Er ist der heimliche Star bei Real Madrid. Luka Modric gibt den Rhythmus vor und sorgt dafür, dass Cristiano Ronaldo und Gareth Bale glänzen.
Die Stimme leise, der Blick schüchtern, im Vokabular limitiert, so gab Luka Modric seine ersten Interviews in Spanien. Kein Wunder. Land, Kultur und Sprache waren ihm fremd, als er kurz vor dem Ende der Sommertransferperiode im August 2012 von Tottenham Hotspur zu Real Madrid wechselte. Und dann war da in Person von José Mourinho auch noch ein Trainer, der recht klar zum Ausdruck brachte, dass er erst einmal auf andere Spieler setzen werde. Es dauerte, ehe Mourinho ihn in der Rückrunde dann häufiger einsetzte. Eine Situation, die Modric aus London nicht kannte. Bei Tottenham war er derjenige, um den sich alles drehte. The center of attention. Der Star. Und nun: Nicht mal ein Sternchen in der Galaxie der Galaktischen.
Sie nennen ihn „das Pony“
Seitdem sind gut anderthalb Jahre vergangen und wer Modric während seiner Anfangszeit in Madrid verfolgt hat, kann kaum glauben, dass es sich um ein und dieselbe Person handelt.
Die Stimme laut und kraftvoll, in perfektem Spanisch, so tritt der Kroate nun, mittlerweile 28 Jahre alt, vor die Kamera. Er ist zurück in seiner natürlichen Rolle des Anführers.
Dabei haben ihm seine Mitspieler einen Spitznamen gegeben, der so gar nicht zu einem Chef passen will: Sie nennen Modric „el pony“, das Pony. Wegen seiner gedrungenen Statur von nur 1,72 Meter und seinen langen Haaren, die bei jedem Sprint wehen wie eine wilde Mähne. Um die 35 Millionen Euro hat Real Madrid 2012 für Modric nach London überwiesen. Gemessen an den knapp 200 Millionen Euro, die allein Cristiano Ronaldo und Gareth Bale gekostet haben, wirkt Modric tatsächlich wie ein Pony unter Araberhengsten. Nur galoppiert die Herde inzwischen nach dem Takt des Ponys.
Ancelotti erklärte, Modric gehorchte, Real gewann
Luka Modric hat sich in den vergangenen Monaten zum Schlüsselspieler für Real Madrid entwickelt. In einer Phase, in der ihn Trainer Carlo Ancelotti am meisten brauchte. Weil sich zuerst Xabi Alonso schwer verletzte und als der gerade wieder fit war, erwischte es Sami Khedira. Kreuzbandriss, monatelange Pause. So kam Ancelotti nie in den Genuss, seine Wunschformation aufs Feld schicken zu können. Die hätte Modric vor Khedira und Alonso in der zentralen offensiven Mittelfeldrolle vorgesehen. So offensiv wie eigentlich geplant durfte Modric aber nicht spielen. Weil Ancelotti neben den Verletzungen von Alonso und Khedira auch schnell erkannte, dass Ronaldo, Bale und Karim Benzema nur marginal in der Rückwärtsbewegung zu gebrauchen sind. Als Ersatz für Alonso beziehungsweise Khedira entschied sich der Trainer für den ebenfalls offensiv ausgerichteten Angel di Maria. Jedoch nicht, ehe vorher mit Modric gesprochen zu haben. Ancelotti machte ihm klar, wie wichtig es sein werde, dass er nicht zu offensiv agiere und die Position halte. Weil das von di Maria nicht zu erwarten war. Modric gehorchte, er interpretiert seine Rolle seitdem als eine Mischung zwischen Sechser und Achter. Vor Alonso, versetzt zu Angel di Maria.
In Spanien wurde Ancelottis Idee zuerst mit Skepsis betrachtet. Modric, di Maria, Ronaldo, Bale und Benzema, fünf offensiv denkende Spieler – das sei kein Risiko, sondern Harakiri. Und doch ging es gut. Wegen Modric. Der gab den Ball einfach nicht her, ihm unterlief so gut wie nie ein Fehler im Aufbauspiel. Der Gegner kam gar nicht zum kontern. Real blieb wettbewerbsübergreifend 31 Spiele lang ungeschlagen – die zweilängste Serie der Vereinsgeschichte.
Modrics Vorteil gegenüber Özil
Nach dem Abgang von Mesut Özil hat sich der kroatische Nationalspieler zum Ideengeber und heimlichen Chef im Spiel von Madrid aufgeschwungen. Im Gegensatz zu Özil verfügt Modric über eine Fähigkeit, die der Deutsche in dieser Ausprägung nicht besitzt: Er kann den Rhythmus eines Spiels nach Belieben verändern. Es schnell machen, wenn es an Tempo mangelt und es beruhigen, wenn um ihn herum alles im Chaos zu versinken droht. Auch deshalb entschied sich Ancelotti im Sommer, Özil an Arsenal abzugeben. Er hielt Modric etwas geeigneter für sein System.
Ancelotti schwärmt von seinem passsicheren Mittelfeldspieler, dessen Zuspiele scheinbar immer ankommen und dessen Tempodribblings kaum zu stoppen sind. „Er hat eine fantastische Fähigkeiten, den Ball nach vorn zu treiben“, sagt Madrids Trainer.
„Er entscheidet, wie wir spielen“
Die meiste Aufmerksamkeit genießen natürlich immer noch Ronaldo und Bale. Die beiden bilden derzeit die wohl beste Flügelzange der Welt. Kaum ein Spiel, in dem nicht mindestens einer von ihnen trifft. So wie beim 3:0‑Erfolg im Hinspiel gegen Borussia Dortmund. Ein Tor Ronaldo, ein Tor Bale. Oder gegen Schalke 04. Ronaldo hat in dieser Saison schon 14 Mal getroffen, heute im Rückspiel in Dortmund könnte er mit einem weiteren Tor einen neuen Rekord in der Champions League aufstellen. Bale kommt immerhin auf fünf Tore. Beeindruckende Zahlen, die auch mit Modric zu tun haben. Ronaldo sagt: „Modric entscheidet, wie wir spielen.“
Mehr Lob ist aus dem Mund des Weltfußballers kaum möglich.