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Fredi Bobic, der VfB Stutt­gart hat den frü­heren Sprinter Tobias Unger als Ath­le­tik­trainer enga­giert. Soll der VfB das schnellste Team Deutsch­lands werden?
Tobias kommt für unsere Jugend­ab­tei­lung. Er bringt unglaub­lich gute Vor­aus­set­zungen mit und ist sehr moti­viert. Wir wollen im Nach­wuchs hier und da neue Wege gehen. Auf­fri­schung und neue Ideen sind immer gut.

Gilt das nicht auch für den gesamten Verein? Im Moment weiß man nicht, wofür der VfB eigent­lich steht.
Das mögen Sie so sehen. Der Verein steht unter anderem für seine sehr gute Nach­wuchs­ar­beit. Wir sind der Klub, der in der Ersten, Zweiten und Dritten Liga die meisten Spieler aus­ge­bildet hat. Das ist Fakt. Natür­lich defi­niert sich ein Verein auch über seine Erfolge. Die hat es auch gegeben, werden aber gerne mal ver­gessen. Wir sind in den letzten elf Jahren neun Mal inter­na­tional dabei gewesen, und in dieser Saison haben wir es wieder geschafft. Das ist Bestän­dig­keit auf hohem Niveau.

Sie sind inter­na­tional dabei, weil Bayern Mün­chen, der Gegner im Pokal­fi­nale, schon für die Cham­pions League qua­li­fi­ziert ist.
Wie du es schaffst, ist egal. Haupt­sache, du schaffst es. Aber ich geben Ihnen in einem recht: Der wich­tigste Indi­kator in der Wahr­neh­mung ist die Bun­des­li­ga­ta­belle. Da sind wir nur Zwölfter geworden. Ein bes­seres Ergebnis haben wir uns zu Beginn der Rück­runde zer­schossen, als wir fünf Mal ver­loren haben. Trotzdem ist die Freude, in Berlin dabei zu sein, sehr groß.

Im Rest des Landes wird eher das Grum­meln rund um den Klub wahr­ge­nommen.
Es wurde sehr viel von Sparen geredet, es wurde von Füh­rungs­pro­blemen geredet und berichtet – der sport­liche Aspekt ist dabei leider ein wenig zu kurz gekommen. Dabei haben sich die Dinge beim VfB über die Jahre hinweg auch positiv ent­wi­ckelt. Aber zum Teil ist der Vor­wurf berech­tigt. Das habe ich auch intern ange­mahnt.

Was meinen Sie?
Der VfB hat den Nach­wuchs viel­leicht ein biss­chen aus den Augen ver­loren, als er erfolg­reich war. Aber das pas­siert vielen Klubs in Deutsch­land. Die Kunst ist es, auf den eigenen Nach­wuchs zu setzen, wenn du erfolg­reich bist. Und sich dann nicht von außen ein­reden zu lassen: Wir müssen jetzt aber mal das ganz große Rad drehen. Die Mischung muss immer stimmen.

Ist das der Fluch der guten Tat?
Seitdem ich Fan des Ver­eins bin, ist es immer das Gleiche gewesen: Wenn die ganz großen Klubs anklopfen, wird der VfB seine Top-Spieler nicht halten können. Ent­schei­dend ist, dass du in sol­chen Situa­tionen der Ver­su­chung wider­stehst, das mit neuen Stars kom­pen­sieren zu wollen. Ange­nommen, man bekommt für einen Spieler 30 Mil­lionen, kauft aber dafür fünf. Dann hast du fünf Gehälter statt einem und musst fünf Ver­trags­lauf­zeiten abschreiben. Das bläst den Ballon ziem­lich auf und schiebt alles nach oben.

Stimmt es, dass der VfB Per­so­nal­kosten von 68 Mil­lionen Euro hatte?
Es geht in die Rich­tung. Als ich ange­fangen habe, haben die Per­so­nal­kosten mehr als 50 Pro­zent des Bud­gets aus­ge­macht. Das ist nicht gesund. Aktuell sind wir bei 42 Pro­zent. Trotzdem haben wir wieder etwas Sub­stanz auf­ge­baut, Europa League gespielt, das Pokal­fi­nale erreicht. Und das mit einem Kader, von dem wir wissen, dass er eigent­lich zu klein war.

Wieso wird das nicht gewür­digt? Haben Sie das nicht aus­rei­chend kom­mu­ni­ziert?
Quatsch! Das haben wir oft genug gesagt. Weil wir auch oft genug darauf ange­spro­chen worden sind. Aber das wird halt dann von dem einen oder anderen als Jam­mern aus­ge­legt. Wir haben selbst auch einen hohen Anspruch, aber eine faire Ein­ord­nung wäre wün­schens­wert. Von uns wird ver­langt, dass wir das Pokal­fi­nale errei­chen, dass wir die Europa League nicht abschenken und in der Bun­des­liga kon­kur­renz­fähig sind. Aber die Bun­des­liga ist ein extrem harter Wett­kampf geworden. Das hat sich in den letzten zehn Jahren dra­ma­tisch ver­än­dert.

Inwie­fern?
Zu meiner Zeit gab es Spiele, die du mit 60, 70 Pro­zent gewonnen hast. Du hast schnell ein Tor gemacht, da war das Ding durch. Heute müssen die Jungs immer an die Grenze gehen, immer. Das Pokal­fi­nale wird unser 52. Spiel in dieser Saison sein. Wenn du Spieler nicht adäquat ersetzen oder ihnen mal eine Pause geben kannst, wird es schwierig. Des­halb wollen wir Quan­tität und Qua­lität erhöhen, damit wir nächstes Jahr kon­stanter sind.

Sie sind in Stutt­gart auf­ge­wachsen. Fällt es Ihnen leichter, mit der Brudd­ler­men­ta­lität, dem Hang zum Nör­geln, klar­zu­kommen?
Absolut. Das gehört ein­fach zum Schwaben. Der brud­delt – und weiß manchmal nicht, warum. Unsere Haupt­tri­büne wird immer kri­tisch sein, viel­leicht kri­ti­scher als alle anderen Haupt­tri­bünen der Repu­blik. Das ist schwer zu ver­stehen, wenn du von außen kommst. Aber wenn du den Schwaben zum Freund hast, hast du ihn fürs ganze Leben. Der Schwabe kann auch ein ange­nehmer Zeit­ge­nosse sein.

Haben Sie Bruno Lab­badia die schwä­bi­sche Men­ta­lität inzwi­schen nahe­ge­bracht?
Er tut sich viel­leicht etwas schwerer damit, weil er nicht hier geboren ist. Aber man muss auch mal sagen: Unter den Bedin­gungen, die er hier bisher hatte, machen das nicht viele mit. Viele Trainer hätten gefor­dert: Ich brauche neue Spieler, sonst gehe ich. Bruno Lab­badia ist unseren Weg mit­ge­gangen – obwohl er weiß, dass er der Erste wäre, der gefeuert wird, wenn es schief­geht. Aber da gibt es keinen Anlass zur Sorge, solange ich sehe, dass die Mann­schaft bedin­gungslos alles gibt. Die Mann­schaft hat 51 Spiele bestritten und trotzdem die meisten Kilo­meter abge­rissen. Das ist kein reines Qua­li­täts­merkmal, aber es ist ein Men­ta­li­täts­merkmal.

Ist Lab­ba­dias Emo­tio­na­lität eher Stärke oder Schwäche?
Jeder ist doch so, wie er ist. Der eine sitzt still auf der Bank. Der andere geht impulsiv an der Sei­ten­linie mit. Man kann das mögen oder nicht. Bruno Lab­badia will sich nicht ver­biegen lassen. Das müsste auch ein Schwabe schätzen: wenn jemand so akri­bisch arbeitet wie er, arbeits­be­sessen ist und gerad­linig seinen Weg geht.

Waren Sie über die legen­däre Wut­rede Ihres Trai­ners im Voraus infor­miert?
Er hatte sie nicht ange­kün­digt, aber mir war klar, dass da was kommt. Von seiner Men­ta­lität her ist Bruno Süd­länder. Wenn sich da einiges ange­staut hat, bricht das irgend­wann durch. Das kann mir auch pas­sieren, ich bin auch Süd­länder.

Fällt es Ihnen schwer, Spieler für den VfB zu begeis­tern, wenn der Ein­druck vor­herrscht, in Stutt­gart wird nur geme­ckert?
Nein. Spieler musst du sport­lich über­zeugen. Kon­stantin Rausch und Daniel Schwaab haben mich Mitte April ange­rufen, um mir mit­zu­teilen, dass sie zu uns kommen. Das war ein paar Tage vor dem Pokal-Halb­fi­nale, als noch nicht klar war, ob wir wieder inter­na­tional spielen. Diese Anrufe haben mich genauso gefreut wie der Sieg im Halb­fi­nale gegen Frei­burg.

Warum?
Es zeigt mir, dass sich die Spieler von dem, was wir ihnen sagen, über­zeugen lassen. Wir wollen, dass Spieler gern zum VfB wech­seln. Das war vor einigen Jahren sicher schwie­riger, da muss­test du sie vor allem mit Geld locken. Aber jetzt sehen sie, was hier ent­steht.

Das hört sich kamp­fes­lustig an.
Der Trainer hat gesagt: Er möchte gerne ernten, was wir gesät haben. Mir geht es ähn­lich. Man kann sich ja angu­cken, welche Zwänge wir hatten. Wir mussten Trans­fer­über­schüsse erzielen, also Sub­stanz ver­kaufen. Trotzdem haben wir inter­na­tional gespielt. Da sind wir stolz drauf. Wir haben die Mann­schaft weit­ge­hend berei­nigt, der letzte Schritt kommt jetzt noch. Wir sind liquide, wir können wieder in Maßen inves­tieren und Qua­lität holen, um uns breiter auf­zu­stellen. Wir haben fünf neue Spieler ver­pflichtet, das gab es zu diesem Zeit­punkt wahr­schein­lich noch nie. Ob das eine Kampf­an­sage ist – nee, wir haben ein­fach Bock darauf, mög­lichst weit vorne dabei zu sein.

Ver­mut­lich haben Sie auch keine Lust mehr, sich ständig recht­fer­tigen zu müssen.
Unser Weg ist anstren­gend und schwierig, aber ich bin mir sicher, dass er richtig ist. Das misst sich nicht an Titeln, son­dern an der Art, wie wir Fuß­ball spielen. Ich möchte, dass der VfB mit dem Selbst­ver­trauen auf­tritt, das er ver­dient. Wir sind eine Nummer im deut­schen Fuß­ball. Und des­wegen freuen wir uns auf das Finale gegen die Bayern, selbst wenn sie im Moment über­mächtig erscheinen. Aber hey, das ist doch geil! 16 Klubs würden gerne mit uns tau­schen.

Ist es Vor- oder Nach­teil, dass die Bayern die Cham­pions League gewonnen haben?
Viel­leicht kommen sie jetzt mit breiter Brust und sagen: Die hauen wir mit links weg – und unter­schätzen uns. Viel­leicht sind sie auch noch fokus­sierter, weil sie das Triple gewinnen wollen. Das Schöne ist doch: Alle sagen, wir haben schon ver­loren. Also ver­su­chen wir ein­fach mal, das Ding umzu­drehen. Natür­lich braucht man den per­fekten Tag, aber Wigan hat neu­lich auch gegen Man­chester City gewonnen.

Karl-Heinz Rum­me­nigge glaubt, Bayern hätte auch mit 1,8 Pro­mille eine Chance.
Das war ein emo­tio­naler Aus­rut­scher, den nehme ich nicht so ernst. So etwas pas­siert nach einem großen Titel­ge­winn.

Es wäre jeden­falls nicht ehren­rührig, in dieser Saison gegen nüch­terne Bayern zu ver­lieren. Fürchten Sie für diesen Fall trotzdem nega­tive Aus­wir­kungen?
Erst mal fahren wir nach Berlin, um zu gewinnen. Aber wir haben auch keine Angst vor den Folgen einer Nie­der­lage. So oft kommt es ja nicht vor, dass der VfB im Pokal­fi­nale steht. Der Stutt­garter weiß das zu schätzen. Es schreien ja nicht umsonst alle: Berlin, Berlin, wir fahren nach Berlin! Dieses Ereignis muss man ein­fach positiv auf­nehmen. Vor einem Jahr war ich mit meinen Töch­tern beim Pokal­fi­nale. Da hab ich mir ganz nor­male Karten besorgt und mir mal in Ruhe das ganze Drum­herum ange­schaut. Das ist Welt­klasse.

Wo haben Sie denn gesessen, unter den Bayern- oder den Dort­mund-Fans?
Da waren mehr Dort­munder um mich rum. Das war schon okay.