Wir bauen unsere Seite für dich um. Klicke hier für mehr Informationen.

Herr Skjelbred, blaues Auge, Pflaster im Gesicht – was hat denn Ihre Frau gesagt, als Sie so gezeichnet aus dem Trai­nings­lager von Hertha BSC nach Hause gekommen sind?

Alles gut. Für meine Familie ist das nichts Beson­deres. Meine Frau hat gelacht. Das macht sie meis­tens, wenn ich mich derart ver­letzt habe. Meine Kinder fanden das auch eher toll. Die fragten mich: Hast du gekämpft?“ Die sind es gewöhnt, dass ich am ganzen Körper blaue Fle­cken habe. Und meine Frau hat auch schon Schlim­meres erlebt.

Was denn?


Ich bin in Trond­heim mal in einer Disco geschlagen worden. Am nächsten Tag sind wir nach Miami in Urlaub geflogen. Meine Frau hat schon ein biss­chen irri­tiert geguckt, als ich mit blauem Auge am Flug­hafen auf­ge­taucht bin (lacht).

Was war pas­siert?


Ich war mit ein paar Freunden unter­wegs, wir wollten in Ruhe mal ein Bier trinken. Und als wir eigent­lich schon auf dem Weg nach Hause waren, hat mich ein Mann aus Oslo ange­spro­chen, ein ver­rückter Fuß­ballfan, leider vom fal­schen Verein. Er war ziem­lich aggressiv. Ich habe ihn höf­lich gebeten, mich in Ruhe zu lassen: Sorry, ich hab’ Urlaub, bin mit meinen Freunden hier und will mich nicht mit Fuß­ball beschäf­tigen.“ Als ich wieder bei meinen Kum­pels war, habe ich von hinten seine Faust ins Gesicht bekommen. Zum Glück für ihn ist die Polizei ganz schnell auf­ge­taucht (lacht).

Sie sind jemand, der auch auf dem Fuß­ball­platz viel ein­ste­cken muss. Kann man daran sogar so etwas wie Spaß ent­wi­ckeln?


Sie meinen, Spaß am Schmerz? Nein, wenn es geht, ver­suche ich das zu ver­meiden. Da hilft mir auch meine Erfah­rung, bestimmte Situa­tionen besser ein­zu­schätzen. Trotzdem kriege ich immer wieder etwas ab. Aber ich teile auch aus.

Trainer Pal Dardai scheint es wichtig zu sein, dass ein Sechser in den Infight geht.


Klar, das ist meine Auf­gabe für die Mann­schaft: dass ich richtig in die Zwei­kämpfe gehe, Bälle gewinne – und wenn ich sie nicht gewinne, zumin­dest dafür sorge, dass der Angriff unter­bro­chen ist.

Wie sehr liegt es an Per Skjelbred, dass nie­mand gern gegen Hertha spielt?


Es liegt an der ganzen Mann­schaft. Das Pres­sing fängt vorne bei Vedad Ibi­sevic an und hört hinten bei den Ver­tei­di­gern und Rune Jar­stein im Tor auf. Wir merken ja selbst im Trai­ning, wie schwer es ist, gegen uns Tore zu erzielen. Dass es nie­mand mag, gegen uns zu spielen, hilft uns. Es gibt uns zusätz­liche Energie.

Hat Ihnen schon mal ein Gegen­spieler gesagt: Och nee, nicht du schon wieder?


Ab und zu höre ich: Per, locker bleiben. Heute nicht so viel laufen.“ Aber das sind Leute, die ich gut kenne. Wäh­rend des Spiels bin ich in meiner eigenen Welt, trotzdem musst du auch ein biss­chen quat­schen und mal einen Spaß machen. Selbst wenn jemand für einen anderen Verein spielt und da Feuer drin ist, bleibt das dein Kol­lege. Viel­leicht trifft man sich ja später noch mal wieder, und dann ist es doch schön, wenn er sagt: Hey, Per, du warst ein geiler Junge.“ Es soll keinen Spaß machen, gegen mich zu spielen, trotzdem will ich ein ehr­li­cher Typ sein, auch auf dem Fuß­ball­platz.

Als Sie nach Deutsch­land gekommen sind, galten Sie noch als Spiel­ma­cher. Sind Sie damals falsch eti­ket­tiert worden?

Damals habe ich wirk­lich noch viel mehr nach vorne gemacht. Das wird jetzt nicht mehr so sehr von mir ver­langt. Ich muss darauf achten, dass wir die defen­sive Struktur bewahren, die Räume schließen und geg­ne­ri­sche Angriffe stoppen.

Würden Sie sagen, Sie haben Ihre Rolle jetzt gefunden?


Anfangs war das alles neu für mich, obwohl mir Zwei­kämpfe immer Spaß gemacht haben. Es ist ein biss­chen so, dass ich einen neuen Skjelbred ent­deckt habe. Für meine Spiel­weise und meinen Cha­rakter ist das genau die rich­tige Posi­tion. Trotzdem lerne ich jeden Tag etwas Neues von meinem Trainer. Pal Dardai war ja auch Sechser. Er will, dass mein Fokus auf der Defen­sive liegt, aber er hält mir auch vor, dass ich zu wenige Tore schieße.

Wissen Sie, wie Dardai als Spieler war?


Ich habe mir ein paar You­tube-Videos ange­sehen. Er sagt immer, dass er auch Tore geschossen hat. Das stimmt sogar. Ich habe die Tore gesehen, auch das in Wem­bley, von dem er gerne spricht. Viel­leicht sollte ich wirk­lich mal ein, zwei Tore machen, damit er nicht mehr so viel von seinen Hel­den­taten reden muss.

Hätten Sie gerne mal gegen ihn gespielt?


Anfangs habe ich das ab und zu im Trai­ning gemacht. Da hatte ich ein biss­chen Angst – weil er der Trainer ist und ich nur der Junge aus Nor­wegen. Aber ich glaube, jetzt will er nicht mehr gegen mich spielen. Sein Körper schafft das nicht mehr (lacht).

Von der Posi­tion im defen­siven Mit­tel­feld geht auch immer ein Zei­chen an die Mann­schaft aus, gerade was die Men­ta­lität betrifft. Schätzt Dardai genau das an Ihnen: dass sie Energie und Gier aus­strahlen?


Er spricht das nicht so direkt aus. Aber er sagt der Mann­schaft immer, dass wir im Mit­tel­feld Prä­senz brau­chen, dass die Zwei­kämpfe, die Bal­ler­obe­rungen, die Pässe so etwas wie der Motor unseres Spiels sind. Natür­lich fühle ich mich da ange­spro­chen, auch wenn ich nicht so viel dar­über nach­denke. Wenn der Schiri pfeift, weiß ich, was ich zu tun habe.

Glauben Sie, dass Dardai in Ihnen ein biss­chen sich selbst als Spieler wie­der­erkennt?


Keine Ahnung. Ich ver­suche jeden­falls nicht, ihn zu imi­tieren. Ich höre zu, was er sagt. Und ich weiß schon, dass meine Posi­tion in seiner Vor­stel­lung vom Fuß­ball eine wich­tige Rolle spielt. Die defen­sive Struktur ist unsere Basis. Wenn wir das gut hin­kriegen, kommt die Offen­sive fast ein biss­chen von selbst.

Sie sagen: Dardai redet nicht viel mit Ihnen. Wie muss man sich seine Mann­schafts­füh­rung vor­stellen?


Er weiß ein­fach, was er will. Und ich weiß, was das bedeutet. Er pusht uns, wenn es schlecht läuft. Und er weiß genau, wel­chen Knopf er drü­cken muss, um eine Reak­tion zu bekommen. Wenn es die rich­tige ist, spricht er nicht mehr groß­artig dar­über. Aber im Trai­ning fällt schon oft mein Name: Per, einen Meter weiter links.“ Oder: Einen Meter nach rechts.“ Für mich ist das nur positiv.

Das große Thema in diesen Tagen ist …


… ja (lacht) …

… die Frage, wie Hertha diesmal eine erfolg­reiche Rück­runde hin­be­kommt. Die Fans beschäf­tigen sich seit Wochen damit, die Medien eben­falls. Wie ist es mit der Mann­schaft?


Bei uns ist das kein Thema. Ich ver­spüre auch keinen Druck. 30 Punkte aus 16 Spielen, Platz drei, das ist über­ra­gend für uns. Ich emp­finde unsere Situa­tion als aus­schließ­lich positiv. Wir müssen ein­fach locker bleiben, gut trai­nieren und unser Ding durch­ziehen. Wenn wir das gut machen, ergibt sich alles andere von allein.

Ist irgend­etwas anders als vor einem Jahr? Im Trai­ning? In der Ansprache durch den Trainer?


Ich glaube, der größte Unter­schied ist: Wir als Mann­schaft haben jetzt mehr Erfah­rung mit dieser Situa­tion. Wir sind ein Jahr länger zusammen, kennen uns unter­ein­ander besser, sind noch mehr zusam­men­ge­wachsen. Der X‑Faktor muss ein­fach stimmen.

Wir haben ein nor­we­gi­sches Sprich­wort gefunden: Ingen­ting i denne verden er så; langt unna hvordan banen for gode inten­sjoner til hand­ling.“

Gute Aus­sprache – obwohl: Ein paar Wörter habe ich nicht ver­standen.

Auf Deutsch: Nichts auf der Welt ist so weit ent­fernt wie der Weg von einem guten Vor­satz zu einer guten Tat. Der gute Vor­satz ist da, aber bekommt Hertha das auch mit der guten Tat hin?


Ich habe Ver­trauen, dass wir besser abschneiden als voriges Jahr. Und zwar zu hun­dert Pro­zent.

Was macht Sie da so sicher?


Die Mann­schaft, die Spie­ler­typen, die Chemie und mein Gefühl. Wir haben auch etwas aus der ver­gan­genen Saison gelernt. Das heißt nicht, dass es von alleine funk­tio­nieren wird. Wenn wir uns den Spaß bewahren können, aber auch die nötige Serio­sität, bin ich selbst gespannt, wo uns das hin­führen wird.

Pal Dardai hat sich den Rat eines Sport­psy­cho­logen ein­ge­holt, wie er mit dem Thema umgehen solle. Haben Sie das gemerkt?


Nein, der Trainer ist in dieser Ange­le­gen­heit ganz locker. Ich glaube, im Moment sind wir alle Psy­cho­logen. Wir reden, wir quat­schen mit­ein­ander, ver­su­chen uns auf das Posi­tive zu kon­zen­trieren und das Nega­tive aus­zu­blenden.

Hatten Sie diese Men­ta­lität immer schon? Oder hat sich die erst im Laufe der Jahre ent­wi­ckelt?


Ich glaube, das war immer schon ein Teil von mir. Viel­leicht steckt es ein biss­chen in meinen Genen. Ich stamme aus einer Fuß­bal­l­er­fa­milie. Mein Groß­vater hat auch schon in der höchsten Liga Nor­we­gens gespielt. Der war sehr aggressiv auf dem Platz. Mein großer Bruder auch. Nur mein Vater ist nicht ganz so aggressiv, aber er quatscht viel. Er kommt aus Bergen, da machen die Men­schen das so. Er hat für Brann Bergen in der Zweiten Liga gespielt, hatte aber irgend­wann keinen Bock mehr, ist durch die Welt gereist und hat dann meine Mutter ken­nen­ge­lernt. Er war mehr der Hippie, von wegen Love und Peace.

Love und Peace, das ist jetzt nicht gerade Ihr Motto auf dem Platz.


Bei mir kann es hart zur Sache gehen, aber ich bin keiner, der darauf aus ist, das Spiel zu zer­stören. So bin ich gene­rell nicht. Es gibt nur einen Per, egal ob auf dem Fuß­ball­platz oder zu Hause. Da besteht kein Unter­schied. Aber je älter ich werde, desto mehr merke ich, dass ich dieses Feuer in mir habe. Das kommt bei mir aller­dings nur raus, wenn meine Kinder großen Blöd­sinn machen oder der Schiri seltsam pfeift.

Wie lange brau­chen Sie, um nach einem Spiel wieder run­ter­zu­kommen?


Da bin ich ganz locker. Wenn mein Sohn oder meine Tochter kommen und mich fragen: Hey, Papa, wie geht’s?“, dann weißt du, was das Wich­tigste im Leben ist.

Und Ihr Sohn? Führt der schon die Fami­li­en­tra­di­tion fort?


Er ist sechs und hat jetzt mit Fuß­ball ange­fangen.

Dann wird er wahr­schein­lich auch schon wissen, dass Tore das Schönste und das Wich­tigste sind.


Für ihn ist das Wich­tigste, dass Hertha gewonnen hat. Wie sein Papa gespielt hat, inter­es­siert ihn nicht. Das Team ist wichtig.

Sie haben sich und Ihre Familie zwei Jahre lang vom nor­we­gi­schen Fern­sehen in Ihrem Alltag mit der Kamera begleiten lassen. Was steckte dahinter?


Ich finde das Format groß­artig, weil es dort nicht um die Erfolge geht, um Medaillen und Titel, son­dern um den Men­schen dahinter. Das wollte ich den Zuschauern auch zeigen. Viele denken wahr­schein­lich, dass Fuß­ball­profis ein beson­deres Leben führen, in schönen Häu­sern leben, dicke Autos fahren und span­nende Sachen erleben. Ich wollte den Zuschauern einen Ein­blick in das wahre Leben gewähren. Das Leben einer nor­malen Familie mit zwei Kin­dern. Und den haben sie bekommen.

Wie war die Reso­nanz?


Über­ra­gend. Die Freundin von jemandem, den ich kenne, hat gesagt: Das hat richtig Spaß gemacht, sich das anzu­schauen. Es hat Situa­tionen gegeben, wo ich gedacht habe: Hey, der ist ja genau wie ich.“