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Bou­le­vard-Reporter haben sich in Bremen schon immer ziem­lich gelang­weilt. Jah­re­lang regierte »König« Otto Reh­hagel mit eiserner Hand, die nicht nur mög­liche Skan­däl­chen bei der Wurzel packte und in der nahen Weser ver­senkte, son­dern auch Neu­zu­gänge nach deren pri­vater Kon­stanz aus­wählte. Längst legendär ist das Auf­nah­me­ge­spräch zwi­schen Reh­hagel und einem jungen Locken­kopf namens Marco Bode. »Schneiden sie sich die Haare ab, Bode?«, soll Reh­hagel gefragt haben. »Nein, Trainer.« »Hm. Sind sie ver­hei­ratet?« »Ja.« »Gut, dann kommen Sie morgen zum Trai­ning.« Lange Haare waren noch das Ver­rück­teste, was die Jour­na­listen von den Zei­tungen mit den großen Buch­staben aus der Han­se­stadt ver­melden konnten. Dann ging Reh­hagel und eine Schar wech­selnder Trainer sorgte immerhin für ein wenig Unter­hal­tung. Ein Hol­länder namens Aad de Mos plau­derte gar im Suff mit den Zei­tungs­men­schen ein paar pikante Details aus und wurde des­wegen gefeuert. Dann kam Thomas Schaaf. Und die Bou­le­vard-Reporter fingen wieder an, sich zu lang­weilen.



Das ging – mit wenigen Aus­nahmen – fast elf Jahre lang so. Kühl, sou­verän, dis­zi­pli­niert – und, wenn man so will, lang­weilig – steu­erten Schaaf, Allofs und Kon­sorten den SVW bis in die Cham­pions League. Und wenn wenigs­tens mal Ailton einen mög­li­chen Skandal vor­be­rei­tete, weil er zu spät aus dem Win­ter­ur­laub zu kommen drohte, dann grum­melte Thomas Schaaf den erwar­tungs­voll lau­schenden Jour­na­listen in die Blöcke: »Das was Toni macht ist bezahlter Urlaub. Er macht Urlaub und zahlt dafür.« Alles lachte, alles schen­kel­klopfte – und nie­mand hatte eine Schlag­zeile.

Besser als Krankl, Herzog und Polster

Seit dem Sommer 2010 ist alles anders. Denn in Bremen spielt jetzt Marko Arn­au­tovic. Ein junger Öster­rei­cher, den Andreas Herzog – Ex-Bremer, immer noch Öster­rei­cher – mit fol­genden Worten auf die Reise Rich­tung Norden schickte: »Es gab einen Krankl, einen Herzog, einen Polster, aber er stellt sie alle in den Schatten.« Mehr Lob für einen Fuß­baller aus Öster­reich ist nicht mög­lich. Und Werder hatte den Salat.

Nicht, dass sich Arn­au­tovic erst in Deutsch­land den Ruf eines talen­tierten Schnö­sels erar­beitet hätte. Mit 17 tauchte er erst­mals beim heu­tigen Werder-Gegner Twente Enschede als Her­ren­spieler auf. Einen Antritt hier, ein paar feine Über­steiger da und schon ver­gli­chen ihn die hol­län­di­schen Medien mit Zlatan Ibra­hi­movic, der Jahre zuvor seine Welt­kar­riere als junger Dau­er­dribbler bei Ajax Ams­terdam begonnen hatte. Gift für einen Nach­wuchs­spieler mit emp­find­li­chen Antennen für knal­lendes Schul­ter­klopfen. Als Arn­au­tovic 2009 Twente ver­ließ, um seine Antritte hier und seine feinen Über­steiger da einem brei­teren Publikum zu prä­sen­tieren, hatte er sich einen neuen Spitz­namen ver­dient. »Arro­gan­tovic« heu­erte bei Inter Mai­land an, ließ sich den von Kol­lege Eto’o aus­ge­lie­henen Bentley klauen und igno­rierte den Gruß von Öster­reichs Trainer Josef Hickers­berger, der den jungen Lands­mann beim Trai­ning beob­achten wollte. Kurzum: Arn­au­tovic tat alles dafür, um seinen beschis­senen Ruf weiter aus­zu­bauen.

»Er hat einen Kopf wie ein Kind«

Nach nur einem Jahr Inter durfte sich der Jung­spund zwar offi­ziell Cham­pions League Sieger schimpfen, ver­ließ den Tra­di­ti­ons­klub aus Ita­liens Norden aller­dings mit einer ver­balen Ohr­feige von José Mour­inho. »Er hat einen Kopf wie ein Kind«, urteilte »The Spe­cial One« kna­ckig. Was keine Kritik an einer mög­li­cher­weise zu kleinen Schä­del­form des Offen­siv­spie­lers sein sollte, son­dern viel mehr bedeu­tete: Für die Erwach­senen-Welt Fuß­ball ist dieser Arn­au­tovic noch nicht geeignet.


Seit Sommer 2010 also Bremen. Und, hach Bou­le­vard!, end­lich war mal wieder was los in der Stadt mit den tie­ri­schen Stadt­mu­si­kanten! Ver­zwei­felt hatten die Zei­tungs­ma­cher in den Jahren und Monaten zuvor ver­sucht ihre Klatsch&Tratsch-Seiten mit der Liaison zwi­schen Diego und »Sän­gerin« Sarah Connor und Mesut Özil und Sarah Con­nors Schwester zu füllen, nur um dann doch fest­zu­stellen, dass die Bezie­hungs­kisten der Familie Connor genau so lang­weilig sind wie ihre künst­le­ri­schen Erzeug­nisse. Weil Arn­au­tovic aber Arn­au­tovic ist, und weil die Jour­na­listen natür­lich längst von den Bentley-Hickers­berger-Arro­gan­tovic-Possen wussten, war in Bremen plötz­lich wieder was los. Genüss­lich notierten Beob­achter die Straf­lie­ge­stütze und Straf­runden, die sich Arn­au­tovic ein­han­delte, weil er im Trai­nings­lager eine Ent­schei­dung von Hobby-Schieds­richter Schaaf nur schwer­lich aner­kennen wollte. »Aus­nah­me­ta­lent im Abseits«, schlag­zeilten selbst seriöse Medien und malten Bremer Horro-Sze­na­rios an die Wand, ob der Straf­lie­ge­stütze und Straf­runden. Nur wenige Medien ver­öf­fent­lichten aller­dings die beglei­tenden Worte von Straf­runden-Richter Thomas Schaaf. Der bestä­tigte lässig: »Nach den Lie­ge­stützen hatte er es noch nicht so ganz ver­standen. Des­halb ist es dann ganz gut, wenn man mal ein biss­chen Zeit für sich bekommt, damit der Puls runter geht und der Kopf frei wird.« Stich. Das hatte was von der legen­dären »Toni macht bezahlten Urlaub«-Antwort. Nur hatte es keiner mit­be­kommen.

Breit­schult­riger Kraft­protz ohne Pass­spiel?

Weil sich die Anzahl der ganz großen Spiele von Marko Arn­au­tovic – übri­gens nur einer von mehr als 30 Spie­lern im Kader von Werder Bremen – bis­lang ebenso in Grenzen hält wie seine Tref­fer­bi­lanz, und weil Werder Bremen bis­lang eben eine schwache Saison spielt, ist Arn­au­tovic auch vor dem heu­tigen Cham­pions-League-Kick das große Thema in Bremen. Sein Ruf? Immer noch beschissen. Das schreibt zwar keiner, aber wenn der Tages­spiegel von einem »breit­schult­rigen Kraft­protz« schreibt, bei dem »weder Lauf­wege noch Pass­spiel« stimmen, dann kann man sich denken, was der Autor vom Bremer Stürmer hält. Natür­lich: Arn­au­tovic ist ja selbst schuld. Er wirkt noch immer ziem­lich arro­gant, wenn er mit Cris­tiano-Ronaldo-Posen über den Rasen gockelt, wenn er nach Pässen von Mit­spie­lern nicht hin­terher wetzt, son­dern hin­terher schreit. Dafür hat er schon ordent­lich Prügel bezogen: Von Kapitän Frings (»Er muss schauen, dass er weniger arro­gant erscheint, das kommt in Bremen nicht so gut an«), von Manager Allofs (»Wenn er nicht ver­in­ner­licht, dass wir nur als Gemein­schaft bestehen können, hat er keine Zukunft bei Werder«); selbst die Fans, die außer­ge­wöhn­liche Typen wie ihn doch eigent­lich in ihr Herz schließen sollten, pfiffen den Öster­rei­cher nicht selten aus. Ganz schön viel Dre­sche für einen 21-Jäh­rigen.

Dass Arn­au­tovic auch ziem­lich gut Fuß­ball spielen kann, hat er in Ansätzen bereits gezeigt. Seine Antritte und feinen Über­steiger – das ist ein­fach so – beherr­schen nun einmal nicht so viele Fuß­baller auf dieser Welt. Ent­spre­chend gering ist die Anzahl derer, die ein ähn­li­ches Talent wie Arn­au­tovic besitzen und in der Bun­des­liga ihr Geld ver­dienen. Werder Bremen tut also wei­terhin gut daran, sich an Marko Arn­au­tovic abzu­ar­beiten.

Ver­lo­ckender als alle Fuß­ball-Streber

Warum? Weil allein die Aus­sicht eines von Thomas Schaaf zurecht gebo­genen Genies ver­lo­ckender erscheint, als alle beschei­denen Fuß­ball-Streber dieser Welt. Eine wei­tere Hiobs­bot­schaft haben sie in Bremen aller­dings erst vor wenigen Tagen ver­kraften müssen. Nach dem auf­re­genden 4:4 zwi­schen Öster­reich und Bel­gien prahlte Natio­nal­spieler Arn­au­tovic: »Ich habe keine neue Freundin und ich suche auch keine. Die Frauen laufen mir eh nach!« Was wohl Otto Reh­hagel sagen würde? Nur gut, dass Arn­au­tovic keine langen Haare hat.