Pep gegen den Rest der Welt, deutsche Pressingmonster und die Erfindung der Torwartkette. Die Taktiktrends 2015 hatten es in sich.
Der FC Bayern München ist ein blauer Ozean. Zu dieser schrägen Behauptung gelangt man, wenn man die Wirtschaftstheorien von W. Chan Kim und Renée Mauborgne auf den Fußball anwendet. Kim und Mauborgne glauben herausgefunden zu haben, dass es zwei Wege gibt, in der Wirtschaft erfolgreich zu sein: Entweder man wirft sich in den Konkurrenzkampf mit anderen Wettbewerbern, die sich wie Fische gegenseitig zerfleischen („Red Ocean“). Oder man schafft selbst neue Geschäftsfelder, indem man mit Innovationen neue Märkte erschafft („Blue Ocean“). Ihre Theorie erklärt, warum Apple einen Milliardenmarkt erschaffen konnte mit Produkten, von denen niemand ahnte, dass sie eigentlich gebraucht werden.
Der Fußball, ohnehin anfällig für das Corporate-Neudeutsch der Business-Logen, hat die „Blue Ocean Stratege“ auch verinnerlicht – zumindest auf dem Platz. Denn nur so lässt sich erklären, warum die Taktikinnovationen des Jahres 2015 allesamt bei den multinationalen Großunternehmen der Fußballwelt stattfanden. Die Spitzenteams der Welt haben inzwischen nicht nur das Geld, sondern auch die Ideen.
Peps Formationen – wie ein Telefonbuch einer deutschen Kleinstadt
Pep Guardiola etwa hat beim FC Bayern so einen „blauen Ozean“ erschaffen, indem er die feste Formation praktisch abgeschafft hat und sich von Spiel zu Spiel dem Gegner anpasst. Selbst die unvollständige Liste der Formationen, die Guardiola bereits in München spielen ließ, liest sich wie das Telefonbuch einer deutschen Kleinstadt: 3−4−3, 3−5−2, 3−6−1, 4−3−3, 4−2−3−1, 4−3−1−2, 4−1−3−2. Seine Grundidee bei diesem ewigen Wechselspiel: Die Stärken des Gegners neutralisieren, dessen Schwächen nutzen.
Guardiolas großes Bayern-Trauma ist bisher, dass seine Ideen in 48 von 50 Saisonspielen aufgehen – nur im Champions-League-Halbfinale nicht. Seine kuriose Idee, beim Hinspiel in Barcelona vollends auf Manndeckung zu setzen, korrigierte er zwar nach fünfzehn Minuten, anschließend fanden die Bayern aber nie ins Spiel zurück. Im Vorjahr, beim desaströsen 0:4 gegen Real Madrid im eigenen Stadion, hatte er sich von seinen Spielern zu einem 4−2−4 überreden lassen.
Barcelona – ironischerweise der Gegenentwurf zu Peps Philosophie
Ironischerweise stellt Peps Ex-Klub Barcelona den Gegenentwurf zu dieser Philosophie. Luiz Enrique gewann das Triple mit einem perfekt abgestimmten 4 – 3‑3-System. Jede Position war fest besetzt, Abwandlungen gab es praktisch nicht, weder in personeller Hinsicht noch in taktischer. Barcelona perfektionierte das eigene Spiel und passte es an die eigenen Spieler an. Messi brillierte in der Rolle des Rechtsaußen, der keiner war, sondern alle Freiheiten genoss und aus dem Zentrum heraus Luiz Suarez und Neymar bediente.
Barcelonas Dreiersturm, in Spanien bekannt als tridente, könnte man als Einzelfall, als historisch einmalige Offensive abhaken, deren Mechanismen schlicht nicht zu kopieren sind. Allerdings haben bereits in den vergangenen Jahren Teams die Champions League gewonnen, die nicht auf Rotation, sondern auf die perfekte Einbindung ihrer Spitzenspieler setzten. 2014 dreht sich Real Madrids Taktik fast ausschließlich um die Frage, wie man den Ball zu Cristiano Ronaldo bekommt. 2013 perfektionierte Jupp Heynckes das 4 – 2‑3 – 1‑System mit seinen Flügelspielern Robben und Ribery. Nur mit Eingespieltheit gewinnt man den Henkelpott, so scheint es. Guardiola will beweisen, dass das nicht stimmt.