Krieg im Supermarkt und Training auf der Dachterrasse. Der Berliner Max Barnofsky ist Fußballprofi in Italien – und seit einer Woche in Quarantäne.
Der gebürtige Berliner Max Barnofsky, 25, begann seine Profikarriere beim Halleschen FC. 2018 wechselte er zum italienischen Zweitligisten FC Carpi. Aktuell spielt er bei der AC Gozzano, einem Drittligaklub aus einer 5000-Einwohner-Gemeinde etwa 40 Autominuten westlich von Mailand.
Ende Februar, kurz bevor Norditalien isoliert wurde, flog Barnofsky ins 1000 Kilometer südlich gelegene Reggio Calabria, um dort eine Reha zu machen. Er bekam aus der Ferne mit, wie Spiele abgesagt wurden und seine Mitspieler in Quarantäne kamen. Also blieb er in Kalabrien. Aber nun ist es auch dort nicht mehr sicher. Barnofsky verlässt kaum noch die Wohnung.
Max Barnofsky, was vermissen Sie am meisten?
Dieses Gefühl, wenn man nach dem Training nach Hause kommt. Erschöpft, aber vor allem glücklich.
Sie vermissen den Fußball.
Mein Hobby, meine Sucht. So wie für den Raucher die Zigarette. Der Unterschied: Der Raucher kann trotz Corona weiterrauchen.
Können Sie denn momentan trainieren?
Wir haben den Luxus, dass auf unserem Haus eine Dachterrasse ist, da trainiere ich täglich. Wir haben ein paar Übungen zugeschickt bekommen, weniger mit dem Ball, eher Stabilitätssachen. Ich dürfte als Profisportler auch draußen laufen gehen oder sogar zum Strand, aber das mache ich nicht. Jeder sollte verantwortungsbewusst sein und so wenig wie möglich rausgehen.
Wie verbringen Sie sonst Ihre Tage?
Wir sind hier zu viert: meine Freundin, ihr Bruder, ihre Mutter und ich. Dazu ein paar Tiere, Hund, Vogel, Kaninchen. Ich bin also nicht alleine. Wir spielen Karten und haben viel Zeit zum Reden. Das ist das Gute an der momentanen Situation: Man spricht über Dinge, die man sonst als eher unwichtig erachtet hat. Jugend, Kindheit, so was eben.
„Vielleicht fühlt sich so ein Flüchtling, der aus einem Kriegsgebiet flieht“
Über was denken Sie nach?
Wie sich das hier anfühlt. Wie in einem schlechten Film, dachte ich mal. Oder wie unschuldig im Gefängnis zu sein. Manchmal denke ich auch: Vielleicht fühlt sich so ein Flüchtling, der aus einem Kriegsgebiet flieht. Du bist eingesperrt. Du würdest gerne unter Leute gehen, kannst es aber nicht. Und auf der Straße wirst du sofort von der Polizei angehalten. Was willst du hier? Wer bist du? Wo bist du geboren? Wo warst du in letzter Zeit? Ausweis!
Beschreiben Sie mal die vergangenen Wochen.
Bis Mitte Februar war alles noch einigermaßen normal. Wir spielten gegen Pianese. Eine Woche später stellte sich dann heraus, dass deren Stürmer das Corona-Virus hat. Es folgten Panik und Chaos. Viel Unwissen und Halbwissen. Die Zahlen haben einen richtig schwindelig gemacht. Mal las man, dass 50 Menschen gestorben sind, dann waren es 100, dann 1000. Dann schrieb jemand von einer Sterberate von 30 Prozent, dann wurde das widerlegt. Leute posteten dubiose News von Facebook, man wurde von allen Seiten bombardiert. Es war nicht einfach, den Überblick zu behalten. Dann wurden die ersten Spiele in der Serie A abgesagt, danach die Partien in der zweiten Liga und schließlich in der dritten Liga.
Ende Februar wurde Norditalien isoliert. Wie sind Sie nach Reggio Calabria gekommen?
Ich bin zwei Tage zuvor geflogen – ohne eine Ahnung, dass es so kommen würde. Ich bin seit November verletzt und wollte in Kalabrien mit einem Physiotherapeuten eine Reha beginnen. Seitdem bin ich täglich mit meinen Mitspielern in Kontakt. Sie wurden alle negativ getestet, trotzdem sind sie in häuslicher Quarantäne. Die meisten wohnen und trainieren jetzt in einem abgeschotteten Gebäudekomplex.
Wie oft gehen Sie noch vor die Tür?
Eigentlich nur zum Einkaufen. Ich habe dafür eine Bescheinigung, die ich vorzeigen muss. Wenn man ohne erwischt wird, drohen Strafen: ab 200 Euro bis drei Monate Haft. Das ist wirklich rigoros, aber vermutlich richtig. Gestern stand ich mal zehn Minuten an der Hauptstraße. Es sind genau sieben Fahrzeuge vorbeigekommen – fünf davon waren Militär oder Polizei. Gespenstisch und surreal. Wenn ich meiner Schwester davon berichte, kann sie das gar nicht glauben. Vielleicht liegt es daran, dass sie in Berlin lebt, einer Weltstadt, die vor nichts Angst hat.
Haben Sie Angst?
Die Ärzte haben gesagt, dass Profisportler nicht zur Risikogruppe gehören. Angst habe ich eher um ältere Menschen. In Italien ist es ja üblich, dass man mit mehreren Generationen unter einem Dach lebt. So machen es auch einige Mitspieler, die mit Eltern, Großeltern und Geschwistern zusammenleben. Das ist einerseits sehr schön, andererseits macht man sich deshalb auch Sorgen.