Chinas Vereine pumpen immer mehr Geld in den Fußball. Aber wer war eigentlich der erste Knaller-Transfer? Und wann sind die Preise so explodiert?
Jorge Luis Campos wurde 1997 Chinas erster ausländischer Fußballer des Jahres – nach einem halben Jahr in der Jia A‑League, dem Vorläufer der heutigen Super League. Nach einem weiteren halben Jahr verließ der Paraguayer China schon wieder in Richtung Mexico. Hier hängt er im Achtelfinale der WM 2002 Thorsten Frings ab. Deutschland gewann trotzdem 1:0.
1993 kam Jörg Albertz zum HSV, wo der Mittelfeldspieler erst Publikumsliebling und dann Kapitän wurde. Nach seiner Zeit bei Celtic Glasgow ging er zurück zum HSV – und konnte nicht mehr überzeugen. Ablösefrei ging Albertz in der Winterpause 2003 nach Fernost, zu Shanghai Shenhua, wo er im selben Jahr zum Fußballer des Jahres gewählt wurde – der Saison, die nach einem Manipulationsskandal zum Ende der Jia A‑League führte. Im Januar 2005 holte ihn Greuther Fürth zurück nach Deutschland. Für 900.000 Euro.
Beijing Guodan, damals noch als Beijing Hyundai holte Branko Jelic 2004 aus Serbien nach China. 2005 wurde er nach Albertz und Campos zum dritten ausländischen Fußballer des Jahres in China. Danach zog es ihn weiter zu Xiamen Lanshi. Ein Jahr später stieg der Club ab – und Jelic wechselte ablösefrei in die Bundesliga zu Energie Cottbus. Ein Schnäppchen, dass sich lohnen sollte: Am 15. März machte Jelic beim Sensations‑2:0 des Tabellenletzten Energie gegen den souveränen Spitzenreiter Bayern München beide Tore. Lucio ist im Gesicht abzulesen, dass sich Jelics Fallrückzieher-Skills damals noch nicht von China nach Bayern rumgesprochen hatten.
Ablösefrei kam Nicolas Anelka im Januar 2012 von der Stamford Bridge zu Shanghai Shenhua, ein halbes Jahr später folgte Didier Drogba für die gleiche »Summe«. Glücklich wurden die beiden Stürmer im Land der Mitte aber nicht. Nachdem der Club zwischenzeitlich keine Gehälter mehr zahlte und die Spieler streikten, wechselten die ehemaligen Chelsea-Stars nach einem respektive einem halben Jahr zurück nach Europa, erneut ablösefrei. Anelka ging zu Juve, Drogba erlebte bei Galatasaray seinen zweiten Karriere-Sommer.
Ricardo Goulart hat noch nie in Europa gespielt, weshalb sein Name hier auch nur den wenigsten ein Begriff sein dürfte. In China sieht das etwas anders aus: Nachdem er in Brasilien für sechs verschiedene Vereine gekickt hatte, holte Guangzhou Evergrande den 24-jährigen nach China. Und dort startete er richtig durch. So sehr, dass er in den vergangenen beiden Jahren die Auszeichnung als Fußballer des Jahres einsackte. Das gelang zuvor nur dem legendären Zhen Zhi. In Europa kennt beide trotzdem keine Sau.
Ein Goulart allein macht noch keine Tore. So oder so ähnlich dachten sich das wohl die Verantwortlichen bei Evergrande – und verpflichteten deshalb im Januar 2016 Jackson Martinez von Atletico Madrid. Für 42 Millionen Euro. Und alle so: What? Doch der Transferrausch der Super League hatte gerade erst begonnen…
… denn Jiansu Suning setzte nur zwei Tage später nochmal einen drauf. Getreu dem Motto »Was die können, können wir teurer« verpflichtete man Alex Teixeira für 50 Millionen. Ja, DER Alex Teixeira, der die letzten sechs Jahre vor seinem Wechsel bei Shakthar Donezk in der ukrainischen Liga brilliert hatte. DER Alex Teixeira, dessen größter Erfolg bis dato der ukrainische Pokalsieg war. DER Alex Teixeira, der zuvor nur bei Vasco Da Gama in Brasilien kickte. Für 50 Millionen. Kann man mal machen.
Aber wie im europäischen Spitzenfußball gilt auch in China die goldene Regel: Es gibt immer einen Verein, der noch mehr zu zahlen bereit ist. In China ist das in letzter Zeit Shanghai SIPG. Und im Juli 2016 holten die einen echten Brecher, wortwörtlich. Givanildo Vieira de Souza, besser bekannt unter seinem Künstlernamen Hulk, kam für fast 56 Millionen Euro von Zenit St. Petersburg – neuer Rekord. Nach Russland war er damals vermutlich auch wegen des guten Wetters gewechselt.
Deutlich weniger teuer kam Renato Augusto Beijing Guoan zu stehen. Gerade mal 8 Millionen Euro Ablöse überwies der Hauptstadtclub an die Corinthians aus Sao Paulo. Sein Jahresgehalt liegt angeblich noch eine Million darüber. Auch Schalke war 2016 am Brasilianer interessiert, zog sich aber aus dem Wettbieten zurück. Immerhin ist Augusto ehrlich, was seine Motive für den Wechsel angeht: »Als Spieler hast du zehn Jahre, um Geld zu machen. Wenn solch ein Angebot kommt, denkt man an die Zukunft seiner Kinder und sogar Enkelkinder.« Und spricht damit vermutlich nicht nur für sich selbst.
An seine Kinder und Enkelkinder dachte vermutlich auch Carlos Tevez, als er Ende letzten Jahres das Angebot von Shanghai Shenhua annahm. Lediglich 10,5 Millionen zahlte der Klub für den Altstar. Mit 32 darf man ihn durchaus so nennen. Aber auch der Transfer scheint etwas »alt«, schließlich hat sich die Strategie der chinesischen Clubs seit Anelka und Drogba eigentlich verändert.
Die neue Devise lautet offensichtlich »jung kickt besser«. Das beste Beispiel dafür lieferte Shanghai SIPG vor wenigen Tagen. Der Club aus der Industrie-Metropole holte den 24-jährigen Oscar von Chelsea ins Land der Mitte. Anscheinend wird bei einer Ablöse von 60 Millionen Euro sogar Roman Abramovich schwach. SIPG jedenfalls übertraf damit die eigene Rekordsumme, die man ein halbes Jahr zuvor für Hulk hingeblättert hatte. Bleibt zu hoffen, dass man damit mehr gewinnt, als nur den berühmten Blumenstrauß, den Oscar selbst zur Begrüßung überreicht bekam.
Das dürfte aber eigentlich außer Frage stehen, schließlich legte man kurz nach dem Oscar-Hammer noch mal ordentlich nach: in Form von Odil Akhmedov. Für 7 Millionen Euro (kein Witz) holte man den Kapitän der usbekischen Nationalmannschaft (kein Witz!) aus Krasnodar (KEIN WITZ!). Immerhin hatte der diese Saison schon sechs Euroleague-Spiele für den FK gemacht. Ob Akhmedov der Wunschspieler von Star-Trainer André Villas-Boas war, ist nicht überliefert.
Ungefähr zeitgleich machte Axel Witsel sich auf den Weg nach China, genauer gesagt nach Tianjin. Der örtliche Club Tianjin Quanjian (bitte drei Mal hintereinander laut aussprechen) blätterte für den Belgier 20 Millionen auf den Tisch. Damit reiht man sich immerhin noch auf Platz sechs der Transferrekorde Chinas ein. Auch Juve hatte Interesse am belgischen Mittelfeldmotor angemeldet. Aber ihr wisst ja: »Als Fußballer hat man 10 Jahre…«
Frisch aus dem 11FREUNDE-Transferticker trudelt diese Knaller-Meldung ein: Auch CR7 verschlägt es nach Fernost! Nein, soweit ist es noch nicht. Aber vielleicht ist es nur noch eine Frage der Zeit. So berichtete Ronaldos Berater Jorge Mendes vor einigen Tagen von einem wirklich absurden Angebot: 300 Millionen Euro Ablöse soll ein chinesischer Verein bereit gewesen sein, zu zahlen. Für Ronaldo selbst wären immerhin noch 100 Millionen Euro Jahresgehalt geblieben. Da fällt mir nichts mehr ein. Oder doch: das.