Rassismus hat sich von den Tribünen der Stadien in die Kommentarspalten der Social-Media-Kanäle verlagert. Wie gehen die Spieler damit um und was tun die Verantwortlichen der Plattformen dagegen?
Was steckt hinter diesem Anstieg an Online-Rassismus? Eniola Aluko, die 102 Mal für England gespielt hat, verweist auf das aktuelle soziale Klima. „Sehen Sie sich Trump, Brexit und Matteo Salvini an“, sagt sie. Salvini war während Alukos Zeit bei Juventus Ministerpräsident Italiens und gewann durch seinen Gebrauch rechtsextremer Rhetorik an Popularität. Sein Aufstieg, bemerkt Aluko, wurde begleitet von „einem Mangel an Interesse“ seitens der Behörden, Klubs für rassistische Gesänge bei ihren Spielen sowie Social-Media-Unternehmen für rassistische Botschaften im Netz zur Rechenschaft zu ziehen. Für Aluko ist dieses Desinteresse ein Symptom für die Akzeptanz von Vorurteilen in breiten Teilen der Gesellschaft. Vorurteile, die im Netz befeuert werden.
Troy Deeney möchte weiter zurückblicken. „Der Brexit hat Rassismus an die Oberfläche gespült“, sagt er. „Aber schauen Sie in die Vergangenheit: Für die Eltern und Großeltern vieler Menschen war Rassismus etwas ganz Normales. Und sie werden ihren Kindern beibringen, dass es akzeptabel ist. Was mir derzeit zu schaffen macht, ist, dass Leute sagen, es seien nur Neckereien. Aber Necken ist eine scherzhafte, liebevoll gemeinte Stichelei. Wenn man jemanden aufgrund seiner Hautfarbe, seiner Überzeugungen, seiner Sexualität beleidigt, wo ist das Necken?“
Der britische Soziologe und Rassismusexperte Ben Carrington sagt, dass es für einen bedeutenden Teil der weißen Öffentlichkeit Tradition habe, meinungsstarke, schwarze Sportler zu verurteilen. Social Media ist seiner Auffassung nach nur die moderne Variante davon. „Der Online-Missbrauch ist eine Form sozialer Sanktionierung“, sagt er. „Es ist eine formelle Disziplinierung von schwarzen Fußballern und sendet außerdem eine Warnung an andere schwarze Persönlichkeiten des öffentlichen Lebens, dass es seinen Preis hat, sich zu bestimmten Themen rund um Rassismus und Politik zu äußern.“ Er führt das Beispiel des notorisch großmäuligen Jack Johnson an. Das Verhalten des amerikanischen Boxchampions der frühen neunziger Jahre zog, obwohl es auch nicht widerspenstiger war als das seiner weißen Kollegen, massive Kritik von weiten Teilen des weißen Publikums und der weißen Presse auf sich. Johnsons eigentliche Sünde, sagt Carrington und greift dabei auf Worte des großen Historikers W. E. B. Du Bois zurück, sei „seine unverzeihliche Schwärze“.
Im modernen Kontext entsteht ein düsteres Bild: In den Händen eines bigotten Fußballfans ist Social Media eine Art digitale Peitsche, mit der er widerspenstigen schwarzen Fußballern die Leviten lesen kann. „Was das Alleinstellungsmerkmal für diese schwarzen Spieler ist, ist die Manifestation dieses Missbrauchs“, sagt Carrington, „und manchmal auch das Ausmaß des Missbrauchs. Es zielt darauf ab, schwarzen Menschen zu zeigen, wo ihr Platz ist. Eines der Probleme ist die Sprache. Wir reden gerne über Diversität und Rassenbeziehungen, aber das sind Euphemismen, um über White Supremacy, über weiße Vorherrschaft zu sprechen, eine Gründungsideologie des Westens. Eine Hierarchie von Rassen, mit weißen Europäern an der Spitze und ausnahmslos mit schwarzen Afrikanern ganz unten.“
„Trump, Brexit oder Salvini haben zu diesem Klima beigetragen“
Aluko weiß das nur zu gut. Sie erzählt, wie sie nach ihren Heimatbesuchen am Flughafen in Turin empfangen wurde. „Turin ist kein großer Flughafen“, sagt sie, „man kennt mich also, man sieht mich dort andauernd mit Juventus durchkommen. Und jedes Mal werde ich angehalten und meine Taschen durchsucht. Und jedes Mal sage ich: ‚Aber Sie haben mich so viele Male hier gesehen.‘“ Jedes Mal sagen sie, dass sie nur ihren Job machen, aber Aluko weiß, dass mehr dahintersteckt. „Es ist ihre Art, dir zu zeigen, dass dies dein Platz ist, egal wie viel du leistest.“
Deeney wird in erster Linie auf Twitter ins Visier genommen, gefolgt von Instagram. Sein Account wird tagtäglich mit rassistischen Beleidigungen und Bildern von Affen bombardiert. Während er sich daran gewöhnt hat – „so ist es nun mal“, sagt er –, sorgt er sich weiterhin darum, welche Auswirkungen die Übergriffe auf seine Familie haben. „Das ist der schwierigste Teil“, sagt er. „Ich bin ein bisschen altmodisch und finde, dass der Mann des Hauses seine Familie zu beschützen und nicht in Gefahr zu bringen hat. Aber indem ich für meine Familie sorge, setze ich sie der Gefahr aus, online beschimpft zu werden.“ Auf die Frage, wie die Social-Media-Unternehmen dagegen vorgehen, sagt er unmissverständlich: „Denjenigen, die dort die Entscheidungen treffen, ist es völlig egal.“