Weil sich spielentscheidende Fehler häuften, zog Shkodran Mustafi den Unmut zahlreicher Arsenal-Fans auf sich. Beim Londoner Derby gegen Chelsea patzte der Innenverteidiger nun erneut. Nur wenige Tage zuvor offenbarte der 27 Jährige, in welchem Dilemma er steckt.
Da stand er also an der Strafraumgrenze des FC Arsenal – tief schnaufend und mit leerem Blick. Während Chelseas Jorginho Keeper Bernd Leno bei seinem Strafstoß keine Chance ließ, wandte sich Mustafi von seinem Torwart ab, den Blick kopfschüttelnd in Richtung Mittelkreis gerichtet. Es war ihm schon wieder passiert. Schon wieder hatte er gepatzt. Selten wirkten Blicke eines Spielers so leiderfüllt wie die von Mustafi in den Sekunden nach dem Führungstreffer der Blues. Das Unglück Mustafis, seine Wut und Resignation schienen greifbarer als je zuvor.
Denn das Spiel gegen Chelsea war erst die vierte Partie, die der 27-Jährige in dieser Saison von Beginn an bestreiten durfte. Mit dem überraschenden Startelfeinsatz bot sich dem Weltmeister von 2014 die Chance, sich in Anbetracht der Verletzungsprobleme in der Innenverteidigung des Tabellenzehnten für weitere Einsätze zu empfehlen. Doch bereits in der 26 Minute war dieses Vorhaben gescheitert.
„Mustafi awful Player”
Nach einem Befreiungsschlag der Blues geriet der Rückpass des Innenverteidigers auf seinen Landsmann im Tor deutlich zu kurz. Für den durchlaufenden Tammy Abraham, der elegant den Schlussmann der Gunners umkurvte, schien der Treffer nur noch Formsache. Doch ehe der junge Engländer ins leere Arsenal-Tor einschieben konnte, wurde er von Mustafis Innenverteidiger-Kollegen David Luiz regelwidrig daran gehindert. Rot. Elfmeter. 64 Minuten Unterzahl im Londoner Derby für den FC Arsenal.
Wegen spielentscheidender Fehler wie dem am Dienstagabend entwickelte sich Mustafi in den letzten anderthalb Jahren für einige Fans des FC Arsenal zur regelrechten Hassfigur. Während von den meisten Fußballprofis zahlreiche Highlight-Videos existieren, in denen sich Ausschnitte ihres Könnens bewundert lassen, tragen die beiden Clips mit den meisten Aufrufen (1,9 Millionen) unter dem Suchwort „Mustafi” die Titel: „This is why Shkodran Mustafi MUST LEAVE Arsenal” und „Mustafi awful Player”. In den teilweise zehn Minuten langen Videos sind reihenweise teils katastrophale Defensivfehler des Verteidigers zu sehen.
Wie kaum ein anderer Spieler eines europäischen Topklubs bekam der Weltmeister, der 2016 mit großen Hoffnungen von Valencia nach London wechselte, in den vergangenen Monaten die Härte und Erbarmungslosigkeit des Internets zu spüren.
Und so scheint es wenig verwunderlich, dass die zahlreichen Anfeindungen in den vergangenen Monaten nicht spurlos am ehemaligen deutschen Nationalspieler vorbeizogen. Wie sehr ihm dieser Umstand zu schaffen macht, offenbarte Mustafi vor wenigen Tagen. Gemeinsam mit seinem Klub wählte er dabei einen bemerkenswerten Schritt, um seinen Kritikern entgegenzutreten. In einem fünfminütigen Video, in dem ebenfalls zahlreiche Fehler Mustafis zu sehen sind, macht Mustafi das, was nur wenige im Fußballgeschäft wagen – er zeigt vermeintliche Schwäche. „Aufgrund der sozialen Medien ist es dieser Tage schwer, mit gewissen Dingen umzugehen. Du liest Kommentare, die dir nicht gefallen und dann musst du rausgehen und spielen. Aber du hast diese Worte im Kopf. Du kannst sie nicht vergessen. Sobald du sie einmal gelesen hast, sind sie da.”
Die Worte, mit denen Mustafi schonungslos die Schattenseiten des Fußball und den erbarmungslosen Umgang mit Spielern offenlegt, lassen nur erahnen, was in den vergangenen Monaten im Kopf des Innenverteidigers vorging. „Ich habe mich in den letzten Wochen sehr darauf fokussiert und konzentriert, keinen Fehler zu machen und das Selbstvertrauen zurück zu gewinnen, das ich einst hatte, als ich hier ankam.” Ein Ringen mit sich selbst, das in Anbetracht der immer wiederkehrenden Fehler wie ein Versuch wirkt, den endlosen Teufelskreis zu durchbrechen.
Auch TV-Experte und Ex-Gunners Star Martin Keown stellte nach dem erneuten Patzer Mustafis gegen Chelsea fest, dass die mentale Belastung die Ursache sein könnte: „Man kann seine Angst riechen. Wenn er den Ball bekommte, wenn er verteidigt, denkt er daran einen Fehler zu machen – und er macht ihn.”
Immerhin sorgte Hector Bellerin im Londoner Derby für einen vergleichsweise versöhnlichen Ausgang. Denn nachdem die Blues in der 84. Spielminute in Überzahl erneut in Führung gingen, fasste sich der Rechtsverteidiger mit einem satten Linksschuss schließlich ein Herz und traf noch zum 2:2‑Endstand. Ein Umstand, der seinen deutschen Teamkollegen, der ansonsten übrigens eine tadellose Partie abgeliefert hatte, möglicherweise etwas besser schlafen ließ. Doch während sich die Gunners noch über den glücklichen Punktgewinn freuten, brauten sich in den sozialen Netzwerken schon wieder Spott, Häme und Unmutsbekundungen über die Leistung Mustafis zusammen.