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Gut mög­lich, dass Chinas Fuß­ball­fans in Kürze einem 18-Jäh­rigen sehr dankbar sein werden. Marcus Rash­ford schoss jüngst vier Tore für Man­chester United, dar­unter zwei in seinem ersten Pre­mier- League-Spiel gegen Arsenal, und stieg damit inner­halb einer Woche zur hei­ßesten Zukunfts­op­tion seines Klubs auf.

Auf einmal wollen viele bri­ti­sche United-Fans gar nichts mehr wissen davon, dass sie vor Kurzem noch gegen einen mög­li­chen Ver­kauf der Ver­eins-Ikone Wayne Rooney an den chi­ne­si­schen Klub Shanghai SIPG pro­tes­tiert hatten. Im Gegen­teil. „ Plötz­lich sieht es aus wie eine gute Idee, Rooney nach China zu ver­kaufen„, schreibt ein Nutzer auf Twitter, ein anderer wird noch deut­li­cher: Rash­ford hat Rooney gerade nach China geschickt.“

China hat mich aus­ge­wählt“

Wenn der eng­li­sche Natio­nal­spieler Rooney tat­säch­lich nach China wech­seln sollte, wäre das für den chi­ne­si­schen Fuß­ball der größte Erfolg seit der ersten und ein­zigen Teil­nahme an einer Fuß­ball-WM im Jahr 2002. Rooney hatte zwar erklärt, er bliebe gerne bis 2018 bei United. Aber das war vor Rash­fords Toren. Und manchmal kann man es sich gar nicht so richtig aus­su­chen, wie der Bra­si­lianer Renato Augusto erklärt.

Der frü­here Lever­ku­sener Fuß­ball­profi hatte in der Win­ter­pause ein Angebot von Schalke 04 vor­liegen, zog dann aber ein Angebot des chi­ne­si­schen Klubs Bei­jing Guan vor. Fast ent­schul­di­gend erklärte er: Ich habe nicht China aus­ge­wählt, China hat mich aus­ge­wählt.“ Der 27-Jäh­rige wech­selt zwar in eine sport­lich weniger attrak­tive Liga, wird aber dafür in Peking angeb­lich mit rund 9 Mil­lionen Euro pro Jahr ent­lohnt. Als Spieler hast du zehn Jahre, um Geld zu machen„, sagt Renato Augusto, wenn solch ein Angebot kommt, denkt man an die Zukunft seiner Kinder und sogar der Enkel­kinder.“

337 Mil­lionen Trans­fer­aus­gaben in diesem Winter

Ähn­lich denken offenbar einige der welt­besten Fuß­baller. Selbst wenn Rooney das Angebot von angeb­lich jähr­lich 35 Mil­lionen Euro weiter aus­schlagen sollte, hat die Chi­ne­si­sche Super Liga (CSL) vor ihrem Start am heu­tigen Freitag die spek­ta­ku­lärsten Trans­fers der euro­päi­schen Win­ter­pause voll­zogen. In dem Bra­si­lianer Alex Teixeira (50 Mil­lionen Euro Ablö­se­summe, von Schachtjor Donezk zu Jiangsu Suning), dem Kolum­bianer Jackson Mar­tinez (42 Mil­lionen Euro, von Atle­tico Madrid zu Guang­zhou Ever­g­rande Taobao) und dem Bra­si­lianer Ramires (28 Mil­lionen, vom FC Chelsea zu Jiangsu Suning) haben die Chi­nesen im ver­gan­genen Trans­fer­fenster die drei teu­ersten Ein­käufe im Fuß­ball welt­weit getä­tigt.

Mit 337 Mil­lionen Euro Trans­fer­aus­gaben im Januar und Februar haben die 16 CSL-Klubs alle anderen Ligen, dar­unter die eng­li­sche Pre­mier League (253 Mil­lionen Euro), weit über­trumpft.

Die kost­spie­lige Ein­kaufs­tour der Chi­ne­si­schen Super Liga ist aller­dings nur ein Teil einer groß ange­legten poli­ti­schen Fuß­ball­of­fen­sive in China. Diese ent­springt der pri­vaten Lei­den­schaft des chi­ne­si­schen Staats­prä­si­denten Xi Jin­ping.

Sein Ziel ist, dass China sich im Fuß­ball nicht nur für eine WM qua­li­fi­ziert, son­dern auch einmal eine WM aus­richtet und irgend­wann eine WM gewinnt. Ein ambi­tio­niertes Vor­haben, wenn man bedenkt, dass die chi­ne­si­sche Natio­nal­mann­schaft in der Fifa-Welt­rang­liste auf Platz 96 hinter Gua­te­mala und Nord­korea ran­giert. In der Qua­li­fi­ka­tion für die WM in Russ­land 2018 droht China hinter Katar und Hong­kong schon in einer Zwi­schen­gruppe zu schei­tern.

Doch die große Fuß­ball­of­fen­sive soll nicht nur Xi Jin­pings per­sön­liche Lei­den­schaft befrie­digen, sie dient vor allem einem über­ge­ord­neten poli­ti­schen Zweck. Im aktu­ellen Reform­plan der Regie­rung heißt es, der Fuß­ball­sport könne dazu bei­tragen, Patrio­tismus und Kol­lek­tiv­geist im Land zu för­dern.

In Zeiten, in denen die Bevöl­ke­rung auf­grund wirt­schaft­li­cher Schwie­rig­keiten und sozialer Ungleich­heiten aus­ein­an­der­driftet, sollen Erfolge auf dem Spiel­feld das fuß­ball­be­geis­terte 1,3‑Milliarden-Volk einen. Zugleich könnte ein Auf­stieg zur Fuß­ball­groß­macht der Zustim­mung der Bevöl­ke­rung zum Sozia­lismus mit chi­ne­si­schen Merk­malen“ und zum Füh­rungs­an­spruch der Kom­mu­nis­ti­schen Partei för­der­lich sein.
Und so kommt es, dass seit einem Jahr in China alle Ampeln im Fuß­ball auf Grün geschaltet sind.

Plötz­lich ist Fuß­ball Pflicht­fach in den Schulen, plötz­lich werden aller­orten Fuß­ball­aka­de­mien aus dem Boden gestampft. 50 000 der­ar­tiger Sport­schulen sollen es bis 2025 werden. Die Chi­ne­si­sche Super Liga ist gerade aus der staat­li­chen Sport­ver­wal­tung ent­lassen worden und soll sich dem­nächst wie die Deut­sche Fuß­ball-Liga selber ver­walten. Die Politik ver­spricht sich davon eine grö­ßere Pro­fes­sio­na­li­sie­rung und eine gerin­gere Anfäl­lig­keit für Kor­rup­tion. Diese war bisher ein unfrei­wil­liges Mar­ken­zei­chen der chi­ne­si­schen Liga.

Weil öko­no­mi­sche und poli­ti­sche Inter­essen in China eng ver­flochten sind, unter­stützen auch die Wirt­schafts­bosse des Landes bereit­willig die Ent­wick­lung. Der reichste Mann des Landes, der Mil­li­ardär Wang Jianlin, kaufte zuletzt für 45 Mil­lionen Euro 20 Pro­zent des spa­ni­schen Klubs Atle­tico Madrid sowie den Schweizer Sport­ver­markter Infront. Wei­tere Über­nahmen hat er ange­kün­digt.

25.000 Fans pro Spiel

Und so steigen in der Chi­ne­si­schen Super Liga nicht nur Aus­gaben, son­dern auch Ein­nahmen. Im ver­gan­genen Jahr zahlte das Unter­nehmen China Sports Media 12,2 Mil­lionen Dollar für die Fern­seh­rechte der Liga. Nun sind die Kosten für die TV-Rechte gera­dezu explo­diert und für 1,22 Mil­li­arden Dollar für fünf Jahre über den Laden­tisch gegangen. Die Liga will bis 2018 welt­weit nach Deutsch­land und Eng­land bei den Zuschau­er­zahlen im Sta­dion auf Platz drei ran­gieren.

In diesem Jahr rechnet die CSL laut Guar­dian“ mit 25 000 Fans pro Spiel.
Die chi­ne­si­schen Unter­nehmen enga­gieren sich im Fuß­ball, weil sie ent­weder wie das staat­lich unter­stützte Unter­nehmen China Sports Media als ver­län­gerter Arm der Politik dienen. Oder sich poli­ti­sche Vor­teile erhoffen, wie es der schot­tisch-aus­tra­li­sche Fuß­ball­trainer Lawrie McK­inna aus Erfah­rung beschreibt. Die großen Immo­bi­li­en­firmen geben Geld an Fuß­ball­teams, weil es gut für die Stadt ist„, sagt McK­inna, und weil es gut für die Stadt ist, wird die lokale Regie­rung die Firmen dann berück­sich­tigen, wenn sie Land­rechte zu ver­geben hat.“

In zehn Jahren um den WM-Titel spielen

Sven-Göran Eriksson traut es China zu, dass es auf­grund der inten­siven Nach­wuchs­för­de­rung in zehn bis 15 Jahren den WM-Titel gewinnen kann. Doch es wird auch ein wenig Schmei­chelei gegen­über seinem aktu­ellen Arbeitsort sein. Eriksson trai­niert den an Wayne Rooney inter­es­sierten CSL-Klub Shanghai SIPG, der neben dem Dau­er­meister und aktu­ellen Titel­träger der asia­ti­schen Cham­pions League, Guang­zhou Ever­g­rande Taobao, zu den CSL-Titel­fa­vo­riten zählt.

Es dürfte ein langer Marsch an die Welt­spitze werden für den chi­ne­si­schen Fuß­ball. Der China-Experte Adam Minter fürchtet, dass sich die Inves­ti­tionen nicht in Erfolgen der Natio­nal­mann­schaft aus­zahlen könnten.“ Dann könnten die Leute anfangen zu hin­ter­fragen, ob das ganze Geld China wirk­lich dabei hilft, eine Fuß­ball-Super­macht zu werden“, schreibt er bei bloom​berg​view​.com. Er befürchtet das Platzen einer Blase, ähn­lich wie zuletzt an den chi­ne­si­schen Börsen. Und er emp­fiehlt Wayne Rooney, sich einen Wechsel noch einmal gut zu über­legen.