Von Kenia nach Kanada, von Houston nach Hiroshima: Heute feiert einer der ganz großen Wandervögel einen runden Geburtstag. Alles Gute, Eckhard Krautzun!
Heute ist einer jener Tage, an denen die Anekdotendichte im Internet noch mal rapide zunimmt, denn heute feiert jemand einen runden Geburtstag, der mehr verrückte Geschichten schon wieder vergessen hat, als die meisten Leute jemals erleben: Eckhard Krautzun. Für die Trainerlegende ist „Weltenbummler“ so etwas wie der zweite Vorname geworden, und deswegen werden wir alle heute noch einmal mit großem Vergnügen lesen, wie Krautzun mit Haile Selassie Kaffee trank, für einen Tag Diego Maradona trainierte, Alex Ferguson mit Schottenwitzen unterhielt, warum die Mutter seines Torwarts in der Kabine mit Tierknochen einen bösen Zauber vertrieb und warum Rot-Weiss Essen ihm buchstäblich das Leben rettete.
Aber das machen wir später. Zunächst wollen wir klären, dass Wikipedia nicht alles weiß und warum Krautzun vermutlich ein noch viel größerer Wandervogel ist, als wir ahnen. Dazu beginnen wir mit einem Abschnitt von Krautzuns Leben, zu dem sich kaum Informationen finden lassen, schon gar nicht bei Wikipedia, nämlich seiner Karriere als Aktiver. Die fristete er lange als Amateurspieler, zuerst bei Union Solingen, dann beim Rheydter SV. Im August 1965 feierte dieser Klub – damals in der Verbandsliga, also drittklassig – seinen 60. Geburtstag mit einem Spiel gegen den 1. FC Kaiserslautern. Zur Verblüffung der 14.000 Zuschauer besiegte Rheydt den mit allen Stars angetretenen Bundesligisten 2:1. Krautzun schoss das erste Tor, und es war wohl kein Zufall, dass er zur kommenden Saison als immerhin schon 25-Jähriger einen Profivertrag bei den Pfälzern unterschreiben durfte.
Krautzun lief 1966/67 dreimal in der Bundesliga für Kaiserslautern auf, dann war seine Karriere als Spieler im Grunde bereits beendet, auch wegen zweier komplizierter Knieoperationen. Und hier beginnt schon die ungewöhnliche Geschichte eines Getriebenen. Denn während viele vergleichbare Trainer erst in ihrer Heimat arbeiten, bis das Schicksal sie in die Welt wirft, zog es Krautzun sofort in die Ferne. Damit wären wir bei seinem Wikipedia-Eintrag. Der weist nämlich als erste Trainerstation die Young Fellows im Jahre 1969 aus (nein, das ist keine Indieband aus den Achtzigern, sondern ein ehemaliger Klub aus Zürich). Doch als Krautzun in der Schweiz aufschlug, hatte er bereits einiges von der Welt gesehen. Wir dürfen also jetzt schon davon ausgehen, dass die „31 Stationen in elf Ländern“, die immer zitiert werden, viel zu niedrig gegriffen sind.
Im Dezember 1967, da war er erst 26 Jahre alt, flog Krautzun einfach mal so nach Hongkong, weil der DFB gerade Dettmar Cramer als Fußball-Entwicklungshelfer dorthin geschickt hatte. Krautzun besaß eine Trainerlizenz und sprach außer Deutsch und Englisch, das er studiert hatte, noch vier weitere Sprachen. Er hoffte auf einen Job in Asien und musste nicht lange suchen. Im Januar 1968 meldete der „Kicker“: „Eckhard Krautzun, früher Abwehrspieler beim Rheydter SV und 1. FC Kaiserslautern, verdient sich seine Trainersporen als Nationaltrainer von Südkorea.“ Danach arbeitete Krautzun als Cramers Assistent in Malaysia und bekam dort sogar den Posten des Nationaltrainers angeboten, bevor er sich im Juni 1969 entschloss, nach Zürich zu gehen.