Von Kenia nach Kanada, von Houston nach Hiroshima: Heute feiert einer der ganz großen Wandervögel einen runden Geburtstag. Alles Gute, Eckhard Krautzun!
Solche Zusatzstationen findet man zuhauf, wenn man auch nur ein wenig in Archiven stöbert. Während seiner Zeit in Kenia (1970−74) betreute er nicht nur die Nationalelf, sondern auch einen Firmenklub namens Kenya Breweries. Und Ende 1975 turnte Krautzun in der Zeit zwischen seinem Job als Nationaltrainer von Kanada und der Unterschrift bei den Vancouver Whitecaps auch noch in Sri Lanka herum, wo er im Auftrag der Bundesregierung Mannschaften in Colombo betreute. Beide Jobs werden so gut wie nirgends erwähnt. Wenn man diese Stichprobe hochrechnet, dürfte Krautzun auf weit über vierzig Stationen kommen.
Krautzuns auf dem Papier größter Erfolg in seinem Heimatland war der Gewinn des DFB-Pokals mit dem 1. FC Kaiserslautern 1996. Aber es war irgendwie typisch für ihn, dass dieser Sieg nicht unbeschwert gefeiert werden konnte. Krautzun war erst neun Spieltage vor Saisonende Trainer geworden und seine eigentliche Aufgabe war es, den Abstieg zu verhindern. Daran scheiterte er (wenn auch nur sehr knapp), und so musste er trotz Pokaltriumph vor der neuen Saison gehen. Sein Nachfolger wurde Otto Rehhagel – und auch das scheint seltsam typisch für Krautzun, denn er war zum Beispiel ebenfalls der direkte Vorgänger von Jürgen Klopp beim 1. FSV Mainz 05.
Ja, irgendwie klappte es für Krautzun nie so richtig in Deutschland. Man denke nur an seine Zeit bei 1860 München: Im Juni 1979 führte er die Löwen zurück in die Bundesliga, aber nur vier Monate später wurde er gefeuert – und 1860-Präsident Erich Riedl bezahlte einem Privatdetektiv 5000 Mark, um belastendes Material über Krautzun zu finden. (Was nicht gelang, weshalb die Löwen ihm 170.000 Mark Abfindung zahlen mussten.)
Aber heute, da Krautzun Geburtstag feiert, ist nicht der Tag, um zu fragen, warum es immer wieder Streit gab. Heute denken wir lieber an Abenteuer wie das im November 1987, als Krautzun Trainer von Al-Ahli in Dschidda war. Zum 50. Jahrestag der Vereinsgründung lud Klubpräsident Prinz Khalid Bröndby Kopenhagen ein. Was nicht nach dem ganz großen Glamour-Gegner klingt, wurde auf landestypische Weise veredelt: Der Prinz ließ in einem Privatjet Maradona einfliegen, der für 330.000 Dollar Gage im Trikot der Araber auflief (und beim 5:2‑Sieg von Krautzuns Elf zwei Tore schoß).
Knapp ein Jahr später, im Dezember 1988, war Krautzun auf die Maschine nach New York gebucht, die von Terroristen über dem schottischen Ort Lockerbie zur Explosion gebracht wurde. Nur weil Anton Döbbe, der Vorsitzende von Rot-Weiss Essen, ihn kurzfristig um ein Gespräch gebeten hatte, trat Krautzun den Flug nicht an. Aus den Geheimverhandlungen, von denen nicht einmal der Verwaltungsrat des Vereins wusste, wurde am Ende zwar nichts, aber es bleibt eine der schönsten Pointen im aufregenden Leben von Eckhard Krautzun, dass ihn RWE vor dem Tode rettete. Schließlich kam er heute vor 80 Jahren in Essen zur Welt.
Weitere Anekdoten von und mit Krautzun findet ihr in dem Beitrag über seine Freundschaft zu Alex Ferguson oder einem Interview über seine Zeit in Afrika.