Denny Jeske ist einer von tausenden Spielerberatern in Deutschland. Er betreut rund 30 Spieler, vor allem aus der 5. und 6. Liga. Leben kann er davon nicht. Warum macht er weiter?
Es ist ein nasskalter Wintertag, als der Deal im Waldstadion in Ludwigsfelde vollzogen wird. Märkische Idylle, das Areal säumen Kiefern, vor der schmucken Arena stehen die Kleinbusse des Ludwigsfelder Fußball-Clubs, aber nicht alle Bereiche sind im Dezember so gut bestückt wie der Fuhrpark: Nach diversen Abgängen sucht Philipp Karaschewitz, der Sportdirektor des brandenburgischen Traditionsvereins in der Wintertransferperiode dringend Verstärkungen für die Rückrunde in der NOFV Oberliga Nord. Einer der heißesten Kandidaten: Artem Cygankov, 21 Jahre alt, vielseitig einsetzbar, Fünftliga-Erfahrung – und bei Spielerberater Denny Jeske unter Vertrag. Die Verhandlungen befinden sich im Endstadium, am Ende des Ortstermins ist der Wechsel vom Berlinligisten Türkspor vor die Tore der Hauptstadt fix.
Eines von vielen Gesprächen in diesen Wochen – Sportdirektor Karaschewitz hat einige Verhandlungspartner in seinem Büro empfangen. „Da sitzt dir wirklich ein unglaublicher Mix gegenüber“, sagt der 32-Jährige sportliche Strippenzieher des Fünftligisten, „nicht nur Berater, sondern auch Familienangehörige, die die Vertretung übernommen haben oder Freunde des Spielers.“
„Es ist für mich eine Möglichkeit, nach meiner aktiven Laufbahn weiter im Fußballgeschäft tätig zu sein“
Oder eben Berater wie Denny Jeske: Rund 30 Spieler stehen bei dem Mecklenburger laut transfermarkt.de unter Vertrag, vom MSV Neuruppin in der Brandenburgliga bis zum FV Bad Vilbel (Hessenliga) und dem Tus Erndtebrück in in der Oberliga Westfalen: Viele seiner Klienten spielen in der NOFV Oberliga Nord – zwei kicken derzeit sogar in der Nordstaffel der vierten Liga. Das zieht eine Art Dauertournee über die Grounds im norddeutschen Raum nach sich für Denny Jeske, einen Fußballverrückten, den man sich auch mit Schal in jeder Fankurve vorstellen könnte.
„Die Arbeit als Spielerberater macht mir einfach Spaß, es ist für mich eine Möglichkeit, nach meiner aktiven Laufbahn weiter im Fußballgeschäft tätig zu sein“, erklärt der 34-Jährige im schönsten heimatlichen Idiom. „Mir hat das schon immer Spaß gemacht, mich mit Spielern, ihrer Entwicklung und ihren Laufbahnen zu beschäftigen und viele spannende Leute kennenzulernen. Durch meinen früheren sportlichen Leiter, der als Scout tätig war, bin ich in diese Szene reingerutscht, habe mich dafür sehr interessiert und meine Kontakte aufgebaut. Seit vier Jahren bin ich jetzt als Berater tätig, das Netzwerk wächst stetig und damit auch der Aufwand.“
Doch welche formellen und fachlichen Voraussetzungen sind nötig, um als Spielerberater zu arbeiten? „Im Endeffekt keine, man muss sich durchbeißen durch die für Vertragsunterlagen notwendigen Rechtsvorschriften, aber die sollte man natürlich kennen, denn klar kommt es manchmal vor, dass Vereine keine Provision zahlen wollen, dann muss man rechtliche Schritte einleiten“, sagt Jeske. „Insofern sollte man sich einfach mit dieser Materie auskennen.“ Bis 2015 war in Deutschland eine Lizenz notwendig, dieses Zulassungskriterium aber wurde abgeschafft. Rund zehn Prozent des Jahresgehaltes streicht ein Berater als Honorar ein – bei einem geschätzten Salär von 5000 Euro pro Saison für einen Oberliga-Kicker bestenfalls eine Aufwandsentschädigung. Weit entfernt von den Millionen-Provisionen, die Starberater kassieren. Aber moralische Einwände ausgerechnet gegen die Gagen der Vermittler in einer Branche, die von großzügigen Sponsorenzuwendungen und üppigen Budgets der TV-Sender mit Geld vollgepumpt wird, die längst zu einem gigantischen Konsumprodukt ausgewuchert ist, wirken ohnehin bemüht.
„Der Vorteil ist, dass es in meinem sportlichen Terrain nicht um Summen geht, bei denen man in Versuchung gerät, das Geld und nicht den Spieler in den Vordergrund zu rücken“, sagt Jeske. „Das Wohl des Spielers hat Priorität. Ich kann von dem Geld ohnehin nicht leben. Dazu wäre ein Spieler in der ersten oder zweiten Liga notwendig oder mehrere Akteure in Liga drei.“ Laut Vermittlerbericht des Deutschen Fußball-Bundes für die Spielzeit 2017/18 wurden für die Berater in der ersten Bundesliga 197.750.840 Euro Provision gezahlt (zweite Bundesliga: 14.139.624 Euro, dritte Liga: 2.951.079 Euro, Frauen-Bundesliga 238.932 Euro). Anfang Februar 2020 waren beim DFB mehr als 300 Vermittler vorregistriert – die Kosten für den Antrag belaufen sich auf 500 Euro.
„Neben den registrierten Beratern gibt es noch massig welche ohne DFB-Registrierung“, sagt Jeske „Manchmal hat man das Gefühl, jeder Zweite am Spielfeldrand ist einer. In Deutschland tummeln sich aus meiner Sicht die meisten Berater. Vor allem in den großen Städten und in Nordrhein-Westfalen ist die Branche extrem umkämpft, in Brandenburg und den anderen norddeutschen Bundesländern, auf dem platten Land, ist das alles dagegen überschaubar.“