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Die Ent­schei­dung, David Wagner am Sonntag zu ent­lassen, beruht auf einem glück­li­chen Zufall. Schließ­lich hatte, als Schalke vor ein­ein­halb Jahren seinen Vor­gänger Dome­nico Tedesco ent­ließ, Ex-Prä­si­dent Josef Schnu­sen­berg am Fol­getag erst einen ganz anderen am Apparat gehabt: Peter Neururer.

Jupp fragte mich, ob ich helfen könne und erzählte mir, was der Klub so alles auf­bauen wolle“, erin­nerte sich Neururer später, der damals auch spontan sein Ein­ver­ständnis gegeben hatte. Nur viel Geld, das wurde dem arri­vierten Trainer klar­ge­macht, könne der stets klamme Klub ihm nicht zahlen. Kein Pro­blem, so der Trai­ner­kan­didat. Die Cham­pions League, schob er ein, dürfe man im Gegenzug aber nicht erwarten. Irri­tierte Replik sei­tens Schnu­sen­berg: Peter, wir reden hier über Wat­ten­scheid. Ich bin da im Auf­sichtsrat.“ Blöd gelaufen.

Auch weil sich also Schalke eines Bes­seren, oder sagen wir mal, Anderen besann und eben David Wagner holte. Statt dass Schnu­sen­berg, der Ex-Prä­si­dent, alle Hebel in Bewe­gung setzte. Denn Neuru­rers Inter­esse, das war nach diesem Tele­fonat ein­deutig, das wäre ja vor­handen gewesen. Nun ist Schalke Letzter. Und es scheint, als würden sich Fehler wie­der­holen.

Bei mir steht seitdem das Telefon nicht mehr still, das Fax­gerät ist über­füllt und ich habe am Montag bis 1 Uhr rum­te­le­fo­niert. Sämt­liche Schalke-Fan­clubs melden sich bei mir“, hatte Peter Neururer gleich zu Wochen­be­ginn aus­richten lassen. Eigent­lich sei er ja gar nicht mehr Trainer, habe sich ver­ab­schiedet, aber für Schalke würde er es nochmal machen. Weil er Mit­glied sei und eine beson­dere Ver­gan­gen­heit mit dem Klub habe, sagt er. Und, das fügte er hinzu, für den 1. FC Köln gelte das auch. Für die beiden Ver­eine eben. Aber in diesem Augen­blick also müsse sich Schalke nur melden.

Es ist das bewährte Spiel des war­tenden Ver­ses­senen. Als vor drei Jahren Arminia Bie­le­feld einen neuen Trainer suchte, sagte Neururer bei Sport1: Ich bekomme stünd­lich Anrufe aus dem Umfeld von Arminia, ob ich Inter­esse hätte, den Klub zu trai­nieren. Klar hätte ich Inter­esse.“ Die Fans schon im Rücken, eigent­lich sei alles klar, Peter der Große – immer am Apparat. Han­nover 96? Gute Gespräche. 1860? Immer inter­es­sant. Schalke 04? Genau mein Ding. Auch wenn es am Ende nur Wat­ten­scheid wurde.

Genau dort, auf Schalke, hat es einen neuen Trainer gebraucht. Dabei ist die Not weit größer als beim letzten Mal, vor ein­ein­halb Jahren, als erst Huub Ste­vens und Mike Büs­kens über­nommen und den Verein vor dem Abstieg bewahrt hatten, ehe dann David Wagner eine neue Epoche des Schalker Fuß­balls ein­leiten sollte. Diesmal ist Schalke 04 so der­maßen pleite, dass es Bürg­schaften vom Land NRW braucht, Spieler nicht mehr mit Gehäl­tern son­dern Boni-Zah­lungen gelockt werden – und der ehe­ma­lige, ein­fluss­reiche Auf­sichts­rats­chef Cle­mens Tön­nies ist auch weg. Zuletzt war der nur noch durch Ras­sismus- und Hygie­ne­skan­dale auf­ge­fallen. Wer hätte es richten sollen?

Aus ein biss­chen Scheiße Gold zu machen, ist das Port­folio von Peter Neururer. Oder wie Jour­na­list Ben Rede­lings immer mal wieder die Worte eines VfL-Bochum-Spie­lers zitiert: Der holt dich zu sich und erzählt dir eine halbe Stunde lang, was für ein über­ra­gender Fuß­baller du bist. Stärken ohne Ende hät­test du. Wenn das so weiter geht, und er wüsste bei bestem Willen keinen Grund, warum nicht, sei die Natio­nal­mann­schaft nur noch eine Frage von Stunden, maximal Tagen. Du gehst von ihm weg und glaubst tat­säch­lich, dass du einer der ganz Großen bist – im deut­schen Fuß­ball ohnehin und eigent­lich auch im Welt­fuß­ball. In dem Bewusst­sein spielst du dann in den kom­menden Wochen…“ Unge­wiss, ob das beim FC Schalke im Jahr 2020 funk­tio­niert hätte, aber Nabil Ben­taleb.

Dass sich Neururer im fra­gilen Ver­eins­ge­bilde um Sport­vor­stand Jochen Schneider nicht hätte behaupten können? Der Mann hat unter Martin Kind in Han­nover gedient, hat auf Schalke für Günter Eich­berg gear­beitet, er hat drei Jahre lang das VDV-Pro­fi­camp der arbeits­losen Ver­trags­fuß­baller geleitet. Kurzum und kaum zu glauben: Er hat schon schlim­meres gesehen. Dass der Fuß­ball­lehrer von 1987 die Methoden des modernen Fuß­balls nicht mehr beherrscht? Nicht umsonst betonen die Bun­des­li­ga­trainer von heute die Bedeu­tung eines guten Trai­ner­teams, 11FREUNDE zeichnet jedes Jahr das beste Trai­ner­team der Bun­des­liga aus, unter Neururer könnten Taktik- und Trai­nings­experten in Ruhe arbeiten (zum Bei­spiel: Manuel Baum). Und dass Neururer, Peter der Große, nur für Unruhe gesorgt, unnötig viel Auf­merk­sam­keit auf sich gelenkt hätte? Nun, nach Anblick der ersten beiden Schalker Spiele ist wohl unbe­stritten, dass es der Mann­schaft nicht schadet, wenn sich die Blicke woan­ders hin richten.

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So fing alles an: Peter Neururer (unten links) – leicht gelang­weilt – beim DFB-Trai­ner­lehr­gang. Schon damals mit am Start: der unver­kenn­bare Schnäuzer.

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Nach ersten Sta­tionen bei TuS Hal­tern und West­falia Weitmar über­nimmt er 1987 beim Tabel­len­letzten der 2. Liga, Rot-Weiss Essen, das Trai­neramt von Horst Hru­besch.

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Doch schon nach neun Spielen geht es weiter zum Liga­kon­kur­renten Ale­mannia Aachen. Da kann man sich schonmal eins grinsen.

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Wissen nur wenige: Der frühe Peter Neururer war die Vor­lage für Kalle Gra­bowski in Bang Boom Bang“.

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Hier der Beweis: Neururer und Gra­bowski-Dar­steller Ralf Richter gehen noch einmal die wich­tigsten Szenen durch.

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Von Aachen geht es für Neururer zu Schalke 04, wo er min­des­tens genauso lässig sitzt wie seine Bal­lon­seide.

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Also wirk­lich so richtig lässig.

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Obwohl er die Schalker vor dem Abstieg rettet und anschlie­ßend auf den zweiten Tabel­len­platz der 2. Liga führt, ent­lässt ihn Son­nen­könig“ Günter Eich­berg im Oktober 1990. Als nächstes geht es zu Hertha BSC in die Bun­des­liga, wo Neururer Team­leiter Nello di Mar­tino unauf­fällig zeigt, was er so von ihm hält.

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Pass ma auf do!“ Man bekommt Peter Neururer aus dem Ruhr­ge­biet, aber nicht das Ruhr­ge­biet aus Peter Neururer.

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Wenn sich Peter Neururer heute so in Berlin auf eine Bank setzte – er fiele nicht auf.

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Mit dem 1. FC Saar­brü­cken steigt Neururer 1992 in die Bun­des­liga auf.

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Da kann man schonmal schmun­zeln.

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Oder sich eine lus­tige Mütze auf­setzen.

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Dabei muss er seine Haar­pracht doch nicht ver­ste­cken!

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Nach dem Erfolg mit den Saar­brü­ckern steht das Telefon nicht still. Alle wollen sie Peter den Großen. Der erar­beitet sich in den Neun­zi­gern mit diversen Kurz­ein­sätzen seinen Ruf als Feu­er­wehr­mann.

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Deut­sche Erlöser von Rio. Hier jetzt schon in Diensten von Han­nover 96.

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Komm, hör auf do!“ – Auch als Trainer ist Peter Neururer immer Fan geblieben. Selbst­ver­ständ­lich auch beim 1. FC Köln.

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Beim FC stellt Neururer seine Fle­xi­bi­lität unter Beweis.

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Vor allem…

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… was die Spon­soren auf seinem Hemd­kragen angeht.

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Von wem wird Neururer hier gerade gespon­sert? Wir können es nicht so genau erkennen.

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Auch Oliver Kahn und Lothar Mat­thäus wissen: der Platz in der Mitte ist für die größten Legenden reser­viert.

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Who wore it better?

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Was wenige wissen: Das mit dem Tanzen, das fing schon in Köln an!

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In Offen­bach setzt Neururer als erste Maß­nahme auf der Bank erst einmal die Schnurr­bart-Pflicht durch. Co-Trainer Werner Kas­pers gehorcht.

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Auch im neuen Jahr­tau­send ist die Läs­sig­keit Neuru­rers ste­tiger Begleiter. Auch in Ahlen.

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Nir­gendwo hält es Neururer länger als zwei Jahre aus. Bis, ja bis er 2001 beim VfL Bochum unter­schreibt.

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Dort gelingt auf Anhieb der Auf­stieg in die Bun­des­liga.

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Gute Laune allent­halben ist die logi­sche Folge.

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Zumal der VfL zu Beginn der neuen Saison zwi­schen­zeit­lich sogar an der Tabel­len­spitze steht.

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Da gewährt man auch schonmal dem Gegner groß­zügig Schutz.

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Klar, das mit der Läs­sig­keit, das funk­tio­niert auch in Bochum.

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Läs­sige Ziga­rette zwi­schen­durch mit Heri­bert Bruch­hagen.

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Lustig: Neuru­rers Kra­watte.

Gar nicht nach lustig: Peter Neururer.

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Biss­chen lustig: Neururer guckt Ärsche.

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Die Saison 2003/04 soll Neuru­rers erfolg­reichste werden.

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Am Ende der Spiel­zeit führt er die Bochumer auf Platz 5 und damit in den UEFA-Cup.

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Der Neururer-Shuffle ist geboren. Oder wie er selbst sagt: Break­dance für Arme“.

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Und der Schnörres kommt ab!

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Wächst ja zum Glück schnell wieder nach. Alles easy.

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Peter Neururer auf der inter­na­tio­nalen Bühne.

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Doch da kas­siert der VfL in der Nach­spiel­zeit des Rück­spiels gegen Lüt­tich einen Gegen­treffer, nachdem Edu über den Ball säbelt. Die Bochumer ver­passen den Sprung in die Grup­pen­phase.

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Auch der Rest der Saison ist zum Ver­zwei­feln. Die Bochumer ste­cken im Abstiegs­kampf, die Fans for­dern das Ende von Peter­chens Tal­fahrt“.

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Aber: Nie­mand ver­zwei­felt so schön wie Peter Neururer. Beweis­stück A.

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Beweis­stück B.

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Beweis­stück C.

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Beweis­stück D.

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Als der VfL am Ende der Saison 2004/05 absteigt, ist für Neururer dann nach vier Jahren Schluss an der Cas­troper Straße.

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Im November heuert er ein zweites Mal bei Han­nover 96 an – in sta­biler Rus­sen­hocke.

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Aber so richtig läuft’s weder bei Han­nover…

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… noch beim MSV Duis­burg.

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Es folgt: Arbeits­lo­sig­keit. Zum ersten Mal in seiner Kar­riere bleibt Neururer über län­gere Zeit ohne Trai­nerjob. Da bleibt mehr Zeit für Hobbys. Por­sche fahren zum Bei­spiel.

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Oder Golfen.

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Oder Modeln.

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Oder Sau­nieren. Mit Fuß­ball. Und Box­hand­schuhen. Und Box­hand­schuhen?!

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Oder Reden. Seit der Saison 2012/2013 ist er als Experte bei Sport1 tätig.

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Beim VfL Bochum hin­gegen läuft es mal wieder nicht so dolle. Die Fans sehnen sich nach den alten Zeiten zurück.

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Und tat­säch­lich: Ihre Gebete werden erhört. Am 8. April 2013 über­nimmt der Mes­sias den akut vom Abstieg aus der 2. Liga gefähr­deten VfL ein zweites Mal.

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Und holt gleich mal vier Siege aus den ersten vier Spielen.

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Nach Jahren sorgt Neururer mal wieder für so etwas wie Euphorie in Bochum.

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Unter dem neuen Hoff­nungs­träger ist das Ruhr­sta­dion zum über­haupt erst zweiten Mal in der Ver­eins­ge­schichte bei einem Zweit­liga-Heim­spiel aus­ver­kauft.

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Tat­säch­lich packt die Mann­schaft den Klas­sen­er­halt. Zur Beloh­nung gibt’s blau-weiße Haare. Und Neururer träumt schon vom ganz großen Wurf.

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Doch es folgt erst einmal nur der Raus­wurf. Weil Neururer sich in einem Streit zwi­schen Tor­wart Andreas Luthe und dem Vor­stand öffent­lich auf die Seite seines Kapi­täns schlägt, setzt ihn der Klub im Dezember 2014 wegen ver­ein­schä­di­genden Ver­hal­tens“ vor die Tür.

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Einen Job als Ver­eins­trainer erhält er danach nicht mehr. Statt­dessen heuert im März 2019 über­ra­schend als Sport­di­rektor beim Regio­nal­li­gisten Wat­ten­scheid 09 an. Doch der Verein ist pleite, muss wenig später Insol­venz anmelden. Im Nach­hinein bezeichnet Neururer sein Enga­ge­ment an der Lohr­heide als schlimmsten Fehler meiner Kar­riere“.

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Aber mit sol­chem Ärger wollen wir hier nicht abschließen. Statt­dessen mit einem Neururer-Zitat: Wenn wir ein Quiz machen würden unter den Trai­nern in Deutsch­land, wer am meisten Ahnung hat von Trai­nings­lehre, Psy­cho­logie, und der Trainer mit den besten Ergeb­nissen kriegt den besten Klub – dann wäre ich bald bei Real Madrid.“ Nun ja, Real Madrid ist es dann nicht mehr geworden, aber auch so kann Peter Neururer auf eine ereig­nis­reiche Kar­riere zurück­bli­cken. Glück­wunsch dazu! Und zum 65. Geburtstag, natür­lich!

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Bei all diesen Argu­menten ist es schon über­ra­schend, dass sich die Schalker Ver­ant­wort­li­chen für Manuel Baum, also einen anderen ent­schieden haben. Mal wieder. Es heißt, an den neuen Trainer sei auch das Schicksal von Jochen Schneider und Kader­planer Michael Reschke geknüpft. Dabei lautet die Regel des Geschäfts, dass es irgend­wann sowieso zur häss­li­chen Tren­nung kommen wird. Oder im Fall von Peter Neururer und seiner hoch­selbst­be­wussten Spie­lern: „… In dem Bewusst­sein spielst du dann in den kom­menden Wochen. Bis zu dem Tag, an dem du dich zu wun­dern beginnst, warum eigent­lich noch nicht Real Madrid oder wenigs­tens der FC Bar­ce­lona bei dir ange­rufen hat. Ab diesem Moment fängst du an nach­zu­denken. Stimmt das eigent­lich, was der Coach da über dich gesagt hat? Bist du wirk­lich so ein über­ra­gender Fuß­baller? Und kaum, dass du dich ver­siehst, zwei­felst du unbe­wusst an den Worten deines Trai­ners. Und irgend­wann ist es dann vorbei!“

Der Plan: Höchs­tens ein Jahr

Das frühe Ende wäre also vor­pro­gram­miert gewesen. Dann wäre er mit erho­benem Haupt gegangen, nach dem Klas­sen­er­halt und der Erfül­lung seines Ret­tungs­auf­trags. Neururer, der Feu­er­wehr­mann, den Helm abneh­mend, nach dem 34. Spieltag den Fans win­kend, am Ende seiner letzten Mis­sion.

Das hätte man sich schon vor­stellen können. Statt­dessen: Manuel Baum. Was eine gute Nach­richt ist – und sei es nur für den 1. FC Köln. Sie müssen ja nur anrufen. Das Fax­gerät ist über­füllt.