der beste Linksfuß der Welt, zu Real. Aber auch der FC Barcelona darf in der Konkursmasse des ungarischen Fußballs wildern. Barca verpflichtet Sándor Kocsis und Zoltán Czibor, die ebenfalls der Heimat den Rücken gekehrt haben.